„Give it up for the ladiesssss!“. Frauen* in der Deutschschweizer HipHop-Tanzszene

Alessandra Hitz

„I break into a lyrical freestyle

Grab the mic, look into the crowd and see smiles

Cause they see a woman standing up on her own two

Sloppy slouching is something I won’t do

Some think that we can’t flow (can’t flow)

Stereotypes, they got to go (got to go)”1

Mit ihrer Hit-Single „Ladies First“ hebt Queen Latifah, eine der einflussreichsten Rapperinnen der 1980er und 90er, Geschlechterstereotypen hervor, gegen die sie als Rapperin in der HipHop-Kultur ankämpfen musste. So beschreibt sie, dass manche Menschen Frauen* belächeln, wenn sie das Mikrofon ergreifen, da sie glauben, dass diese nicht „flowen“ können. Mit dem programmatischen Song „Ladies First“ versucht sie sodann das Stereotyp, dass Frauen* unfähig sind, hochwertige HipHop-Musik zu produzieren, zu durchbrechen. Sie nutzt das Lied, um einen tieferen Einblick in die sexistische Geschichte des HipHops zu gewähren –und kreiert dabei eine Hymne für die Frauen* in der HipHop-Szene. Weibliche* Personen waren immer an der HipHop-Kultur beteiligt, doch ihnen war lange eine passive Rolle als Zuschauerinnen und Konsumentinnen zugedacht. Es sind männliche* Personen, die aktiv performen und die vier Elemente des HipHops – das Emceeing (Rap), Graffiti, Deejaying und den Tanz – prägen. Kulturwissenschaftlerin Rachael Gunn schreibt im Artikel „Dancing Away Distinction“ jedoch auch, dass der Zugang zum Mikrofon, zur Wand, zur Bühne und zur Tanzfläche durch eine Vielzahl von Diskursen, Repräsentationen und Strukturen kontrolliert werde. Doch die Präsenz von Frauen* in der HipHop-Kultur wird immer sichtbarer. So auch in der HipHop-Tanzszene.

Ich tanze selbst seit bald zehn Jahren und bewege mich seit fünf Jahren in der HipHop-Tanzszene. Bewegt man sich in dieser Szene, so ist unverkennbar, dass männliche* Personen an Trainingssessions und Tanzbattles in der Überzahl sind und insbesondere die Tanzfläche dominieren. Oft wurde diese Dominanz unter den anwesenden Frauen* auch zum rege diskutierten Thema. Dabei fielen immer wieder auch Bemerkungen über Erfahrungen, die durch diese männliche* Dominanz geprägt waren. Obschon die Partizipation von HipHop-Tänzerinnen* in den letzten Jahren zugenommen hat, scheint sie nach wie vor weniger sichtbar zu sein, was sich auch in den wissenschaftlichen Arbeiten zum HipHop-Tanz spiegelt. Nur ein Bruchteil dieser Arbeiten setzen sich intensiv mit den Erfahrungen von weiblichen* Personen in der HipHop-Tanzszene auseinander. Angesichts dessen soll in dieser Untersuchung ermittelt werden, wie weibliche* Personen ihre Position und Teilhabe in dieser von männlichen* Personen dominierten Szene erleben und verhandeln. Wird davon ausgegangen, dass die Aneignung der globalen HipHop-Kultur zur Bildung neuer lokaler Formen der kulturellen Praxis führt, bietet diese Untersuchung einen Einblick in die lokalen Zustände, mit denen Frauen* in der HipHop-Tanzszene konfrontiert sind.

Dance Battle Summer Dance Forever

In dieser Untersuchung wird der Frage nachgegangen, wie die kulturelle Vormachtstellung männlicher* Personen die Erfahrungen weiblicher* Personen in der Deutschschweizer HipHop-Tanzszene beeinflusst. Zudem wird danach gefragt, welche Strategien weibliche* Tänzerinnen haben, um damit umzugehen und sich zugehörig zu fühlen. Diese Fragen werden anhand von drei offenen Leitfadeninterviews, teilnehmenden Beobachtungen und autoethnografischer Erfahrungen beantwortet. Ersichtlich wird, dass der HipHop-Habitus an einen männlichen* Körper gebunden wird, was dazu führt, dass die HipHop-Tanzstile als «männlich*» gelesen werden. So stehen weibliche* Körper und der von ihnen erwartete Geschlechtsausdruck stets in Differenz zu diesem Habitus. Um der Szene zugehörig zu sein, muss die Performanz des HipHop-Habitus als gelungen gelten, wodurch man dann als «real» gilt. In der Untersuchung werden verschiedene Auslegungen von «realness» formuliert, die entweder zum Einschluss oder Ausschluss weiblicher* Personen führen. Zudem wird ersichtlich, wie diese Einschluss-und Ausschlussmechanismen an Cyphers und Battles erscheinen, wodurch heteropatriarchale Machtverhältnisse aufrechterhalten werden. Gezeigt wird, mit welchen Strategien Frauen* sich Diesen widersetzen. Abschliessend geht es um verschiedene Strategien des Wandels und der Zugehörigkeit, die weibliche* Tänzerinnen im Bezug zur HipHop-Tanzszene anwenden oder als zukunftsweisend sehen.

Keywords: HipHop, Feminismus, Tanz, realness, Performativität, Habitus, Geschlecht

Bildquelle:

Summer Dance Forever. House Dance Forever Winners alesya Dobysh and Marie Kaae will both callenge you. 8.5.2018. https://mk-mk.facebook.com/summerdanceforever/posts/house-dance-forever-winners-alesya-dobysh-and-marie-kaae-will-both-challenge-you/1749586661754304/ (Abgerufen am 21.12.2022)

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