Das Moulagenmuseum Zürich

Der Weg aus der Klinik ins Museum

Haldenbachstrasse 14, 8006 Zürich (Karte)

von Sophie Tschudin

Vom einfachen Muttermal über die juckende Schuppenflechte bis hin zur furchterregenden Beulenpest, in der Moulagensammlung findet man sie alle.

Abb. 1: Einsicht in die Sammlung des Moulagenmuseums.

Was sind Moulagen genau, wozu dienen sie und wie werden sie hergestellt?

Moulagen sind Wachsanfertigungen von erkrankten Körperteilen, meist Erkrankungen der Haut. Sie dienten im frühen 20. Jahrhundert als Lehrmittel zur Veranschaulichung von verschiedensten Hauterkrankungen. Da sie aus Wachs gefertigt wurden, sind sie ausserordentlich lebensecht und ermöglichen so ein genaues Studieren der Krankheiten und ihrer Manifestationen auf der Haut. Ihre Herstellung ist schwer und langwierig, denn zuerst muss eine Gipsform des abzubildenden Körperteils gegossen werden. Dann wird die Wachsmischung vorbereitet: gebleichtes Bienenwachs, Calciumcarbonat und Dammaharz werden in einem Wasserbad erhitzt und somit verflüssigt. Dieses Gemisch wird dann gefiltert, um Unreinheiten zu entfernen. Die Gipsvorlage wird anschliessend Schicht für Schicht ausgegossen. Ausgehärtet wird das Ganze in einem temperierten Wasserbad, in dem die Wachsfigur auch gleich aus der Gipsvorlage herausgelöst wird. Danach werden Gipsreste und sonstige Unebenheiten behoben. Die rohe Moulage wird dann bemalt, dies geschieht im Beisein des Patienten, da der ja die Vorlage bildet und es muss im Tageslicht gearbeitet werden. Die Farbe wurde, wie schon das Wachs, Schicht um Schicht aufgetragen. Anschliessend wird die Moulage noch mit Haaren, Augen oder Blasen (Augen und Blasen wurden aus Glas gemacht) versehen, falls nötig, und lackiert. Zum Schluss wird ein Leinentuch umrandet und die Moulage sollte mit Name des Herstellers, dem Datum der Herstellung und der Diagnose des Patienten versehen werden.

Abb. 2: Schritte zur Herstellung einer Moulage.

Entstehung der Moulagensammlung

Der Basler Professor Bruno Blocher wurde 1916 zum Direktor der neu gegründeten Dermatologischen Klinik in Zürich gemacht. Blocher war ein grosser Verfechter der Meinung, dass Moulagen für die Lehre der Dermatologie ein Muss sind. Er selbst hatte während seiner eigenen Ausbildung nämlich sehr von den Moulagensammlungen in Paris, Berlin und Wien profitiert. Bei Antritt seiner neuen Stelle bat Blocher also darum, rund 3000 Franken des Einrichtungskredites zur Beschaffung von Moulagen oder Materialien zur Anfertigung von Moulagen zu verwenden.

Abb. 3: Bruno Bloch.

Die deutsche Moulageuse Lotte Volger, die 1918 in die Schweiz flüchtete, begann mit dem Aufbau der Moulagensammlung, die dann 1924 im Neubau der Dermatologischen Klinik ihr Zuhause fanden. Dort waren sie in unmittelbarer Nähe des Hörsaals untergebracht, um während Vorlesungen schnell griffbereit zu sein. In diesen Jahren wurden vom Leiter der Chirurgischen Klinik Paul Clairmont etwa 500 Moulagen von chirurgischen Krankheitsbildern in Auftrag gegeben. Diese wurden von Fritz Kolbow angefertigt, der die Moulagenkunst wiederum bei Lotte Volger erlernt hatte. Solche chirurgischen Moulagen sind äusserst selten und heute nur in Paris und hier in Zürich zu finden.

Abb. 4: Beispiel einer solchen, seltenen, chirurgischen Moulagen in Zürich. Gezeigt ist ein Patient mit Keloiden auf Verbrennungsnarben.

1949 wurde Lotte Volger pensioniert, ihre Stelle wurde von Ruth Willi übernommen. Ruth Willi war eine von wenigen Schülerinnen von Volger und trat bereits nach sieben Jahren wieder zurück. Vor ihrem Rücktritt hatte sie aber erst Elsbeth Stoiber, eine weitere Schülerin Volgers, ausfindig gemacht. Der neue Leiter der Dermatologischen Klinik schickte Stoiber nach Indien mit der Aufgabe, Moulagen von tropischen Hautkrankheiten, wie zum Beispiel Lepra, zu fertigen. Stoiber war es auch, die Ausstellungen von ausgewählten, für die Vorlesung relevanten Moulagen im Hörsaal einführte. Durch dieses enorme Wachstum der Sammlung fanden aber schon bald nicht mehr alle Moulagen im Parterre der Klinik einen Platz, so wurden einige Stücke im Keller der Klinik, im sogenannten „Moulagen-Raum“, untergebracht. Dort dienten sie Studenten zum Selbststudium der Dermatologie und ihrer Krankheiten.

