Das Fachspital Sune-Egge

Dort, wo alle Menschen medizinische Hilfe erhalten

Konradstrasse 62, 8005 Zürich (Karte)

von Meret Felder

Ein Begegnungsraum mit einem warmen Kachelofen, an dem Patient*innen miteinander und mit der Seelsorge in Kontakt kommen können. Rauchen darf man auch drinnen, ein Lift, in dem ein Rollstuhlfahrer gerade so Platz hat.
Ja, Sie haben richtig gehört, wir befinden uns im Fachspital Sune-Egge.

Abb.1: Der Sune-Egge von innen
Was macht das Fachspial Sune-Egge aus?

Der Sune-Egge ist ein Fachspital für Sozialmedizin und Abhängigkeitserkrankung. Hier erhalten sozial benachteiligte Menschen, überwiegend aus dem Sucht- und Obdachlosenmilieu, eine stationäre oder ambulante Behandlung. Bis heute ist das Fachspital schweizweit eine einzigartige Anlaufstelle und die einzige Einrichtung, die auch stationäre Aufenthalte für Menschen bietet, die sonst normalerweise durch unser Gesundheitssystem fallen.

Die Klientel des Fachspitals zeigt sich vielfältig; von Menschen, die zur Wundpflege ambulant vorbei kommen bis zu Patient*innen, die den Sune-Egge als letzten Aufenthalt vor dem Tod auswählen. Dementsprechend ist auch das dort arbeitende Team aus den verschiedensten Fachrichtungen zusammengestellt.1

Abb.2: Das Fachspital Sune-Egge im 2019
Wie der Sune-Egge entstand

Das Fachspital Sune-Egge wurde 1989 von der Stiftung Pfarrer Sieber als Reaktion auf das damals grosse Drogenproblem gegründet. Deshalb hilft es, sich zuerst mit der Zürcher Drogengeschichte auseinander zu setzten, damit man verstehen kann, weshalb das Fachspital entstand und was seine Bedeutung war und ist.2

Ein kurzer Einblick in die Zürcher Drogengeschichte

In den frühen 70er-Jahren begann der Konsum von illegalen Substanzen in Zürich stetig zuzunehmen. Es bildeten sich erste kleinere Drogenszenen, in denen offen gedealt und konsumiert wurde. Die Polizei versuchte vergebens, die Treffpunkte mit repressiven Massnahmen aufzulösen. Mitte der 80er-Jahre verschob sich die Szene schliesslich in den Platzspitz, wo sie vorerst toleriert wurde, sich aber rasant ausbreitete. 

Eine zusätzliche Verschlimmerung der Situation verursachte das 1985 in Kraft gesetzte Verbot der Spritzenabgabe. Dies führte unter den Süchtigen zu einer starken Verbreitung von HIV und Hepatitis, weil die Spritzen durch Mehrfachgebrauch und Teilen untereinander unsteril gebraucht wurden. Nach einem Jahr wurde das Gesetz wieder abgeschafft, aber die viralen Krankheiten hatten sich unter den Süchtigen bereits stark ausgebreitet. Die Stadt richtete eine Spritzen-Abgabestelle auf dem Platzspitz ein.

Ende der 80er-Jahre kam es in der Zürcher Politik schliesslich zu einem Umdenken im Umgang mit den drogenabhängigen Menschen. Man begann, sogenannte “Fixerstübli”, Notschlafstellen und vieles mehr einzurichten. Genau in dieser Zeit entstand auch das Fachspital Sune-Egge. Sein Gründer, Pfarrer Ernst Sieber, hat sich in der Zürcher Stadtpolitik stark für die Obdachlosen und Süchtigen eingesetzt. Ihm ist bis heute noch viel zu verdanken.
1992 wurde der Platzspitz schliesslich nicht ganz erfolgreich geschlossen, da sich die Drogenszene erneut verlagerte und sich nun auf eine noch viel härtere Weise im stillgelegten Bahnhof Letten etablierte. 1995 wurde der Letten schliesslich geschlossen und die offene Drogenszene in Zürich nahm ein Ende.3

Der Sune-Egge in seinen Anfängen

Bereits im November 1987 wurden in dem Haus des heutigen Sune-Egge drogensüchtige Obdachlose geheim untergebracht und notfallmässig medizinisch versorgt. Als schliesslich im Mai 1988 die Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS) gegründet wurde, dauerte es nicht lange, bis auch ein offizieller Mietvertrag für das fünfstöckige Wohnhaus an der Konradstrasse 62 unterschrieben wurde. Das Haus wurde Pfarrer Sieber von der “Victor und Rose Glofarb-Stifung” zu einer bescheidenen Miete überlassen. Schliesslich konnten bereits im Dezember 1988 die ersten Patient*innen ambulant im Sune-Egge betreut werden. Im Februar 1989 erhielt die Stiftung von der Gesundheitsdirektion die Bewilligung zur Führung eines Krankenhauses. Der Sune-Egge wurde offiziell als kantonales Fachspital anerkannt und verfügte über 28 Betten und einer ambulanten Praxis. Heute verfügt das Fachspital insgesamt über 45 stationäre Plätze.2, 4

Von den 28 Betten wurden 12 als Plätze für terminalen Aids-Patient*innen zur Verfügung gestellt. Die restlichen 16 Betten boten Platz für Akuterkrankte.

