Lectio II

Sag mir, wie du heisst, und ich sage dir, wer du bist

Sklaven bedienen Gäste

Die römische Gesellschaft wurde in zwei grosse Kategorien eingeteilt: In die Freien und die Sklav*innen.  Diese wurden rechtlich als Sache betrachtet, konnten aber freigelassen werden. Als Freigelassene hatten sie fast dieselben Rechte wie freie Bürger, Wahlrecht und politische Karrieremöglichkeiten waren aber eingeschränkt. Erst der Sohn eines Freigelassenen war vollumfänglich freier Bürger. Auch bei den Frauen gab es die drei verschiedenen Standeskategorien, doch hatten Frauen eingeschränkte Bürgerrechte, da sie nicht wählen durften und immer unter der rechtlichen Obhut eines Mannes (Vater, Ehemann oder Bruder) standen.

Die römischen Namen bilden diese Verhältnisse ab: Ein freier römischer Bürger hatte (etwa ab der Kaiserzeit) drei Namen, das praenomen (Vornamen), das nomen gentile (Familienname) und das cognomen (ein weiterer Familienname zur Unterscheidung der Linie einer gens). So heisst das Familienoberhaupt unserer Familie Titus Manlius Crassus.

Das praenomen wurde normalerweise abgekürzt: T. Manlius Crassus.

T. ⇾ Titus Q. ⇾ Quintus C. ⇾ Gāius
M. ⇾ Mārcus L. ⇾ Lūcius P. ⇾ Pūblius

Das nomen gentile und das cognomen wurden auf die Söhne vererbt, der älteste Sohn bekam normalerweise dasselbe praenomen wie der Vater. Um Verwechslungen zwischen den Generationen vorzubeugen wurde nach dem eigenen Vornamen und Familiennamen der Name des Vaters (in der Formel Titī fīlius «Sohn des Titus»), im Zweifelsfalle sogar der des Grossvaters in Abkürzung mit angegeben. Der älteste Sohn unseres T. Manlius Crassus heisst also Titus Manlius Titī fīlius Crassus.

Frauen nahmen die weibliche Form des nomen gentile der Familie, in die sie hineingeboren wurden, an, im Falle der Töchter unserer Familie also Manlia. Dazu traten zur Unterscheidung Bezeichnungen wie Maior (die ältere) oder Minor (die jüngere), Tertia (die dritte) etc.. Auch bei Frauen wurde zur genauen Unterscheidung der Name des Vaters mit derselben Formel angegeben. Die älteste Tochter unseres T. Manlius Crassus heisst also Manlia Titi filia Maior.

Sklaven hatten nur einen Namen, der oft ihre Herkunft anzeigte (Dēlia aus Delos, Lesbia aus Lesbos, Syrus aus Syria etc.). Um sie näher zu bezeichnen, gab man den Namen des Herrn im Genitiv mit an, unser Sklave Cretus wäre also als Cretus Crassi bezeichnet worden.

Freigelassene übernahmen praenomen und nomen gentile ihres Herrn. Der Sklavenname wurde dann zum cognomen. Zur genauen Unterscheidung wurde statt des Namens des Vaters der Name des Freilassers angegeben. Unser Cretus hiesse also nach der Freilassung Titus Manlius Titi libertus Cretus.

Lizenz

Icon für Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International

AMOЯ von Islème Sassi und Beatrice Gerber wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

Dieses Buch teilen