Die Schulzahnklinik im Amtshaus III

Von Mattia Pfenninger, 25.11.2024

Zahnheilkunde Zürich 1900

Die Geschichte der Zahnmedizin in Zürich reicht weit zurück und spiegelt die Entwicklung der modernen Zahnheilkunde wieder. Bereits im 19. Jahrhundert begannen die Bemühungen zur Professionalisierung des Zahnarztberufs. Im Jahr 1865 wurde der Zahnarzt im Kanton Zürich offiziell als Medizinalberuf anerkannt. Die universitäre Ausbildung began jedoch schon früher, 1862, als Dr. med. Heinrich Billeter an der Universität Zürich die Veni Legendi für Physiologie, Pathologie und Therapie der Mundorgane erhielt. 1895 wurde die erste universitäre zahnärztliche Abteilung in Zürich eingerichtet, die als Vorläufer des heutigen Zentrums für Zahnmedizin (ZZM) gilt. Dieses entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem der führenden zahnmedizinischen Zentren Europas. Anfangs 1895 konzentrierte man sich im Behandlungsspektrum auf die allgemeine Zahnheilkunde, später (1948 und 1959) dann auch die Einführung der Prothetik und der Kieferchirurgie. 1898 bereits wurden erste Untersuchungen der Schülergebisse durch den damaligen Stadtarzt durchgeführt. Das Ergebniss: Das Milchgebiss, sowie auch das adulte Gebiss waren stark von Karies, wie auch von anderen Oralkrankheiten betroffen. Diese Entdeckungen und der Druck der Gesellschaft, führten dann zu einem besonderen Kapitel in der Geschichte der Schweizer Zahnmedizin. Der Eröffnung der schweizweit ersten Schulzahnmedizinklinik.

Schulzahnmedizin

Was am meisten imponiert ist, dass nur der wird plombiert, dessen Vater von Moneten ward vom Schicksal schwach betreten…Wenig Freude haben heut Kinder aller armen Leut, drum`bestimmt man höhren Ort`: Gratis ist der Plombenport“


Die Schulzahnklinik ist eine spezialisierte Einrichtung, die sich um die zahnmedizinische Betreuung von Schulkindern kümmert. Diese Kliniken bieten prophylaktische Behandlungen, Zahnreinigungen, Kariesbehandlungen sowie vorbeugende Maßnahmen, um die Zahngesundheit der Kinder zu gewährleisten. Neben den regulären zahnmedizinischen Leistungen legen Schulzahnkliniken großen Wert auf die Aufklärung der Kinder über richtige Zahnpflege und Ernährung, um langfristig eine gute Mundgesundheit zu fördern.

Abb. 1 Behandlungen im Amtshaus III

Die erste Schulzahnklinik in Zürich wurde aufgrund des steigenden Bedarfs an zahnärztlicher Betreuung von Schulkindern im Jahr 1908 eingerichtet. Hintergrund dieser Entscheidung war ein zunehmendes Bewusstsein für die Bedeutung der Zahngesundheit und der präventiven Pflege, das durch wissenschaftliche Erkenntnisse und die Forderungen von Lehrkräften sowie medizinischen Fachleuten unterstützt wurde. Bereits 1905 war ein Merkblatt zur Zahnpflege an die Schüler verteilt worden, das Anleitungen zur richtigen Pflege und zu einer zahngesunden Ernährung enthielt. Diese Maßnahme zeigte jedoch nur begrenzte Wirkung, weshalb der Zürcher Stadtrat schließlich beschloss, die erste Schulzahnklinik zu eröffnen.

Am 12. Oktober 1907 fiel der formelle Beschluss, eine Klinik zu gründen, um die Zahnpflege der Schulkinder zu übernehmen. Die Anfänge der Schulzahnklinik waren bescheiden, doch die steigenden Anforderungen führten schnell zu einer Erweiterung der Infrastruktur. Bis 1928 war die Sanierung aller Schulkinder eines der Hauptziele. Dies erforderte nicht nur die Einrichtung weiterer Kliniken, sondern auch die Einstellung zusätzlicher Zahnärzte und Assistenten. Dr. Max Reiser, der 1924 seine Arbeit in der Schulzahnklinik aufnahm, spielte dabei eine zentrale Rolle, indem er den Dienst über die Jahre hinweg leitete und organisierte.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt die zahnärztliche Betreuung jener Kinder, die noch nicht in den regelmäßigen Sanierungsplan einbezogen waren. Hier kamen Notfallbehandlungen und symptomatische Eingriffe zum Einsatz, bis die vollständige Sanierung durchgeführt werden konnte. Auch die Einführung eines kostenfreien zahnärztlichen Dienstes für alle Schulkinder bedeutete einen großen Fortschritt in der Gesundheitsvorsorge. Ab 1929 übernahm die Stadt Zürich die vollständigen Kosten für die zahnärztliche Behandlung der Schüler, was bis heute eine Grundsäule der Schulzahnpflege in der Stadt bildet.

Durch diese kontinuierliche Erweiterung und Verbesserung der Schulzahnkliniken konnte Zürich nicht nur die Zahngesundheit der Schüler verbessern, sondern auch eine Vorreiterrolle in der zahnmedizinischen Betreuung von Kindern einnehmen.

