Geschichtserzählungen auf Instagram – Eine Analyse des Instagram-Accounts @ichbinsophiescholl

Julia Merz

Abb. 1

Der Account @ichbinsophiescholl, der vom SWR (Südwestrundfunk) und BR (Bayrischer Rundfunkt) ins Leben gerufen wurde, erzählt im sozialen Medium Instagram die Geschichte von Sophie Scholl, einer Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus und Mitwirkende in der Studentenauflehnung Weisse Rose. Diese Art der kontinuierlichen und chronologischen Geschichtserzählung bildet ein neueres Phänomen, über das es kaum Forschung gibt. Sophie Scholls Geschichte wurde über zehn Monate beinahe täglich über den Account geteilt. Dabei vermischen sich hauptsächlich durch Schauspieler*innen nachgespielten Szenen, sogenannte Reenactments, und scheinbar originale Fotografien, Videos und Zeitungsausschnitte aus den 1940er Jahren. Die hier vorgestellte Bachelorarbeit behandelte nun die Frage, wie diese Geschichtserzählung von Sophie Scholl über den Instagram-Account @ichbinsophiescholl vermittelt wird.

Die sozialen Medien werden zu Trägern von historischen Inhalten und Erinnerungskulturen durch die Darstellung von historischen Persönlichkeiten und deren Geschichtserzählungen. Als Grundlage der Arbeit wurde Instagram als Erinnerungsmedium und Vermittler von Geschichtserzählungen vorgestellt. Die Analyse des Instagram-Accounts wurde danach in vier Schritte unterteilt, wobei eine erzähltheoretische Analyse den ersten Schritt bildete. Weiter wurden drei medienspezifische Aspekte betrachtet, welche die Gestaltung der Geschichtsnarration beeinflussen: Die Medialität und Modalität von Instagram, die Relation von Realität und Fiktion in der Erzählung sowie der zeitliche Aspekt der Rezeption, welche stark mit den parasozialen Beziehungen zusammenhängt. Um die Vermittlung der Geschichtserzählung von Sophie Scholl über Instagram zu untersuchen, wurden in der Bachelorarbeit die genannten Phänomene exemplarisch an einzelnen Posts, Reels und Stories der Geschichte beschrieben. Hier folgt nun eine kurze Rekapitulation der Ergebnisse:

1. Die erzähltheoretische Analyse

Die Geschichte wird durch eine homodiegetische und intradiegetische Erzählperspektive geschildert und intern fokalisiert präsentiert. Sophie als Figur der Geschichte bietet den Zuschauer*innen ihren Blick auf die Welt an. Filmwissenschaftlich wird bei einer solchen Inszenierung von einem physischen Point of View gesprochen. Das gleichzeitige Erzählen ist durch die beinahe täglichen Uploads zu erkennen. Die Geschichtserzählung von Sophie wird in einem dramatischen Modus, beinahe in einem Bewusstseinsstrom geschildert, der eine unmittelbare Distanz darstellt. Sophie spricht zumeist direkt in die Kamera und zu den Zuschauer*innen. Die Alltäglichkeit des Erzählten sowie die Ich-Perspektive suggerieren eine Authentizität und Aktualität der Geschichte.

Abb. 2

2. Die spezifische Medialität und Modalität von Instagram

Die Multimedialität zeigt sich durchgehend durch die Verbindung von Ton, Bild, Video und Schrift. Beschriftungen kontextualisieren ständig Bilder, Videos, Inszenierungen, Fotos und Zeitschriftenausschnitte. Durch die Multimodalität des Erinnerungsträgers Instagram werden mehrere Formen des Erzählens ermöglicht, wobei die Gefahr der Repetition entsteht. Diese Repetitionen werden jedoch nicht als unangenehm empfunden, da sie häufig mit einem Zeitabstand gepostet werden.

3. Die Relation von Realität und Fiktion

Durch eine Verbindung von Realität und Fiktion wird den nachinszenierten Szenen einen authentischen Charakter zugestanden. Das Archivmaterial, das häufig benutzt wird, erweitert den Erzählraum, sodass ohne grösseren Aufwand auch Städte im Jahr 1942 porträtiert werden können.  Weiter werden auf diese Weise die Ausmasse des Krieges gezeigt. Die Geschichtserzählung ist hier szenisch und dialogisch inszeniert, wobei die Illusion des Authentischen und eine emotionale Bindung von Rezipient*innen zu Charakteren im Vordergrund steht. Das Projekt zeichnet sich ebenfalls durch seine Aktualität und die Inszenierung als aktuelles Geschehen aus.

Abb. 3

4. Der zeitliche Aspekt der Rezeption

Der zeitliche Aspekt der Rezeption hat einen grossen Einfluss auf die narrative Auslegung der Erzählung. Eine aktuelle Rezeption sowie der serielle Aufbau des Projektes sind nötig, damit eine parasoziale Beziehung, also eine emotionale Bindung zu den Charakteren hergestellt werden kann. Bei einer nicht aktuellen Verfolgung des Kanals kann vermutlich keine solche Verbindung zu Sophie und ihren Freund*innen hergestellt werden, was die Rezeption erheblich beeinflusst.

Quellenverzeichnis

Abb. 1: Die ersten zwei Posts des Instagram-Accounts @ichbinsophiescholl. In: Sophie Scholl: @ichbinsophiescholl. In: Instagram, https://www.instagram.con/ichbinsophiescholl/?hl=de (Abgerufen: 23.08.2022).

Abb. 2: Sophie im Bett. In: Sophie Scholl (16.05.2021): Woche 02, In: https://www.instagram.com/p/CO8Ckg0qi-N/?hl=de (Abgerufen: 22.11.2022).

Abb. 3: Der Weg zum Atelier, dargestellt durch Originalvideos. In: Sophie Scholl (21.11.2021): Woche 29, In: https://www.instagram.com/p/CWjBOs5ldzy/?hl=de (Abgerufen: 22.11.2022).

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