Von Menschen, Natur und Waffen

Analyse von Motiven und Charakterrollen in drei ausgewählten dystopischen Studio Ghibli Filmen

Von Melissa Fricke

Poster der untersuchten Filme

In meiner Bachelorarbeit habe ich die drei dystopischen Studio Ghibli Filme «Nausicaä aus dem Tal der Winde»[1], «Das Schloss im Himmel»[2] und «Prinzessin Mononoke»[3] hinsichtlich der Fragestellung untersucht, ob sich gemeinsame Motive finden lassen und welche Rollen die jugendlichen Protagonist*innen einnehmen. Um dieser Frage nachzugehen, wurde mit zwei verschiedenen Analysen gearbeitet: Zum einen wurden Schlüsselszenen definiert, welche für die Definition der Motive genutzt wurden. Zum anderen wurden die einzelnen Protagonist:innen genauer untersucht hinsichtlich ihrer Charaktereigenschaften. Diese zweite Analyse wurde zusammen mit den gefundenen Motiven genutzt, um den zweiten Teil der Fragestellung zu beantworten.

Gemeinsame Motive

Die drei Filme weisen sechs gemeinsame Motive auf, wobei vier davon als Hauptmotive und zwei als Nebenmotive definiert wurden, da sie nur am Rande der Handlung zu finden waren und nicht in allen Filmen gleich präsent waren. In diesem Blog werden nur die Hauptmotive vorgestellt. Es ist zu erwähnen, dass die jeweiligen Motive nicht immer gleich stark sind in allen Filmen, da die Inhalte der Filme sich stark unterscheiden.

Natur und Mensch oder Natur gegen Mensch

In allen drei Filmen wird die Beziehung zwischen Natur und Mensch dargestellt. Es lassen sich zwei Arten der Beziehung zwischen Natur und Menschen definieren: Zum einen haben wir die gewalttätige und sich wehrende Natur, die gegen die Menschen vorgeht und zum anderen haben wir eine harmonische und reinigende Natur, die den Menschen versucht zu helfen. In „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ und „Prinzessin Mononoke“ findet man erstere und in „Das Schloss im Himmel“ zweitere. Die „böse“ Natur wird in Form von Insekten und dem Meer der Fäulnis oder wildgewordene Waldtiere dargestellt. In „Das Schloss im Himmel“ wird eine paradiesische und wilde Natur gezeigt, welche die Insel Laputa übernommen hat. Dieses Paradies ist aber auch in den zwei anderen Filmen zu finden, wobei aber nur die Protagonist:innen fähig sind, beides zu sehen. Alle anderen Menschen sehen nur das Schlechte und wollen dementsprechend gegen die Natur vorgehen.

Krieg, Waffen und Frieden

In allen drei Filmen ist Gewalt in Form von Krieg und Waffen allgegenwärtig. Dieses Motiv hat einen starken Zusammenhang zum vorherigen, da Krieg und Waffen Teil der Auseinandersetzung zwischen Natur und Mensch sind. In „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ und in „Das Schloss im Himmel“ sieht man zusätzlich noch die Gewalt unter den Menschen selbst. Die dargestellten Waffen sind dabei sehr unterschiedlich: Sie reichen von Pfeil und Bogen bis hin zu Kampfrobotern.

Ganz im Gegensatz zu den gewalttätigen Handlungen der Filme stehen die Enden. Jeder Film endet mit einem relativ guten «Happy End». Die Konflikte werden am Schluss gelöst auf eine mehr oder weniger gute Art und Weise. Speziell zu erwähnen ist, dass die Protagonistinnen meist die leitenden Personen für diese friedlichen Ausgänge sind.

Liebe und Beziehungen

In den Filmen findet man jeweils ein Protagonisten-Paar, welches aus einem weiblichen und einem männlichen Charakter besteht. Zwischen diesen Paaren kommt es in wenigen Szenen zu Momenten, in welchen eine Dynamik entsteht, die Hinweise auf eine intimere Beziehung geben. Dabei muss man zwischen zwei Arten von Dynamiken unterscheiden: Zum einen helfen die Charaktere sich gegenseitig, indem sie sich füreinander einsetzen, damit die jeweils andere Person keinen Schaden nimmt. Zum anderen sind es eher intimere Momente, in welchen die Charaktere allein sind und daher frei miteinander reden können. Im Falle der ersteren Momente ist auffällig, dass meist die weiblichen Charaktere aktiv die männlichen Charaktere verteidigen oder beschützen.

