Der Hörsaal am Kinderspital Zürich

Hofstrasse 47, 8032 Zürich (Karte)

von Annina Kaiser

Vom Lehrraum zum Hörsaal: Die weitreichende Entwicklung des heutigen Amphitheaters für Kinderheilkunde

Abb.1: Vorlesung von Prof. Emil Feer, 1924
Die frühen Anfänge

Die Geschichte der Lehre am Kinderspital hat seine Anfänge schon bevor der eigentliche Hörsaal errichtet wurde. Nachdem kurz nach der Gründung der Universität Zürich bereits Vorlesungen über Erkrankungen bei Kindern gehalten wurden, konnte man praktische Erfahrungen nur in bestehenden Kinderspitälern in anderen Städten im In- und Ausland sammeln. Es folgte ein Wunsch nach einem eigenen Kinderspital in Zürich und so wurde das «Kispi» am 12.1.1874 mit 30 Betten eröffnet. Dazu kam die Schaffung eines Lehrstuhls für Kinderheilkunde und das Kispi wurde zur Universitätsklinik.

Schnell forderten die Studierenden einen entsprechenden Hörsaal, in dem vor allem die präsenten Themen wie die Kindersterblichkeit und Infektionskrankheiten behandelt wurden. Daraufhin wurde Anfang des 20. Jahrhunderts ein Hörsaal als Anbau an die Poliklinik errichtet. Gebaut wurde mit Rampen, um einen besseren Blick auf die vorgeführten Patienten und die Untersuchungshandgriffe des Professors zu haben. Da jegliche Erweiterungen und Anbauten ein grosses finanzielles Problem darstellten, war das Kispi auf private Spenden und Unterstützung von der Stadt angewiesen.

Abb. 2: Heutiger Eingang am oberen Teil des Hörsaal

  • 1917

Nach der Schaffung eines Lehrstuhls für Pädiatrie um 1910 und einer engeren Verknüpfung des Kinderspitals mit der medizinischen Fakultät der Universität Zürich wurde die Pädiatrie zu einem selbständigen Prüfungsfach. Durch die Aufwertung der Kinderheilkunde stieg der Andrang im Hörsaal, was nicht nur ein Platzproblem, sondern auch ein gesundheitliches Risiko darstellte:

Die Überfüllung des Raumes hat eine derartige Verschlechterung der Luft während der klinischen Demonstrationen und eine solche Erhöhung der Temperatur zu Folge, dass die Studierenden sich genötigt sehen, im Laufe der Stunde die Fenster zu öffnen; dadurch werden aber kranke Säuglinge, die zur Vorstellung entblösst werden müssen, ernstlich gefährdet.

Matthias Wiesmann, 150 Jahre Kispi, Das Universitätskinderspital Zürich im Wandel der Zeit, S.68; Weisungen des Regierungsrates

Um diese Probleme zu lösen wurde der Hörsaal am Kinderspital 1917 auf 90 Plätze erweitert und mit grösseren Fenstern zur besseren Ausleuchtung ausgestattet. Zudem führte man Glasboxen ein, um das Lehren an infektiösen Kindern möglich zu machen. Diese befanden sich unten beim Professor, während die Studierenden relativ weit entfernt in ihren Reihen aufmerksam zuhörten. Die Ausstattung mit einem modernen Projektionsapparat ermöglichte ausserdem, erste Bilder für alle gut sichtbar zu machen und so die Qualität der Vorlesungen zu verbessern.

  • 1920 bis 1940

Durch die schlechte finanzielle Lage des Kinderspitals nach dem Ersten Weltkrieg entschied man sich für eine engere Verbindung zum Kanton, jedoch blieb der private Charakter (Eleonorenstiftung) grösstenteils bestehen. Dies führte zur Entspannung der zuvor herrschenden, ständigen finanziellen Notlagen.

In den 20er Jahren begann die biochemische Laboratoriumsphase, wobei die Förderung der Forschung und der Einbau von Laboren zentrale Themen im Kispi darstellten und der Lehre am Kispi zur Modernisierung verhalfen. Bezüglich des Hörsaals durfte Emil Feer als Professor und andere Ober- und Assistenzärzte Hörergebühren einziehen, was heute einer Art Studiengebühren entsprechen könnte.

Dieser Zeitabschnitt stellt zudem eine Phase von ständigen Renovierungsarbeiten und vielen Neubauten dar, welche im Bauhausstil errichtet wurden. Es zeichnete sich ein enormes Wachstum ab und das Kispi umfasste nun über 300 Betten.

  • Um 1940

Um 1940 geschahen zahlreiche Renovierungen und Erneuerung am Hörsaal, welcher zu diesem Zeitpunkt nun ein Fassungsvermögen von 200 Zuhörern, davon 160 Sitzplätze aufwies. Der Hörerraum hatte und hat bis heute die Form eines Amphitheaters, um eine optimale Sicht auf Demonstrationen zu gewährleisten. Der Hörsaal wurde ausgestattet mit einem Epidiaskop, einem Auflicht- und Durchlichtprojektor, welches die Verwendung von jeglichen Röntgenbildern, mikroskopischen Bildern, Farbfotos und Tabellen möglich machte. Am oberen Ende des Hörsaals, hinter den Zuschauerrängen, waren fünf Eingänge zu finden, im vorderen Teil eine Leinwand, ein Stehpult für den Dozenten, 3 Wandtafeln und Glasboxen, welche durch untere, spezielle Eingänge reingeschoben werden konnten zur Demonstration infektiöser Patienten. Die Zu- und Wegführung dieser Patienten gestaltete sich über extra angefertigte Wege, die nur zu diesem Zweck genutzt wurden, um die Ansteckung zu minimieren.

  • 1981

1981 stellt das Jahr der letzten Erweiterung des Hörsaals am Kispi dar. Er wurde auf 232 Plätze aufgestockt und mit neuen Geräten bestückt. Dazu zählen eine Lautsprecheranlage, eine Fernseheinrichtung und die Möglichkeit von Doppelprojektionen von Filmen, Röntgenbildern und Anderem.

  • Heute und die Zukunft

Die Sichtbarkeit des Gebäudes zeigt sich bis heute, der Hörsaal steht an derselben Stelle, wo er einst erbaut wurde und ist weiter in Benutzung. Es werden Vorlesungen und Kurse für Studierende ab der Klinik, wie auch für Ärzte gehalten. Die oberen Eingänge blieben und die Form eines Amphitheaters besteht weiterhin.

Da das Kinderspital Zürich nun seine Grenzen erreicht hat, entsteht im Herbst 2024 das neue Kinderspital in der Lengg. Es besteht aus 2 Gebäuden, einem Akutspital und einem Gebäude für Forschung und Lehre und wird auch in diesem neuen Areal einen Hörsaal zur Verfügung stellen. Die Lehre wird nicht verändert, sondern an einen neuen Ort verlagert.

Bildquellen

Abb. 1: Archiv für Medizingeschichte, Universität Zürich: PN 11, Nachlass Willy Bircher.
Abb. 2: Private Aufnahme, 2022.

Quellenverzeichnis

Zitat: 150 Jahre Kispi, Das Universitätskinderspital Zürich im Wandel der Zeit, Matthias Wiesmann, S. 68

Sämtliche Informationen wurden dem Werk: 150 Jahre Kispi, Das Universitätskinderspital Zürich im Wandel der Zeit, Matthias Wiesmann, entnommen.