AfrikaBilder von Schweizer Jugendlichen. Am Beispiel einer Schwyzer Oberstufenschule.

Anina Widrig

Abb. 1: Poster mit Begriffen der Schüler*innen aus der Free-Listing Aufgabe zum Begriff ‚Afrika‘.

Zu Inhalt, Zweck und Ziel
Diese Bachelorarbeit thematisiert AfrikaBilder in deutschsprachigen Gesellschaften, Medien und insbesondere von Jugendlichen. Mit AfrikaBilder sind dabei Vorstellungen, Wahrnehmungen und mentale Konstrukte zu Afrika gemeint. Die Motivation für diese Arbeit war dabei, einen Beitrag an die Dekonstruktion von AfrikaBildern in unserer Gesellschaft zu leisten. Das Ziel für die Bachelorarbeit war deswegen herauszufinden, welche AfrikaBilder Schweizer Jugendliche äussern und wie sie dies tun.

Zum Vorgehen
Es wurden exemplarisch an einer Schwyzer Oberstufenschule mit sieben Jugendlichen Leitfadeninterviews und Free-Listing-Aufgaben über Afrika durchgeführt, welche anschliessend in einem eigen konzipierten Verfahren mit Rückgriff auf Elemente der Narrationsanalyse kodiert und kategorisiert wurden. Die Ergebnisse der Interviewanalyse wurden schliesslich einem deduktiven Ansatz folgend mit Ergebnissen aus der bestehenden Forschung abgeglichen, welche zuvor mittels einer Literaturanalyse erschlossen worden waren.

Zu den Ergebnissen
Folgende Hypothesen zu möglichen AfrikaBildern der Schwyzer Schüler*innen wurden basierend auf die Literaturanalyse formuliert:

  • Hypothese 1: Die befragten Jugendlichen schildern simplifizierte und undifferenzierte AfrikaBilder.
  • Hypothese 2: Die befragten Jugendlichen weisen bei der Schilderung von AfrikaBildern eine Mangel- beziehungsweise Defizitorientierung auf und skizzieren demnach AfrikaBilder, die von Negativismus geprägt sind.
  • Hypothese 3: Aus den AfrikaBildern der befragten Jugendlichen lässt sich ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Afrikaner*innen herauslesen; die AfrikaBilder dienen den Jugendlichen gleichzeitig zur positiven Konstruktion des Selbst.
  • Hypothese 4: Die AfrikaBilder der Jugendlichen wurden aus eurozentristischen Perspektiven verfasst.
  • Hypothese 5: Afrikaner*innen und Afrika als Kontinent werden von den befragten Jugendlichen als fremd und exotisch charakterisiert und von Europäer*innen und Europa abgegrenzt.
  • Hypothese 6: Modernität beziehungsweise Gegenwartsbezüge kommen in den AfrikaBildern der befragten Jugendlichen nicht vor.
  • Hypothese 7: Die befragten Jugendlichen schildern AfrikaBilder, bei denen Aspekte der Lebensweisen in Afrika romantisiert werden.


Einschub: Beispielhafte Analyse von zwei Interviewausschnitten

«B5: Ja, ich nehme es an, es wird dort nicht so viel Klassenräume haben, sondern einfach ein einfaches Haus. Eine Klasse oder zwei, drei Klassen, und dann wird dort einfach so ein wenig, das Wichtigste unterrichtet, das man halt wissen muss. Wahrscheinlich ein bisschen anders als bei uns, noch irgendwie, ein wenig Überlebenssituationen oder Sachen, über die wir gar nicht mehr studieren müssen.
I: Mmh. Also was kannst du dir vorstellen, was wir nicht darüber studieren müssen und sie schon?
B5: Ja, vielleicht irgendwie. Wie verhalte ich mich, wenn ich irgendwie von einem wilden Tier angegriffen werde oder so, was wir ja da nicht so haben (lacht).»
(Ausschnitt aus dem Interview 5, 19.04.2023, Zeilen 664-671)

Inhalte: einfach > Abwertung der afrikanischen Lebensweise // noch > B5 erwartet für Afrika eine gleiche Entwicklung wie für die Schweiz // wir gar nicht mehr > Abgrenzung zur Schweiz // Überlebenssituationen > Afrika als Krisenkontinent // wilden Tier > Afrika Stereotyp
Formen: Annahmen, Beurteilung, Vergleiche



«B7: Ich finde es einfach so wichtig mal zu wissen im Vergleich wie wir leben. Und manchmal beschweren wir uns so. Und dann denke ich mir im Nachhinein ‘Ich beschwere mich wegen einer schlechten Note, aber ich weiss nicht mehr, wie sie es dort haben’. So.
I: Mhm. Also es hilft dir jeweils. Dieser Vergleich hilft dir jeweils, dass du lernst zu wertschätzen, das was du hast. Also, dass es uns besser geht?
B7: Ja. Und mein Vater spricht auch viel darüber ‘Wir sind in der Schweiz’. Und die Schweiz ist sicher eigentlich. Und du siehst, was wir alles da haben. Auch wenn wir jetzt nicht das grösste Haus haben. Wir haben trotzdem so eine Wohnung, in der wir wohnen können. Und wir leben nicht auf der Strasse oder so.»
(Ausschnitt aus Interview 7, 26.04.2023, Zeilen 1266-1273)

Inhalte: aber ich weiss nicht mehr, wie sie es dort haben > Abwertung der afrikanischen Lebensverhältnisse // Ja > Vergleich mit Afrika dient der Aufwertung vom Leben in der Schweiz // Vater > Wissensquelle
Formen: Vergleiche


Fazit
Beim Abgleich der Ergebnisse aus der Interviewanalyse mit den Hypothesen zeigte sich, dass die AfrikaBilder der befragten Jugendlichen in unterschiedlichen Graden durch Rückgriff auf Stereotypen simplifiziert, undifferenziert, pessimistisch, eurozentristisch, abgrenzend und damit teilweise von kolonialistischen Denkweisen geprägt sind.
Es stellte sich also heraus, dass die AfrikaBilder der befragten Jugendlichen viele Übereinstimmungen mit den Bildern aus der allgemeinen Gesellschaft und den Medien aufweisen. Dadurch bestätigt sich, dass AfrikaBilder in deutschsprachigen Gesellschaften statisch scheinen. So wurden von den hier befragten Schweizer Jugendlichen ähnliche Aussagen gemacht wie von deutschen Jugendlichen in einer Befragung vor fünfundzwanzig Jahren.

Zur Relevanz
Die Ergebnisse dieser Bachelorarbeit sind insofern relevant, als sie einen Handlungsbedarf im Umgang mit problematischen AfrikaBildern aufzeigen. Die Forschung zu AfrikaBildern war in der Vergangenheit stark auf den Inhalt der AfrikaBildern ausgerichtet. Nun ist es an der Zeit, Methoden zur Bekämpfung von problematischen AfrikaBildern zu erforschen und anzuwenden, sei es in der Gesellschaft, den Medien oder Schulen.

Quellenverzeichnis:
Interview 5, 19.04.2023. (Der Verfasserin transkribiert vorliegend)
Interview 7, 26.04.2023. (Der Verfasserin transkribiert vorliegend)

Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: Poster, erstellt von A.W. am 07.06.2023.

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