Lectio XIV

Grammatik

14 Das Genus verbi

Bis jetzt haben wir nur aktive Personalformen des Verbs kennengelernt:

Remus Romulum rīdet. — Remus lacht Romulus aus.

Die Rolle des Subjekts ist hier aktiv. Das Subjekt ist «Täter», es handelt.

Wie im Deutschen gibt es auch im Lateinischen die Möglichkeit, bei einer Handlung nicht den Täter ins Zentrum zu stellen, sondern die Person oder die Sache, auf die die Handlung eine Auswirkung hat:

Romulus rīdētur. — Romulus wird ausgelacht.

Die Rolle des Subjekts ist hier passiv. Das Subjekt ist «Opfer», es wird behandelt. Im Gegensatz zum aktiven Satz ist es mit einer passiven Formulierung möglich, den Täter gar nicht zu nennen. Doch auch wenn er genannt wird, liegt der Fokus auf dem «Opfer».

→ «Opfer» nenne wir die Person/die Sache auch dann, wenn mit ihr etwas Neutrales oder sogar Positives geschieht.

14.1 Angabe des «Täters» in einem passiven Satz

Falls in einem passiven Satz der «Täter» genannt wird, steht er im Ablativ (ablativus separativus: Von wem geht die Handlung aus?). Wenn es sich um eine Person handelt, steht zusätzlich die Präposition a/ab.

Romulus ā Remō rīdētur. — Romulus wird von Remus ausgelacht.

Hersilia violentiā terrētur. — Hersilia wird von der Gewalt erschreckt.

14.2 Übersetzungsmöglichkeiten des lateinischen Passivs

Grundsätzlich wird das lateinische Passiv mit dem deutschen Passiv übersetzt, das aus dem Hilfsverb «werden» und dem Partizip II gebildet wird.

Wo die Angabe des «Täters» fehlt, übersetzen wir im Deutschen gerne mit der unpersönlichen Formulierung «man». Dabei wird der deutsche Satz aktiv, da «man» das Subjekt ist; das Subjekt des lateinischen Satzes wird zum Akkusativobjekt. Trotzdem liegt der Fokus auf dem «Opfer».

Romae Neptūnus deus colēbātur. — In Rom verehrte man den Gott Neptun.

Wenn der «Täter» zugleich das «Opfer» ist, wenn also beschrieben wird, was jemand mit sich selbst tut, übersetzen wir das im Deutschen meist mit einem reflexiven Verb.

Dominus lavātur. — Der Herr wäscht sich.

14.3 Passiv Präsens und Imperfekt

Im Präsens und Imperfekt werden die Formen aus dem Präsensstamm und den folgenden passiven Personalendungen gebildet:

Singular Plural
1. Person or/-r mur
2. Person ris minī
3. Person tur ntur
Infinitiv /-ī

Daraus ergeben sich folgende Formen:

a- und e-Konjugation kons., ĭ- und ī-Konjugation
Präsens Imperfekt Präsens Imperfekt
1. Sg. rideor ridē-ba-r ducor duc-ē-ba-r
2. Sg. ridēris ridē-bā-ris duc-e-ris duc-ē-bā-ris
3. Sg. ridētur ridē-bā-tur duc-i-tur duc-ē-bā-tur
1. Pl. ridēmur ridē-bā-mur duc-i-mur duc-ē-bā-mur
2. Pl. ridēminī ridē-bā-minī duc-i-minī duc-ē-bā-minī
3. Pl. ridentur ridē-ba-ntur duc-u-ntur duc-ē-ba-ntur

Der Infinitiv Passiv der a-, e- und i-Konjugation endet auf -rī (vocārī, ridērī, audīrī), der Infinitiv Passiv der konsonantischen und ĭ-Konjugation auf -ī (ducī, capī).

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