Das alte Pockenspital

Isolation am Rande der Stadt

Winterthurer Str. 204, 8057 Zürich (Karte)

von Karin Werner

Wo heute angehende Veterinärinnen und Veterinäre im Skills-Lab üben und die Fakultät verwaltet wird, lebten vor einhundert Jahren Pockenkranke ihrer Genesung entgegen.

Abb. 1: Das Pockenspital Zürich, Erweiterungsbau, Hinteransicht um 1934. Hier bereits als Erholungsstation «Notspital».

(…) welches knapp eine Stunde fernab den andern Spitalgebäuden liegt (…)

Eichhorst 1886
Abb. 2 Das gleiche Gebäude heute.
Die Geschichte des Gebäudes

Gebaut wurde das kantonale Pockenspital an der heutigen Winterthurer Str. 204 um 1875 auf dem Areal, das einst dem Predigerkloster gehört hatte und nach der Klosterenteignung an den Kanton fiel. Es wurde 1886 mit einem neoklassizistischen Bau auf 100 Betten Kapazität erweitert, der bis heute steht. Die Verpflegungstaxe war drei Franken pro Tag.1 Mit dem Rückgang ansteckender Krankheiten diente das Pockenspital zur Erholung und als Notspital bzw. Aussenstation des Kantonspitals.

1957 zog das Strassenverkehrsamt ein. Seit 1974 wird das Areal für die tierärztliche Ausbildung, seit 2003 für das veterinär-medizinische Dekanat und die Verwaltung des Tierspitals genutzt. Heute steht noch der Erweiterungsbau (rechts neben dem Eingang der Kleintierklinik) 2021/22 hielten Grossraumbüros und das Skill-Labs dort Einzug. UZH-Gebäudekürzel: TAS. Daneben steht noch ein Seitenflügel des alten Hauptgebäudes. Er dient heute als Tierstall. UZH-Gebäudekürzel: TQS.

Abb. 3: Blick auf Hintereingang und den westlichen Pavillon des Erweiterungsbaus des ehemaligen Pockenspitals Zürich im Jahr 2016 – vor der letzten Renovierung.
Was heute noch sichtbar ist

Der äussere Bau: Die gegen Südwesten gerichteten Sonnenterrassen verdeutlichen das Heilungsprinzip durch Licht, Luft und Sonne. Damit erhielt der Erweiterungsbau das Flair eines Sanatoriums, was auch der Lage im ländlichen Umfeld entsprach. 
Die Innengestaltung: Die Anordnung der Fenster im Seitenflügel verrät den ursprünglichen Zweck: Die serielle Unterbringung der Kranken in einzelnen Zimmern, die nur über einen Gang erreichbar sind.

Die Hoffnung auf Eindämmung der Krankheit

Das Zürcher Pockenspital entstand in einer Zeit, in der die hochinfektiöse Krankheit am Zurückgehen war. Die Schutzimpfung (Vakzination) hatte die Krankheit in den letzten 70 Jahren wesentlich langsamer als erhofft zurückgedrängt. 1871 hatte es eine neue Epidemie gegeben. Mit dem Spital damals weit ausserhalb der Zürcher Stadtgrenze, war die Hoffnung verbunden, die Ausbreitung der Krankheit zu begrenzen und die Erkrankten zu pflegen. Eine effiziente Therapie gab es nicht. Das Pockenvirus als Erreger wurde erst Jahrzehnte später entdeckt. In den 1920er Jahren trat eine letzte Pockenepidemie in Zürich auf. Aus diesem Grund wurde das Spital später für andere Zwecke genutzt.

Video 1: Der Erweiterungsbau mit den umgebauten ehemaligen Liegeterrassen im heutigen Zustand.
Video 2: Der ehemalige Erweiterungsbau ist heute Teil des Tierspitals bzw. der Vetsuisse Fakultät. Der Linksschwenk führt am immer noch stehenden Seitenflügel des ehemaligen Hauptbaus vorbei, der heute als Stall genutzt wird.
Weitere Bilder des Pockenspitals

(Zentralbiliothek)
https://doi.org/10.7891/e-manuscripta-47874
https://swisscollections.ch/Record/991145438329705501
https://www.e-pics.ethz.ch/index/ETHBIB.Bildarchiv/ETHBIB.Bildarchiv_11070.html (Luftaufnahme von 1962, während des Neubaus des Tierspitals)
https://www.oberstrassweg.ch/Posten?showid=42 (Luftaufnahme von 1939 mit Sicht auf die Gesamtanlage)

Bildquellen

Beitragsbild: wie Abb. 1 (Ausschnitt).
Abb. 1: Sammlung U. Kolar. Aus: Quartierverein Oberstrass: Pockenspital. Desgl in: Baugeschichtliches Archiv Zürich, Nr. BAZ_042161.
Abb. 2: Foto: Eberhard Wolff, 2022.
Abb. 3: Foto Iris Ritzmann, 2016.
Video 1: Eberhard Wolff, 2022.
Video 2: Eberhard Wolff, 2022.

Literatur

Eichhorst, Ulrich: III. Beobachtung über die Incubations-Dauer bei Pocken. In: Dtsch Med Wochenschr 1886; 12(3): 37–38.
Bandle, Raymond: Umzug vom Container ins ehemalige Pockenspital. Uni-Journal (2003) 5: 7.
Keller, Franz Beat; Kolar, Ulrich: Pockenspital. In: Oberstrassweg, 2008 (www.oberstrassweg.ch).

  1. Schweizerisches Gesundheitsamt. Statistik der Krankenanstalten der Schweiz auf 31. Dezember 1909, S. 293-318. Hier S. 294. []