Lectio XIV

Die düsteren Ursprünge einer Hochkultur

Rom: die ewige Stadt! Doch die oftmals so glorreich und schillernd erzählte Geschichte hat auch sehr düstere Aspekte. Menschen wurden ungefragt vor vollendete Tatsachen gestellt und mussten sich mit ihrem Schicksal arrangieren. Eine von ihnen war Rhea Silvia, die von ihrem Onkel Amulius zu einer Priesterin der Vesta gemacht wurde. Dieser hatte nämlich Rhea Silvias Vater, seinen Bruder Numitor, vom Thron gestossen. Der Thronräuber wollte verhindern, dass Numitors Nachkommen, also allfällige Kinder Rhea Silvias, den Thron beanspruchten. Da die Priesterinnen der Vesta keinen Sex haben durften, glaubte Amulius, die Gefahr eines rechtmässigen Thronfolgers aus Numitors Geschlecht sei damit gebannt.

Peter Paul Rubens: Die Wölfin mit Remus und Romulus

Doch er hatte nicht mit göttlichem Einwirken gerechnet. Der Kriegsgott Mars vergewaltigte Rhea Silvia und zeugte mit ihr die Zwillinge Romulus und Remus. Nach der Geburt liess Amulius die Zwillinge auf dem Tiber aussetzen. Der Korb, in dem die Kinder lagen, verfing sich im Dickicht in einer Flussbiegung. Dort fand eine Wölfin die beiden Jungen, säugte sie und rettete ihnen so das Leben. Wenig später nahm ein Hirte die Kinder bei sich auf und erzog sie, als wären sie seine eigenen Söhne. Die beiden wuchsen zu kräftigen jungen Männern heran und gründeten an der Stelle, wo die Wölfin sie vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, eine Stadt.

Doch bald kam es zum Streit: Nach wem sollte die neue Stadt benannt werden? Romulus zog flugs mit der Spitzhacke eine Furche, welche die zukünftige Stadtmauer darstellen sollte, und nannte die Stadt Rom. Remus sprang über diese symbolische Stadtgrenze und verspottete Romulus, worauf dieser ihn erschlug. Einen hoffnungsvollen Anfang für eine junge Stadt stellt man sich anders vor.

Nichtsdestotrotz waren die ersten Jahre der jungen «Romulus-Stadt» erfolgreich. Immer mehr junge Männer schlossen sich dem charismatischen Anführer an, manch Vertriebener fand am Tiber eine neue Heimat. Doch die Stadt hatte ein Problem: Ihr fehlten die Frauen. Da konnte man noch so fleissig Sümpfe trockenlegen und Häuser bauen, ohne Frauen und damit ohne Nachwuchs drohte Romulus’ ehrgeizigem Projekt ein frühes Ende. Zuerst hatten die jungen Männer durchaus versucht, auf ehrliche Weise junge Frauen für sich zu gewinnen. Als das jedoch nicht fruchtete, griffen sie zu brutalen Mitteln.

Doch lassen wir sie endlich selber zu Wort kommen! Hersilia, eine Sabinerin, erzählt von einem Tag, der ihr Leben veränderte.

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AMOЯ von Islème Sassi und Beatrice Gerber wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

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