Hilfe für Menschen in aussergewöhnlichen Lebenssituationen
Militärstrasse 8, 8004 Zürich (Karte)
von Anouk Weibel
Ein Angebot, das die Lücke zwischen der ambulanten Unterstützung durch Notfallpsychiater und einer stationären Aufnahme in der Psychiatrie schließt – das Kriseninterventionszentrum (KIZ); zum Zeitpunkt der Einführung eine in der Schweiz völlig neue Idee.
Die Idee
Das Kriseninterventionszentrum (KIZ) bietet Unterstützung für Menschen in besonderen Lebenslagen, ab dem Alter von 18 Jahren. Jeder stationäre Aufenthalt erfolgt freiwillig und kann bis zu maximal sieben Tage dauern. Die Gründe für einen Aufenthalt im KIZ können sehr vielfältig sein, doch oft können bereits wenige Tage zu einer spürbaren Entlastung führen. Die Krisenintervention erfolgt interdisziplinär und beinhaltet viele Gespräche, die zur Klärung von Fragestellungen und auch der Stabilisierung dienen. Die Räumlichkeiten sind bewusst offen gestaltet und sollen den Charakter einer grossen, familiären Wohnung vermitteln. Aufgrund der offenen Behandlungsart ist ein Aufenthalt für Patientinnen und Patienten mit Drogenabhängigkeit, Gewaltbereitschaft und starker Pflegebedürftigkeit weniger geeigneten. Eine Anmeldung erfolgt telefonisch und kann auch ohne ärztliche Überweisung erfolgen.
Die Vorgeschichte
Die Wurzeln des Kriseninterventionszentrums reichen bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück. Damals waren die Notfallärzte des Ärzteverbands nicht nur mit medizinischen Notfällen konfrontiert, sondern wurden auch mit dem psychiatrischen Notfalldienst beauftragt, der als „Internierungsdienst für Geisteskranke“ bekannt war. Ihre Aufgabe bestand darin sicherzustellen, dass psychisch kranke oder auffällige Personen, die von der Polizei aufgegriffen wurden, in Kliniken einzuweisen.
Mit dem Fortschreiten des 20. Jahrhunderts begann sich das Verständnis von psychiatrischen Krankheitsbildern zu wandeln. Die Trennlinie zwischen mentaler Gesundheit und Krankheit verwischte zunehmend. Diese sozialpsychiatrische Bewegung rückte auch die Rolle der geschlossenen Kliniken in den Fokus. Einige betrachteten sie als übertrieben und ungerechtfertigt. Es formierte sich die Forderung nach ambulanten Auffangstationen, da sich zeigte, dass ambulante Behandlungsansätze in kritischen Situationen häufig nicht ausreichend waren und geschlossene Kliniken mit ihren Methoden als zu drastisch empfunden wurden.
Die Umsetzung
Erste inhaltliche und finanzielle Konzepte für ein Kriseninterventionszentrum wurden Ende der 1970er Jahren entwickelt, doch stiess das Vorhaben anfänglich auf Skepsis, vor allem seitens der Stadt und des Kantons. In der Schweiz war die Vorstellung von einem Zentrum mit einem nicht spitalähnlichen Charakter noch neu und wenig bekannt. Der Kanton zeigte sich zunächst auch nur bereit, das KIZ finanziell zu unterstützen, wenn es an ein Krankenhaus angegliedert würde. Für den Ärzteverband und die Zürcher Gesellschaft für Psychiatrie war jedoch schnell klar, dass das Kriseninterventionszentrum einen privaten Charakter haben sollte. Ein Teil der Finanzierung wurde darum schliesslich aus privaten Geldern, durch Sponsoren und Stiftungen aufgewendet. Der grösste Anteil an der Finanzierung wurde dann von der Stadt und dem Kanton Zürich übernommen. Es ist schade, dass die Umsetzung so lange auf sich hat warten lassen, obwohl Ideen und Konzepte schon früh vorhanden waren.
Im Jahr 1986 wurde das erste Kriseninterventionszentrum in Aussersihl eröffnet. Die Wahl des Gebäudes erfolgte vermutlich eher zufällig, jedoch mit der Absicht, eine Distanz zu bestehenden Krankenhäusern zu schaffen. Das Zentrum bot einen freiwilligen Aufenthalt und wurde in einer einladenden Atmosphäre gestaltet, die eher an eine Wohnung als an eine klinische Einrichtung erinnerte. Trotz seiner vielversprechenden Anfänge musste das Zentrum jedoch nach nur acht Jahren seinen Betrieb einstellen. Die öffentliche Subventionspolitik hatte sich geändert, und die Behörden waren nicht mehr bereit, die steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu tragen.
Im August 2000 erfolgte die Neueröffnung des Kriseninterventionszentrums an der Militärstrasse. Diesmal wurde das Zentrum an die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) angegliedert. Die steigende Nachfrage nach psychiatrischen Leistungen führte zu einer zunehmenden Auslastung der PUK. Um diesem Anstieg gerecht zu werden, wurden wieder vermehrt ambulante Einrichtungen, so wie das Kriseninterventionszentrum als Maßnahmen zur Entlastung eingerichtet. Dadurch konnten die Aufenthaltsdauern verkürzt werden, was die Kapazität des PUK erhöhte. Die finanzielle Situation des Kriseninterventionszentrum verbesserte sich, da das PUK die Kosten für das KIZ vollends übernahm. Dies vereinfachte die finanzielle Situation sehr.
Bildquellen
Beitragsbild: wie Abb. 1 (Ausschnitt).
Abb. 1: Foto: Anouk Weibel, April 2024
Abb. 2: unbekannt: COOP/LVZ-Filiale, Militärstrasse 8, Zürich; Aussenansicht, Fotografie, Schweizerisches Sozialarchiv, Signatur: Sozarch_F_5033-Gb-120
Literatur
Lengwiler, Martin; Rothenbühler, Verena: Macht und Ohnmacht der Ärzteschaft. Geschichte des Zürcher Ärzteverband im 20. Jahrhundert, Zürich 2004.
Kistler, Chr. W.: Das Kriseninterventionszentrum KIZ in Zürich, in: Intercura 40, Winter 1992 – 1993, S. 47-49. Online: <https://doi.org/10.5169/seals-790421>, Stand: 11.3.2024.
AutorIn unbekannt: Immer mehr Patienten im Burghölzli. Überbelegte Akutstationen – sinkende Aufenthaltsdauer, in: NZZ, 27.04.2001, S. 49
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich: Krisenintervention. <https://www.pukzh.ch/unsere-angebote/erwachsenenpsychiatrie/angebote/stationaere-angebote/krisenintervention/>, Stand: 29.4.2024