Als 1991 der erste Jahresbericht erschien, zählte das Fachspital bereits 6379 Pflegetage allein in diesem Jahr. Es wurden berührende Schicksale von Erfolg und Misserfolg in der Pflege der meinst schwerkranken Menschen mit Dualdiagnosen geteilt und von der vergleichsweise sehr schwierigen Arbeit mit den Patient*innen. Das improvisierte Provisorium im Keller eines Wohnhauses hat sich bis 1991 in ein gut organisiertes Spital entwickelt mit klaren Richtlienen und Regeln aber doch einer, in diesem Fachbereich doch so wichtigen, Prise Persönlichkeit.4

Wie geht es weiter?

Nach seiner Eröffnung, ging es nicht lange, bis das Fachspital mit seinen Kapazitäten zu kämpfen hatte. Einerseits war ein ständiger Platzmangel Problem, da mehr Menschen als geplant schliesslich auf Langzeit im Sune-Egge augenommen werden sollten. Zudem war auch die Finanzierung eine schwierige Aufgabe. Glücklicherweise wurde der Sune-Egge aber stets von Stadt und Kanton Zürich finanziell unterstützt, wie dem Jahresbericht von 2008 zu entnehmen ist.5

Nicht zu vergessen waren und sind auch die einzigartigen Umstände, unter welchen das Personal im Sune-Egge umzugehen hat. Patient*innen aus der Drogenszene kämpfen oft mit Aggressionen und Ängsten, die weder für sie selber, noch für das betreuende Pflegeteam einfach sind. Dies ist unter anderem auf eindrückliche Art und Weise im Buch „Wir gehören zueinander“ von Walter Munz, dem ehemaligen Chefarzt des Sune-Egge, beschrieben.6

Abb. 3: Das Fachspital Sune-Egge heute.
Ein Blick in die Zukunft

In den nächsten Jahren werden vermutlich einige Herausforderungen des Fachspitals mit einer neuen Überbauung an der Wenthalerstrasse gelöst sein. Die Sozialwerke Pfarrer Sieber bauen einen grossen Komplex, in dem das Fachspital in ein Netzwerk mit Übergangswohnungen und mehr eingeschlossen sein sollte.7

Laut Plan sollte das Glaubten-Areal im Jahr 2024 bezugsfähig sein. Hier finden Sie mehr Informationen.

Die Bedeutung der Lage

Näher am Platzspitz, dem damaligen Zentrum der Drogen-Misere, könnte das Fachspital an der Konradstrasse 62 fast nicht liegen. In den Anfängen des Sune-Egge war dies bestimmt von grosser Bedeutung, da das Spital für betroffene Menschen einfach und unkompliziert zu erreichen war. Sie mussten sich nicht in eine unbekannte Gegend begeben.
Das Haus, in dem der Sune-Egge sich eingenistet hat, ist aber ein ehemaliges Wohnhaus, also eher unpraktisch zur Beherbergung einer gesundheitlichen Institution. Zudem war das Fachspital in seinen Anfängen nicht sonderlich willkommen in der Nachbarschaft. Die bereits dort lebenden Menschen machten sich Sorgen, die Drogenszene, welche ja ohnehin schon genug nahe war, könne sich in ihren Strassen ausbreiten.8

Ein Fernseh-Auftritt des Pfarrers selbst sollte die Sorgen aber beschwichtigen. Hier finden Sie den SRF-Beitrag vom 26.3.1989.

Der aktuelle Bau des Glaubten-Areals zeigt, dass aktuell die Nähe zum Platzspitz und der offenen Drogenszene nicht mehr eine erstgradige Rolle spielt. Vielmehr ist wichtig, die einzelnen Bestandteile der Institution möglichst nahe beisammen zu haben. Und natürlich: mehr Platz.6

Ein paar fotographische Einblicke aus 2015 von der Fotografin Caroline Micaela Hauger

Bildquellen

Abb. 1: https://swissphotocollection.ch/project/gottes-knecht-eine-reise-mit-dem-zurcher-obdachlos/ (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)
Abb. 2: https://erf-medien.ch/wp-content/uploads/RADIO_Fachspital_Sune-Egge_Aussenansicht_c_Sozialwerk_Pfarrer_Sieber_RKONTEXT_B.jpg (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)
Abb. 3: gemacht von Meret Felder am 14.3.23
Abb. 4-7: https://swissphotocollection.ch/project/gottes-knecht-eine-reise-mit-dem-zurcher-obdachlos/ (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

Literatur

1https://www.swsieber.ch/was-wir-tun/betreuen/fachspital/ (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

2https://www.kath.ch/wp-content/uploads/sites/2/2018/05/Lebenswerk.pdf (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

3https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/stadtarchiv/bilder_u_texte/geschichte-vor-ort/Offene-Drogenszene.html (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

4Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber: Jahresbericht 1991. Sune-Egge, Zürich 1991

5https://issuu.com/sozialwerke-pfarrer-sieber/docs/jahresbericht_sws_2008 (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

6Munz, Walter: Wir gehören zueinander. Begegnung mit Suchtkranken und Aidspatienten, Frauenfeld, 2003, 1. Auflage

7https://www.glaubten-areal.ch/projekt (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)

8https://www.srf.ch/play/tv/das-sonntagsinterview/video/pfarrer-ernst-sieber?urn=urn:srf:video:4f55c954-0f32-4cfd-b258-eb4ba2846dbc (zuletzt abgerufen am 1.5.23, 16:50)