Lectio XXXI

Grammatik

31 Die nd-Formen

Die nd-Formen sind eine lateinische Spezialität, die wir im Deutschen mit verschiedenen sprachlichen Lösungen übersetzen. Bei den nd-Formen unterscheiden wir zwischen dem Verbalsubstantiv und dem Verbaladjektiv.

31.1 Das Verbalsubstantiv

Im Deutschen können wir einen Infinitiv problemlos substantivieren, indem wir ihn grossschreiben und mit einem Artikel versehen; so können wir ihn auch in verschiedene Kasus setzen:

Das Lesen macht mir Spass. Beim Lesen vergesse ich alles um mich herum. Das Ziel des Lesens ist es, neue Welten zu entdecken.

Im Lateinischen kann der Infinitiv eines Verbs nur als Subjekt oder Akkusativobjekt eingesetzt werden; für die übrigen Satzglieder gibt es eine eigene Form, das Verbalsubstantiv.

Das Verbalsubstantiv hat die Funktion eines substantivierten Infinitivs. Gebildet wird es aus dem Präsensstamm, dem Suffix -nd- und der neutralen Singular-Endung der 2. Deklination. Oft tritt es auch zusammen mit einer Präposition auf.

Achtung: Das Verbalsubstantiv von ire lautet eundum.

Nominativ Ludos spectare mihi placet. Die Spiele zu betrachten gefällt mir.
Akkusativ Amo ludos spectare. Ich liebe es, die Spiele zu betrachten.
Genitiv Gaudium ludos spectandī magnum est. Die Freude des Spiele-Betrachtens ist gross. → Die Freude, die Spiele zu betrachten, ist gross.
Akkusativ mit der Präposition ad Ad spectandum in circum venimus. Um zu schauen kommen wir in den Zirkus.
Ablativ Spectandō mutamur. Durch das Betrachten verändern wir uns.
Ablativ mit der Präposition in In spectandō timemus. Beim Betrachten fürchten wir uns.

31.2 Das Verbaladjektiv

Das Verbaladjektiv beschreibt eine geforderte, aber noch nicht eingetretene passive Handlung. Wie das Verbalsubstantiv besteht es aus dem Präsensstamm des Verbs und dem Suffix –nd-; als Adjektiv verfügt es jedoch über alle Endungen der 1. und 2. Deklination auf –us, –a, –um. Es passt sich seinem Bezugswort in Kasus, Numerus und Genus an:

puella laudandaein Mädchen, das man loben sollte → ein lobenswertes Mädchen

servus laudandus – ein lobenswerter Sklave

studium laudandum – lobenswerter Eifer

31.2.1 Das Verbaladjektiv als Prädikatsnomen

Tritt das Verbaladjektiv zusammen mit einer Form von esse auf, drückt es aus, was getan werden muss. Die Person, die die Handlung ausführen muss, steht im Dativ.

Hi libri nobis legendi sunt. — Diese Bücher müssen von uns gelesen werden. / Wir müssen diese Bücher lesen.

 

Wird der Satz verneint, wird ausgedrückt, was nicht getan werden darf.

Hi libri nobis legendi non sunt. — Diese Bücher dürfen von uns nicht gelesen werden. / Wir dürfen diese Bücher nicht lesen.

 

 

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