Der erste Vitaparcours

Fitness in Zürich Fluntern seit 1968

Forrenweidstrasse, 8044 Zürich

von Prisca Tamborini

Ein Fitnesscenter in der Natur und doch schnell aus der Stadt erreichbar – seit über 50 Jahren!

Abb. 1: Seit 1968 sind Geräte aus Holz im Wald zum trainieren bereitgestellt. Hier eine Gruppe junger Männer während des Trainings um 1970.
Was ist ein Vitaparcours?

Ein Vitaparcours ist eine Trainingsstrecke, meist im Wald angelegt, welche für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Das Ziel ist einen kostenlosen Breitensport in der Natur zu fördern, so wie etwas für die Gesundheitsvorsoge zu tun. Wahrscheinlich deshalb befindet sich der Vitaparcours Fluntern am Waldrand, unweit der Stadt und schnell erreichbar. Landesweit sind die Parcours identisch zueinander. Sie bestehen aus 15 Stationen mit gesamthaft 43 Übungen. Auch gibt es Kurzparcours mit mindestens 6 Stationen. Aufgrund der topografischen Unterschiede haben diese nicht immer exakt die gleiche Strecke und den gleichen Abstand zwischen den Posten. Auf den Schildern ist in gelber, roter oder blauer Farbe jeweils markiert, um welche Art von Übung es sich handelt: Gelb für Beweglichkeit und Geschicklichkeit, Rot für Kraft und Blau für Ausdauer. Auch die Schilder wurden über die Jahre modernisiert und angepasst.

Abb. 2: Starttafel am Waldrand für den Vitaparcours bei Zürich Fluntern, 2024.
Wie enstand der erste Vitaparcours?

Eröffnet wurde der erste Vitaparcours der Schweiz am 18.5.1968 in Zürich Fluntern, nahe dem Zoo Zürich. Anstoss für dieses Projekt war der Männerturnverein Wollishofen, welcher bereits im Wald trainierte und Baumstämme und Astwerk als Hindernisse verwendete. Da diese jedoch ständig vom Förster weggeräumt wurden, wollte man feste Geräte installieren lassen, man wandte sich dem Forstamt zu und konsultierte den Kantonsingenieur.  Die Finanzierung erfolgte durch einen Sponsor – Die Vita Lebensversicherung. Die Übungen wurden weiterhin angepasst, die letzte grosse Anpassung war 1997, ein Jahr später kam der Mitsponsor Zurich Versicherung dazu. Heutzutage ist die Stiftung Vita Parcours zuständig für alle rund 500 Vita Parcours in der Schweiz. Vor Ort für die Imstandhaltung verantwortlich sind jeweils Gemeinden, Vereine oder Tourismusorganisationen. Im Frühling gibt es jeweils eine grosse Revision, durchs Jahr hindurch finden immer wieder Kontrollgänge statt.

Abb. 3 und Abb 4: Links eine alte Übungstafel aus Östringen, wurden bis in die 1990er benutzt. Rechts eine moderne Tafel von Zürich Fluntern.
Fitness und Fitnesskritik in den 60er und 70er Jahren

Mit viel Skepsis wurde der erste Vitaparcours vom damaligen Stadtrat Jakob Bauer 1968 in Zürich eröffnet. Zu Unrecht, denn 1973 wurde bereits der 100. Fitnesspfad eingeweiht, seit 1990 sind es knapp 500. Aber eine für uns so selbstverständliche Einrichtung und Lebensstil mit Skepsis zu betrachten liegt einem heutzutage recht fern. In den 1960er Jahren kam mit Fitness und dem Umbruch alter Sitten auch die Fitnesskritik auf. Man kommerzialisierte Fitness, reduzierte Menschen auf Körperbildern und man startete das Vergleichen des normalen Menschen mit den idolisierten Bildern aus dem Fernsehen. Da der Hype um die Gesundheit aber grösser war blieb die Kritik hinten aus.

