Talsperren auf Ansichtskarten – gigantische Kunstwerke der Alpenlandschaft. 

Vom Kraftwerk zum Monument

Bachelorarbeit von Denise Locher

Grande Dixence Staumauer, VS

Vor rund zwanzig Jahren habe ich angefangen Ansichtskarten zu sammeln. Mittlerweile besitze ich mehrere hundert davon. Auslöser war eine Publikation des britischen Fotografen Martin Parr, mit dem Titel Boring Postcards USA. In diesem Bildband präsentierte der Fotograf einen Teil seiner Sammlung – die langweiligen Postkarten. Anders als gewohnt, waren auf diesen Ansichtskarten Autobahnausfahrten, Speisesäle, Hotelzimmer, Parkplätze, Tankstellen usw. abgebildet. Unattraktive Ansichtskarten hatten mein Interesse geweckt, und ich begann meine eigene Sammlung von «Boring Postcards» anzulegen.

v.l.n.r.: Gries-Stausee mit Mauerkrone, Nufenen-Pass mit Gries-Staumauer, Grande Dixence, VS

Ansichtskarten und Fotografie

Die Fotografie und die Ansichtskarte haben die Bildwahrnehmung und -verbreitung seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert entscheidend beeinflusst. Aufgrund der Massenproduktion sind die auf Postkarten gezeigten fotografischen Ansichten nicht Träger eines individuellen Geschmacks, sondern stellen jeweils weitverbreitete Stereotypen dar. Im Kontext der Schweizer Alpenlandschaft mit ihren Ansichtskartenmotiven wie beispielsweise Bergpanoramen, verschneiten Gipfeln und Sesselbahnen, löste bei mir jedoch das wiederholte Auftauchen von Talsperren trotz meines Sammelfokus Unverständnis aus. In meiner Arbeit habe ich daher das Ansichtskartenmotiv der Talsperre, insbesondere die Staumauer, näher untersucht, und bin der Frage nachgegangen, ob Staumauern durch die Abbildung auf Ansichtskarten, nicht mehr als Teil eines Kraftwerks, sondern als gigantisches Kunstwerk und Monument der technischen-elektrischen Kultur in der Alpenlandschaft wahrgenommen werden.

v.l.n.r.: Trutmannsee mit Staumauer, VS und Grimsel-Oberaar Stausee mit Mauer, BE

Untersuchung

Um nachvollziehen zu können, warum Talsperren überhaupt als Motiv auf Ansichtskarten abgebildet werden, habe ich mich mit ihrer Bedeutung im Kontext der Elektrifizierung der Schweiz durch Wasserkraft beschäftigt. Bezüglich der Wahrnehmung von Staumauern als Kunstwerk habe ich unterschiedliche Darstellungen der Talsperren auf Ansichtskarten untersucht. Dafür war im Vorfeld die Bildung von Typologien sowie das Aufzeigen ihrer wesentlichen Merkmale nötig.

Die vier Typen – Ausflugsort, Erhaben, Inszeniert und Technik

v.l.n.r.: Staumauer vom Lac d’Emosson, Grande Dixence, VS, zweimal die Verzasca Staumauer, TI

Die Untersuchung der in der Arbeit behandelten Talsperren-Typen hat gezeigt, dass sich bestimmte Aufnahmeperspektiven für die Wahrnehmung der Staumauer als plastische Form besser eignen, als andere. Für die Wahrnehmung der Staumauer als Kunstwerk, statt als Teil eines Kraftwerks, fällt auch der den Typus kennzeichnende Fokus ins Gewicht. 

Von den vier gebildeten Typen eignet sich der Typus Erhaben am besten und der Typus Technik am wenigsten gut für einen Wahrnehmungs- und Funktionswandel von einem Kraftwerk zu einem Kunstwerk und Monument.

Grande Dixence, VS

Bilder: Ansichtskarten aus der Sammlung Denise Locher. Teilbestand Talsperren Karten aus der Schweiz. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert