Die Zürcher „Irrenanstalt“

Im Bann des Burghözli

Auguste Forels Hypnose

Lenggstrasse 31, 8032 Zürich (Karte)

von Ladina C. Jucker

Damals lag es am Stadtrand, heute liegt es inmitten von Krankenhäusern. Früher war es bekannt als Irrenheilanstalt „Burghölzli“, heute lautet der Name Psychiatrische Universitätsklinik Zürich. Der Ort, an dem der Psychiater Auguste Forel nicht nur seine Patienten, sondern auch sein Wachpersonal hypnotisierte.

Abb1: Die Irrenheilanstalt Burghölzli (1889)
Psychiatrie als medizinisches Fachgebiet

Der Ursprung der Psychiatrie, insbesondere der Anstaltspsychiatrie, in Europa findet man zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gab es kaum Einrichtungen für die Versorgung und Heilung psychisch Kranker, doch mit der Aufklärung wurde in Europa mehr für die soziale Fürsorge getan. Zuvor wurden die sogenannten «Irren», also psychisch kranke Patienten, in Gefängnissen untergebracht oder wurden von der eigenen Familie gepflegt. Es gab also kaum professionelle medizinische Versorgung für psychisch Kranke.

In dieser Zeit war man der Ansicht, dass die psychisch Kranken aus ihrer «krankmachenden» Umgebung genommen werden sollen, um in eine isolierte Umgebung einer Anstalt gebracht zu werden. Psychiatrische Anstalten wurden deshalb bevorzugt weit weg von der Stadt und dem normalen Alltag errichtet.

Gründung der Irrenheilanstalt „Burghölzli“

Wilhelm Griesinger spielte eine zentrale Rolle bei der Gründung des Burghölzlis. Der aus Deutschland stammende Psychiater war der Ansicht, dass psychischen Erkrankungen eine Erkrankung des Gehirns vorangeht. Psychische Krankheiten haben, laut Griesinger, also einen naturwissenschaftlichen Hintergrund und sind ein Teilgebiet der Medizin. Dementsprechend setzte er sich für die medizinische Versorgung psychisch Kranker ein. Er half bei den Planungsarbeiten der Klinik und sollte ursprünglich der erste Direktor des Burghölzlis werden, doch er verliess die Schweiz noch vor der Eröffnung des Burghölzlis.

Eine weitere wichtige Persönlichkeit bei der Gründung war Ullrich Zehnder, der Arzt und Regierungspräsident war. Er führte eine Zählung von psychisch Kranken im Kanton Zürich durch und erkannte, dass 4/5 der psychisch Kranken zu Hause von ihren Familien versorgt wurden und nicht in einem Spital. Durch diese Erkenntnis setzte er sich stark für die Gründung einer Irrenheilanstalt in Zürich ein.

Die Planung der Irrenheilanstalt in Zürich dauerte sehr lange, von 1839 bis 1864. Das lag daran, dass man die Architektur der Klinik selbst als eine therapeutische Methode ansah. Man glaubte, dass je nachdem, wie die Teile des Gebäudes angeordnet werden, die psychisch Kranken geheilt werden können. Es gab auch einige Diskussionen, wo der Standort des Bürghölzli sein sollte, da auch dieser einen Einfluss auf die Heilung haben könne. Die Irrenanstalt sollte weit weg von der Stadt sein, damit die psychisch Kranken weit weg vom alltäglichen Leben sind. Zwischenzeitlich wollte man das Burghölzli auf einem Hügel bauen, aber beschloss dann, dies nicht zu tun, weil die Patienten und Patientinnen einen schönen Ausblick auf den Zürichsee hätten. Die Irrenheilanstalt wurde deshalb unterhalb des Hügels errichtet, damit eine zu gute Aussicht die psychisch Kranken nicht trübselig stimmt.