Amtshaus III & Schulzahnklinik

Abb. 2 Amtshaus III (1969)


 Heute befindet sich am Ort der ersten Klinik (Lindenhofgasse 4, heute Lindenhofstrasse), nur noch ein Spielplatz. Doch die Klinik bekam bei ihrem ersten damaligem Umzug einen sehr imposanten, neuen Ort für die Praktizierung der Zahnärztlichentätigkeit, nämlich an der Lindenhofstrasse 21, oder besser bekannt als Amtshaus III. Das Amtshaus III in Zürich hat eine lange und bedeutende Geschichte, insbesondere in Bezug auf die Unterbringung städtischer Ämter. Fast ein halbes Jahrhundert lang teilten sich das Schulamt und die Stadtpolizei die Räumlichkeiten des Amtshauses III. Doch mit der Zeit wuchsen beide Institutionen, und die gemeinsame Nutzung der Räume führte zu zunehmenden Problemen. Die gegenseitige Behinderung wurde immer gravierender, sodass es notwendig wurde, eine neue Lösung zu finden. Diese bot sich 1955, als der Unternehmer Karl Steiner vorschlug, auf dem Grundstück der von ihm erworbenen Villa Parkring 4 in Zürich-Enge ein Bürohaus für die städtische Verwaltung zu errichten. Nach zahlreichen Hürden und Einsprachen wurde 1960 die Baubewilligung erteilt, und der neue Gebäudekomplex wurde schließlich fertiggestellt. Ende Januar hatte das Schulamt das neue Amtshaus am Parkring bezogen, welches sich bereits in der Praxis bewährt hatte. Das Projekt stieß jedoch auf Widerstand im Gemeinderat, insbesondere aufgrund der Mietkosten von rund 320.000 Franken jährlich. Der Mietvertrag wurde nur knapp genehmigt, und die Stadt hatte bis Ende 1965 das Recht, das Gebäude für 5,75 Millionen Franken zu erwerben.

Die Schulzahnklinik spielte eine zentrale Rolle in dieser Entwicklung. Nach dem Rücktritt des Schulzahnarztes im Jahr 1929 und der damit verbundenen internen Reorganisation des Dienstes, beschloss der Stadtrat, das Personal durch die Einstellung weiterer Assistenten und Gehilfinnen zu verstärken. Aufgrund fehlender räumlicher Kapazitäten musste die Klinik jedoch vorübergehend ins Amtshaus III verlegt werden – als Provisorium. Dieses Provisorium, das ursprünglich nur als Zwischenlösung gedacht war, bestand aus einem Operationsraum, vier Arbeitsplätzen, einem Wartezimmer, einer Kanzlei und einem Laboratorium. Obwohl diese räumliche Ausstattung für den dauerhaften Betrieb nicht ideal war, hielt das Provisorium ganze 30 Jahre an, da keine schnellen Alternativen gefunden wurden. Die Dezentralisierung wurde in einem Beschluss der Zentralen Schulpflege vom 7. Juni 1955 ausdrücklich als dringend erachtet. Dies Aufgrund der rapiden Expansion der Bevölkerung und der daraus notwendigen Reorganisation bzw. der Dezentralisierung des Schulzahnärztlichendienstes. Die Notwendigkeit, die Schulzahnkliniken über die Stadt zu verteilen, führte schließlich zu konkreten Maßnahmen. So wurde entschieden, dass die Kinder aus den Quartieren Wollishofen und Leimbach, die bisher die Schulzahnklinik im Amtshaus III besuchen mussten, eine eigene Klinik erhalten sollten. Diese sollte im Obergeschoss der Herberge eingerichtet werden, um den praktischen und verkehrstechnischen Bedürfnissen der betroffenen Kinder besser gerecht zu werden. Diese Maßnahme steht ganz im Einklang mit der Dezentralisierungsstrategie, die Dr. Reiser in seiner Amtszeit angestoßen hatte und die nun weiter umgesetzt wurde.

Abb. 3 Amtshaus III (2024)

Trotz dieser provisorischen Lösung wurde die Klinik weiterhin ausgebaut. Die Frage nach einer dauerhaften Unterbringung blieb jedoch lange ungeklärt. Erst mit der Erweiterung des Personals und der steigenden Anzahl an behandlungsbedürftigen Schülern konnte die notwendige Sanierung und Behandlung fortgesetzt werden. Die beengten Verhältnisse im Amtshaus III erschwerten zwar die Arbeit, doch dank des unermüdlichen Einsatzes des Personals und der Unterstützung der Stadt blieb der Betrieb der Schulzahnklinik bis zum endgültigen Umzug funktionsfähig. Heute gibt es sieben Schulzahnkliniken, und die ehemalige Klinik des Amtshaus III befindet sich am heutigen Parkring 4.

Quellen:

-[s.n.]. Schulzahnklinik. J.F. Boscovits, 1907. Print. (Zitat)

Abbildungen:

Abb.1: Schulzahnklink Amtshaus III, Staatsarchiv 1969

Abb.2: Amtshaus III, Staatsarchiv 1969

Abb.3: Eigene Aufnahme (2024)