Geschlechterrollen

Das Thema der Geschlechterrollen in den Filmen ist stark verknüpft mit den Beziehungen zwischen den Charakteren, da sich aus diesen Beziehungen Dynamiken erkennen lassen in Bezug auf das Geschlecht der Charaktere. Sowohl Nausicaä als auch San kann man als starke Heldinnen in ihren jeweiligen Filmen sehen. Beide handeln schon von Beginn des Filmes an selbständig und können sich, um ihre Ansichten zu vertreten, auch aktiv gegen ihren männlichen Gegenpart stellen. Die Protagonisten im Film nehmen keine solche starke Rolle ein wie die Protagonistinnen. Sie scheinen viel mehr eine unterstützende Funktion zu haben, damit die Protagonistinnen ihre Ziele erreichen können.

Zur Rolle der Protagonisten und Protagonistinnen

v.l.n.r.: Nausicaä und Asbel, Sheeta und Pazu, Ashitaka und San

Die Motive «Natur und Mensch oder Natur gegen Mensch» und «Krieg, Waffen und Frieden» sind Teil der Rahmenhandlung der Filme und daher haben die Protagonist:innen nicht unbedingt eine tragende Rolle bei der Erstellung der Konflikte. Sie haben jedoch einen Einfluss auf die Aushandlung der Motive.

Speziell das Motiv «Geschlechterrollen» wird von den Protagonist:innen getragen, da sie das Bild prägen, welches Dargestellt wird: «[…] Miyazaki’s films simultaneously deal in imaginative ways with gender and sexual relations, depicting intriguingly ambivalent characters that frequently transcend stereotypical notions of femininity and masculinity.»[4] Wenn man nun bedenkt, dass die Filme in den 80er und 90er Jahren produziert wurde, scheint diese Präsentation von Geschlechterrollen sehr futuristisch, da die Zeit der starken Frauen und der alternativen Frauenbilder erst spät in Filmen zu finden war.[5]

Kinder und Jugendliche, welche sich die Filme ansehen, sollen dazu angeregt werden, nicht immer alles als Gut oder Böse zu sehen, sondern die Perspektive der verschiedenen Charaktere einzunehmen und zu erkennen, welche Gründe sie haben, um so zu handeln, wie sie es tun. Hierzu eignen sich vor allem die kindlichen und jugendlichen Protagonist:innen, da es so einfacher ist für junge Zuschauer, sich in die Person zu versetzten, da sie es mit Menschen zu tun haben, welche in ihrem Alter sind und daher auch näher zu sein scheinen als Erwachsene. Dementsprechend spielen sie auch eine wichtige Rolle in der Darstellung der Motive, was die zu Beginn des Kapitels wiederholte Fragestellung beantwortet. Ohne die Protagonist:innen würden die Motive nur halb so gut bei den jungen Zuschauenden ankommen und die damit einhergehenden Probleme wären schwerer zu erkennen und zu verstehen.


Literaturverzeichnis

[1] Nausicaä aus dem Tal der Winde (jap.: 風の谷のナウシカ Kaze no Tani no Naushika). Japan 1984, Hayao Miyazaki (Netflix: Studio Ghibli).Auf
[2] Das Schloss im Himmel (jap.: 天空の城ラピュタ Tenkū no Shiro Rapyuta). Japan 1986, Hayao Miyazaki (Netflix: Studio Ghibli).
[3] Prinzessin Mononoke (jap.: もののけ姫 Mononoke-hime). Japan 1997, Hayao Miyazaki (Netflix: Studio Ghibli).
[4] Cavallaro, Dani: The Animé Art of Hayao Miyazaki. USA: McFarland & Company, 2006.
[5] Lenzhofer, Karin: Chicks Rule! Die schönen neuen Heldinnen in US-amerikanischen Fernsehserien. Bielefeld: transcript Verlag, 2006.

Abbildungsverzeichnis

  • Prinzessin Mononoke Filmposter: https://www.filmposter-archiv.de/filmplakat.php?id=1090
  • Nausicaä aus dem Tal der Winde Poster: https://www.filmstarts.de/kritiken/40132/bilder/?cmediafile=1000000092
  • Das Schloss im Himmel Poster: https://www.filmposter-archiv.de/filmplakat.php?id=6667
  • Nausicaä und Asbel: https://www.deviantart.com/sango1994/art/Nausicaa-and-Asbel-880179928
  • Sheeta und Pazu: https://www.brightwalldarkroom.com/2017/03/13/the-nuclear-resonance-of-castle-in-the-sky/
  • San und Ashitaka: https://dotandline.net/princess-mononoke-quote-hayao-miyazaki-1d68ffdd5a2a/