Wächter der Limmat und Zeuge der Hexenjagden
Mitten in der Limmat, Höhe Schiffländeplatz.
von Sarina Trabold
Der Wellenberg-Turm, einst ein mächtiger Wachturm, wurde zum düsteren Schauplatz der Zürcher Hexenverfolgungen. Zwischen Gitterzellen und grausamen Verhören offenbart sich eine dunkle Seite der Stadtgeschichte, die bis heute in Erinnerung bleibt.
Wo heute zwischen der Quaibrücke und der Münsterbrücke auf Höhe des Schiffländeplatzes nur schimmerndes Wasser zu sehen ist, wurde im 13. Jahrhundert der Wellenberg-Turm errichtet. Ursprünglich diente der Turm vermutlich der Sicherung des oberen Limmatraums, was auch seine Lage erklärt, doch seine Geschichte ist noch viel düsterer. Nämlich diente der Turm früher als Gefängnis und spielte eine grosse Rolle in der Hexenverfolgung, die in Zürich zwischen 1487 und 1701 stattfand.
Errichtung des Turms
Abb 1: Der Wellenberg-Turm in der Limmat um ca. 1834
Errichtet wurde der Turm mit ursprünglich drei Stockwerken, nach zwei grossen Bränden wurde er dann im Jahr 1803 um ein Stockwerk erweitert. Viele Stadttürme wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts ausgebaut, der Wellenberg-Turm hingegen wurde lediglich saniert. Sehr bekannt war ja seine Funktion als Gefängnis, dementsprechend gab es insgesamt neun solcher Zellen. Seine Lage im Wasser war natürlich ideal, um Flucht zu verhindern und die Geschehnisse von der allgemeinen Bevölkerung abzuschirmen. 1837 wurde der Turm dann jedoch abgerissen, da die Strafanstalt Oetenbach erweitert wurde und es keinen Bedarf mehr für den Turm gab. Da er auch mitten in der Limmat stand, kann man sich gut vorstellen, dass er zusätzlich ein Hindernis für den Flussverkehr darstellte.
Abb 2: Blick auf die Münsterbrücke, Quaibrücke und Limmat heute
Hexenverfolgung in Zürich
1701 – der letzte Hexenprozess in Zürich; sieben Frauen und ein Mann wurden zum Tode verurteilt. Zuvor wurden sie grausam im Wellenberg Turm gefoltert. Solch Grausamkeiten waren zu dieser Zeit nicht unüblich. Der Nachbar konnte plötzlich nicht mehr laufen, Kühe auf der Weide starben, die Bäckerin wurde krank, eine Frau habe Kontrolle über das Wetter oder kannte sich ungewöhnlich gut mit der Heilkunst aus. Aus reinem Neid, Angst, Wut oder um ein Problem loszuwerden – wie zum Beispiel die neue Witwe, die Schulden einforderte – wurden früher besonders Frauen der Hexerei beschuldigt. Verdächtigte wurden in den Wellenberg Turm geschleppt, eingesperrt und gefoltert, bis sie gestanden, sich mit dem Teufel eingelassen zu haben – eine Tat, die mit dem Tod bestraft wurde.
Früher gab es den sogenannten Kleinen Rat in Zürich, der aus 48 Mitgliedern bestand. Sie übernahmen die Funktion als Regierung, Parlament sowie Gerichtshof. Jeweils zwei Ratsherren führten unter Begleitung eines Foltermeisters die Befragungen der angeblichen Hexen durch. Besonders beliebt war früher die Streckfolter, bei der der Verdächtigte auf einer Bank an Armen und Beinen auseinandergezogen wurden, bis die Gelenke nachgaben. Irgendwann gestanden die Verurteilten die Straftat, obwohl sie in Wahrheit unschuldig waren.
Abb 3: Streckfolter
Die Hexen wurden dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder in der Limmat ertränkt. Etwas später begann man den Hexen zuerst den Kopf abgeschlagen, bevor man sie verbrannte, als Akt der «Gnade».
Die meisten Opfer der Hexenverbrennung waren Leute aus Landgemeinden. Man vermutet, dass das daran lag, dass niemand mit Hexerei in Verbindung gebracht werden wollte. So wurden bei Hinrichtungen auch nie die Namen der Hexen verkündet. Agatha Studer hingegen war als einzige Stadtzüricherin eine Ausnahme. Bereits dreimal verheiratet und mehrfach der Hexerei beschuldigt, konnte sie sich immer eine Ausrede einfallen lassen dank ihren guten Beziehungen und ihrem Reichtum. Doch irgendwann häuften die «Beweise» sich an; wie zum Beispiel ihr Ehemann, den sie gelähmt haben soll. Schliesslich wurde sie zum Tode verurteilt, weil sie ein gottloses Leben führte und zu viele Laster mit sich trug.
So wurden währen dieser düsteren Zeit 110’000 Hexenprozesse in ganz Europa durchgeführt, 10’00 davon in der Schweiz und rund zwei Drittel wurden auch zum Tod verurteilt. Die Mehrheit waren Frauen.
Wie wurden Hexen erkannt?
Es gab noch andere beliebte Methoden, um zu testen, ob es sich bei einer Person um eine Hexe handelte. Besonders bekannt ist die Wasserprobe, bei der eine Frau gefesselt in einen See oder Fluss geworfen wurde. Konnte sie sich befreien, war sie zweifellos eine Hexe und wurde verbrannt. Starb sie, so war sie wohl unschuldig, jedoch half ihr das leider auch nicht mehr. In England zum Beispiel war auch der Glaube verbreitet, dass Hexen schwimmen konnten, weil das Wasser sie abwies; wenn also eine Frau schwimmen konnte, reichte das bereits, um sie der Hexerei zu beschuldigen.
Bei der Nadelprobe wurde in ein Muttermal gestochen, die früher als Male des Teufels galten. Floss kein Blut, musste es eine Hexe sein. Oder sie wurden auf einer Wage gewogen, um zu testen, ob sie leicht genug waren, durch die Luft zu fliegen. Weinten die Frauen währen der Folter nicht, war dies ebenfalls ein Zeichen für ein Pakt mit dem Teufel. Dies sind nur ein paar Beispiele für Methoden der «Entlarvung», die in Europa verwendet wurden.
Abb 4: Hexenbad
Literatur
Kieser, Barbara: Hexenverfolgung auf Zürcher Hoheitsgebiet. Stadt Zürich, Präsidialdepartement, https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/stadtarchiv/bilder_u_texte/geschichte-vor-ort/Hexenverfolgung.html#:~:text=Zwischen%201487%20und%201701%20wurden,stammten%20alle%20Opfer%20aus%20Landgemeinden., Stand: 26.10.2024
Wellenbergturm. Stadtmodell Zürich. https://www.stadtmodell-zuerich.ch/de/detail/1786/wellenbergturm, Stand 26.10.2024
Doku Terra X: Wie erkennt man Hexen?. 2DF. https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/hexentests-106.html#skiplinks, Stand 26.10.2024
Bildquellen
Abb 1: Der Wellenberg Turm in der Limmat um ca. 1834, William Henry Bartlett, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zurich_Bartlett.jpg
Abb 2: Blick auf die Münsterbrücke, Quaibrücke und Limmat heute, Fotograph unbekannt, https://www.gpsmycity.com/img/gd_cover/3498.jpg
Abb 3: Streckfolter, Alamy Stock Fotos, Fotograph unbekannt, https://www.geo.de/wissen/weltgeschichte/foltermethoden-im-mittelalter–wahrheit—mythos-34318332.html
Abb 4: Hexenbad, Hermann Neuwalt, https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserprobe_%28Recht%29