Abb. 5: von links nach rechts: Lotte Volger, Elsbeth Stoibel, Ruth Beutl-Willi.

Die Renaissance der Moulagenkunst

Da die Kamera- und Filmtechnik in den 1960er Jahren beeindruckende Fortschritte machte und man nun bevorzugt Film- oder Kameraaufnahmen als primäres Lehrmittel anwandte, gerieten die Moulagen immer mehr in Vergessenheit. 1972 bekam Elsbeth Stoiber sogar den Auftrag, alle bereits existierenden Moulagen wieder einzuschmelzen und zu Kerzen und Ähnlichem zu machen, da sie nicht nur sehr viel Platz einnehmen, sondern auch einer sehr aufwendigen Pflege bedürfen. Dass die Sammlung heute noch zu bestaunen ist, ist vor allem Elsbeth Stoiber zu verdanken, da sie sich geweigert hatte, die Moulagen einzuschmelzen. Daraufhin führte sie zusammen mit Urs W. Schnyder, dem Leiter der Dermatologischen Klinik von 1979-1991, und dem Konservator des Medizinhistorischen Museums der Universität Zürich, Urs Boschung, im Jahre 1979 eine Sonderausstellung zum Thema „Wachsbildnerei in der Medizin“ durch. Diese Ausstellung war der Anfang der Wiedergeburt der Moulagen. Von dort an wuchs das Interesse an der Moulagenkunst und deren Herstellung wieder, es wurden Publikationen und Filmbeiträge zur verlorenen Kunst der Moulagenherstellung und zur Arbeit von Elsbeth Stoiber gemacht. 1984 konnten die Moulagen aus den Kellerräumen der Dermatologischen Klinik in Vitrinen in die Untergeschossräumlichkeiten des Schulungsgebäudes der Universität Zürich ziehen.

Zugang für die Öffentlichkeit

1993 wurde an der Haldenbachstrasse ein Neubau des Universitätsspitals Zürich erstellt, in diesem wurden die in den 1990er Jahren von Günter Siemiatkowski restaurierten Moulagen ein erstes Mal für die allgemeine Bevölkerung frei zugänglich ausgestellt. Der Neubau ist so immer noch in unmittelbarer Nähe des Zentrums der Universität Zürich und des Universitätsspitals. In diesem Neubau sind um die 600 der rund 1800 Stücke grossen Sammlung zu bestaunen, man nennt diese 600 Modelle auch Sammlung A. Während Sammlung A für jeden zugänglich ist, ist Sammlung B, die Facharztsammlung, noch immer an ihrem alten Standort. Bis 1999 war Elsbeth Stoiber die Konservatorin der Moulagensammlung, dann wurde sie von Michael Geiges abgelöst, der die Stelle noch immer inne hat. 1996 wurde das Moulagenmuseum offiziell Mitglied im Verein der Zürcher Museen. Seit der Jahrtausendwende steigt das Interesse an Moulagen wieder, das Museum zählt jährlich etwa 4000 Besucher, und rund 100 Führungen.

Die Moulagen haben aber auch als Lehrmittel ein Comeback erlebt, da sie noch immer in einem hervorragenden Zustand sind, wurden sie von ihrem eigentlichen Zielpublikum, den Medizinstudenten, zunehmend wieder als Lehrmittel gebraucht, so findet man vor den Semesterprüfungen immer einige Medizinstudenten im Museum. Seit 2005 haben die Moulagen sogar wieder einen festen Platz in der Vorlesung der Universität Zürich, denn die Einführung in die Dermatologie, die vom Leiter der Dermatologischen Klinik gehalten wird, hält diese Vorlesung direkt im Moulagenmuseum.

Abb. 6: Innenansicht des Moulagenmuseum mit Blick auf den Seminarraum.

Seit 1999 ist das Museum auch im Internet vertreten. Man findet auf ihrer Website Informationen zu vergangen und kommenden Anlässen und zur Geschichte und Herstellung von Moulagen. Man kann sich Videos zu einzelnen Moulagen beziehungsweise einzelnen Hauterkrankungen ansehen, ausserdem bieten sie einen Virtuellen Rundgang durch das Museum an.

Bildquellen:

  • Abb. 1: https://www.zuerich.com/de/besuchen/kultur/moulagenmuseum
  • Abb. 2, 4 und 5: Eigenaufnahmen S. Tschudin
  • Abb. 3: https://www.moulagen.uzh.ch/de/geschichte-technik/zuerich.html
  • Abb. 6: https://zuercher-museen.ch/museen/moulagenmuseum

Literatur:

  • Moulagen.UZH: https://www.moulagen.uzh.ch/de/geschichte-technik/zuerich.html
  • Geiges, Michael: Das Zürcher Moulagenmuseum – Die heutige Bedeutung in der Dermatologie, Medizingeschichte und Öffentlichkeit. In: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 5 (2007), S. 953-957. DOI: 10.1111/j.1610-0387.2007.06527.x
  • Informationstafeln im Moulagenmuseum selbst.