1864 war die Planung beendet und dem Bau wurde zugestimmt. Die Bauarbeiten fanden von 1865 bis 1869 statt. Ein Jahr nach Beendigung der Bauarbeiten wurde die Irrenheilanstalt Burghölzli am 4. Juli 1870 eröffnet.

Abb.2: Luftbild des Burghölzli (1935)
Auguste Forel – sein Weg zur Hypnose

Auguste Forel wurde im Jahr 1879 Direktor des Burghölzlis, damit war er der vierte Direktor der Irrenheilanstalt innerhalb von 10 Jahren. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern blieb Forel fast 20 Jahre lang in seinem Amt.

Nach seinem Medizinstudium, das er 1871 an der Universität Zürich abgeschlossen hatte, schrieb er in seiner Dissertation über die Hirnanatomie. Später lernte er als Assistenzarzt bei Bernhard von Gudden (Psychiater und Hirnanatom), bis er das Direktorat des Burghölzlis erhielt. Auch in den ersten Jahren als Direktor am Burghölzli befasste er sich mit der Hirnforschung, doch mit der Zeit gab er die Hirnanatomie auf. Dafür befasste er sich mit der Suche nach neuen Therapien, da es noch nicht sehr viele erwiesene Therapiemöglichkeiten gab. Während seiner Suche stiess er auf die Hypnose.

Der Hypnotismus war nicht neu erfunden worden, bekam aber 1880 in Frankreich einen Aufschwung durch verschiedene Vorträge von Jean-Martin Charcot und Hippolyte Bernheim. Während Charcot der Ansicht war, dass die Hypnose nicht als therapeutische Methode verwendbar sei, meinte Bernheim, dass die Hypnose durchaus nutzbar sei. Dieser Ansicht war auch Auguste Forel und nachdem er 1887, persönlich von Bernheim, die Suggestionstherapie erlernte, wendete er diese an seinen Patienten und seinem Wachpersonal an.

Suggestionstherapie und schlafende Wachen

Forel sah durch die Hypnose eine Möglichkeit, das Unterbewusstsein und das Bewusstsein zu verbinden. Im Gegensatz zur breiten Masse fand er die Hypnose nichts Irrationales, sondern eine rationale wissenschaftliche Methode.

Um mehr über die Möglichkeiten des Hypnotismus zu lernen, hatte er im Burghölzli die ideale Umgebung, um zu experimentieren. Er nutzte die Hypnose vor allem für die Heilung von nervösen Funktionsstörungen, doch er war der Meinung, dass die Hypnose noch viele weitere Anwendungen haben könnte. Mit der Zeit behandelte er Drogenabhängigkeit, Menstruationsbeschwerden und Schlafstörungen. Auguste Forel setzte sich auch erfolgreich dafür ein, dass die Hypnose als Fach an der Universität unterrichtet wird. In seinen Vorlesungen hypnotisierte er Patienten vor dem Publikum. Diese dramatischen Vorstellungen begeisterten die Studenten so sehr, dass der Vorlesungssaal immer überfüllt war.

In der Hypnose machte er sich die Abhängigkeit, die zwischen Patient und Arzt besteht, zu Nutzen. Dieses Machtverhältnis half Forel, seine Patienten zu hypnotisieren, da er dadurch den Willen der Patienten besser seinem eigenen unterordnen konnte. Somit sprachen die Patienten besser auf seine Suggestionen an.

Genauso wie bei seinen Patienten nutzte Forel das Machtverhältnis zwischen ihm und seinem Wachpersonal aus. Die Arbeitsbedingungen der Wärter:innen von Anstalten waren im 19. Jahrhundert mangelhaft. Lange Arbeitszeiten, kaum Erholungszeiten oder Nachtruhe und stark ausgeprägte Hierarchien, in denen das Wachpersonal an unterster Stelle stand, sorgten für viel Unzufriedenheit. Das Wachpersonal änderte ständig, da laufend Wärter:innen das Burghölzli kündigten oder entlassen wurden. Die Kündigungen waren häufig damit verbunden, dass Wärterinnen geheiratet haben. Die Entlassungen hingen vermutlich damit zusammen, dass Forel sehr streng war, was die Disziplin anging. Er erwartete von seinem Personal, dass sie alle seine Regeln einhalten und ihm alles melden, damit er zu jeder Zeit Kontrolle über die Geschehen im Burghölzli hatte.