Einer der radikalsten Kritiker war Michel Houellebecq. Mit einer sehr pessimistischen Sichtweise der Gesellschaft erläuterte er wie Europa dem amerikanischen Konsumwahn verfallen sei, dass Fitness eigentlich dem Darwinismus gleiche, der sexuelle Chancenungleichheit schaffe und kritisierte das moderne Körpermodell. Auch andere Kritiker sprechen über Fitness von einer Alltagsreligion. Perfekte Schönheit sei den Reichen vorbehalten, da man nur mit Zeit und Geld in seinen Waschbrettbauch oder gebräunte Haut aus Solarien sich dies leisten konnte. Man sprach von einer Ausgrenzung dickleibiger und armer Menschen. Man warf ihnen fehlende Disziplin und Selbstbeherrschung vor, wodurch sich die Chancen auf Beruf ebenfalls verringern. Frauen müssten ewig jung und schön aussehen, nach der Schwangerschaft müsse man sofort wieder die alte schlanke Form erreichen. Einige Feministen waren deshalb Kritikerinnen von der Fitnesskultur, diese wäre ein falsches Empowerment.

Ebenfalls kam durch das Ideal des gesunden, starken Körpers die Angst vor einem erneuten Aufschwung des Nationalsozialismus auf. In den 1960er Jahren war das Naziregime noch in lebendiger Erinnerung Vieler, manche fürchteten sich vor dem sogenannten Volkskörper und dadurch einer lenkbaren Masse, wo das Individuum verloren geht.

Der Vitaparcours heute

Vitaparcours werden von der schweizer Bevölkerung noch regelmässig benutzt. Offizielle Zählungen gibt es nicht, dennoch gab es 2014 eine Onlinebefragung, wo 17% der 6686 Teilnehmer angaben, monatlich einen Vitaparcours zu laufen, drei Prozent wöchentlich. Des Weiteren kann man der Website vom Bundesamt für Sport entnehmen, dass es Versuche gibt Fitnessparcours in der Stadt aufzustellen – Also nicht mehr im Wald, sondern noch einfacher erreichbar für die Bevölkerung.

Weitere Bilder des Vitaparcours Fluntern
Abb. 5: Ein Mann trainiert um 1970 mit einem Holzklotz. Heutzutage benutzt man bevorzugt das eigene Körpergewicht.
Abb. 6: Die erste Station des Vitaparcours Fluntern mit Vordehnungsübungen in 2024.
Bildquellen

Beitragsbild: Foto Prisca Tamborini, 2024.
Abb. 1: https://houseofswitzerland.org/de/swissstories/gesellschaft/zurich-vitaparcours-mehr-als-ein-sportliches-konzept-eine-institution
Abb. 2: Foto Prisca Tamborini, 2024.
Abb. 3: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vita_Parcours_%C3%96stringen.JPG.
Abb. 4: Foto Prisca Tamborini, 2024.
Abb. 5: https://houseofswitzerland.org/de/swissstories/gesellschaft/zurich-vitaparcours-mehr-als-ein-sportliches-konzept-eine-institution
Abb. 6: Foto Prisca Tamborini, 2024.

Literatur

Stress und Unbehagen. Glücks- und Erfolgspathologien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (pp.99-126). Publisher: Neofelis https://www.researchgate.net/publication/331132439_Fitness_als_Gluck
Zurich Vitaparcours, https://www.zurichvitaparcours.ch/de/Info und https://www.zurich.ch/de/services/wissen/leben-und-gesundheit/zurich-vitaparcours-der-groesste-fitnessclub-der-schweiz
NZZ Artikel, https://www.nzz.ch/panorama/vitaparcours-die-schweizer-erfindung-wird-50-jaehrig-aber-ist-sie-noch-beliebt-ld.1384270
Fitness. Schönheit kommt von aussen. Andreas Schwab, Ronny Trachsel. http://andreasschwab.ch/wp-content/uploads/2019/05/Katalog-Fitness-Sch%C3%B6nheit-kommt-von-aussen.pdf
Swissinfo. https://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/der-groesste-fitness-klub-der-schweiz-liegt-im-wald/30223832
Coop Artikel, https://epaper.coopzeitung.ch/aviator/aviator.php?newspaper=CZ&issue=20170613&edition=CZ42&globalnumber=201724&startpage=1&displaypages=2
Bundesamt für Sport, https://www.baspo.admin.ch/de/rubikone-der-urbane-fitnessparcours und https://backend.baspo.admin.ch/fileservice/sdweb-docs-prod-baspoch-files/files/2023/10/31/41ad4912-ec57-42d2-bcfa-05193641b477.pdf