Durch seine erfolgreichen Behandlungen mit der Hypnose kam ihm die Idee, diese auch auf sein Wachpersonal anzuwenden. Sein Ziel dabei, war einerseits die Schlafprobleme des Personals zu lindern, andererseits wollte er herausfinden, ob auch nicht-kranke Menschen hypnotisierbar sind. Durch die Hypnose seines Personals erzeugte er sogenannte „schlafende Wachen“. Er optimierte die Arbeitsleistung des Personals, in dem er ihnen suggerierte, trotz Lärm zu schlafen und erst bei aussergewöhnlichen Geräuschen aufzuwachen. Durch die Hypnose konnte die Überanstrengung des Personals behoben werden und somit verschlimmerte sich ihre Unzufriedenheit nicht, aber die häufigen Wechsel des Personals blieben bestehen.

Zusätzlich konnte Forel durch die Hypnose sein Personal besser kontrollieren und strenger überwachen. Die Hierarchie im Burghölzi blieb ausgeprägt, mit Auguste Forel an der Spitze. Deshalb besteht auch die Frage, wie freiwillig das Wachpersonal sich der Hypnose aussetzten, da sie sich kaum der Autorität von Forel widersetzen konnten.

Abb.3: Die psychiatrische Universitätsklinik Zürich (2023)
Das Burghölzli heute

Obwohl es ursprünglich am Stadtrand erbaut wurde, liegt das Burghölzli heute in einem medizinischen Zentrum. Die Klinik Hirslanden, die Schulthess-Klinik und das Krankenhaus Balgrist liegen in unmittelbarer Nähe. Und voraussichtlich im nächsten Jahr wird auch das neue Kinderspital, direkt neben dem Burghölzli, eröffnet.

Seit der Eröffnung der Irrenheilanstalt Burghölzli hat sich auch der Name zweimal geändert und trägt heute den Namen Psychiatrische Universitätsklinik Zürich.

Die zeitliche Entwicklung
1839-1864Planungsarbeiten
1865-1869Bauarbeiten
1870Eröffnung der Irrenheilanstalt Burghölzli am 4. Juli
1870-1872Bernhard von Gudden (Direktor des Burghölzli)
1873-1874Gustav Huguenin (Direktor des Burghölzli)
1875-1879Eduard Hitzig (Direktor des Burghölzli)
1879-1898Auguste Forel (Direktor des Burghölzli)
1915Umbenennung in Kantonale Heilanstalt Burghölzli
1966Umbenennung in Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Bildquellen

Abb. 1: Baugeschichtliches Archiv, Ganz R. (ca. 1889)

Abb. 2: Baugeschichtliches Archiv, Swissair (ca. 1935)

Abb. 3: Handyaufnahme, Jucker L. C. (2023)

Literatur
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (living document: wird laufend aktualisiert) Zeitreise – Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) (pukzh.ch)
Bugmann M. (2012). Überwachen und regulieren: August Forels „schlafende Wachen“ im Burghölzli (1887-1898). Traverse: Zeitschrift für Geschichte = Revue d’histoire (19). https://doi.org/10.5169/seals-391039
Rössler W., Danuser H. (2013). Burg aus Holz – Das Burghölzli (1. Aufl.). NZZ Libro.
Bugmann M. Der „Hexenmeister“vom Burghölzli: Auguste Forels Hypnotismus im Vorlesungssaal und in der Klinik. In: Ritzmann I., Schweer W., Wolff E. (Hg.) Innenansichten einer Ärzteschmiede. Zürich 2008: 59-75.