In diesen Tagen endet der erste Massive Open Online Course (MOOC) der Philosophischen Fakultät – „Sagas and Space – Thinking Space in Viking Age and Medieval Scandinavia“ (durchgeführt von Prof. Jürg Glauser und Sandra Schneeberger mit Unterstützung von internationalen Experten) auf der MOOC-Plattform Coursera. Mehr als 10’000 eingeschriebene Teilnehmer/-innen haben den sehr diskursiv angelegten und auf die Vermittlung von Grundlagenwissen ausgelegten Kurs zusammen mit dem grossen Engagement und der Professionalität der teilnehmenden Dozierenden zu einem klaren Erfolg werden lassen.
Schlussendlich haben 466 Lernende aus aller Welt das Kurs-Zertifikat erhalten – was für ein kleines Fach wie die Nordistik/Skandinavistik nur schon quantitativ gesehen bedeutsame Zahlen sind. Die Auswertung der MOOC-Teilnehmerstruktur ergibt zudem interessante Hinweise darauf, wie wertvoll MOOCs für die Universität Zürich insgesamt sein könnten – gerade für kleine Fächer, gerade für Veranstaltungen, die auf die Vermittlung von Grundlagenwissen ausgerichtet sind. So wie der „Sagas and Space“-Kurs: Er ist gleichzeitig ein MOOC für Interessierte aus aller Welt und eine Vorbereitung zur im August 2015 in Zürich stattfindenden 16. Saga Conference der Nordisten, also explizit für eine akademische Community konzipiert. Im Kurs wurden mit Hilfe internationaler Experten Theorien des Raums erörtert und konkrete Orte und Räume aus der Geschichte der nordischen Länder anhand von verschiedensten Quellen (grösstenteils nordische Sagen-Literatur) analysiert.
Vor dem Hintergrund, dass viele Fächer an der UZH über zu wenig Master-Studierende klagen, sind die Zahlen des Sagas and Space-MOOCs bemerkenswert: Mehr als ein Drittel der aktiven Teilnehmer (2805) hatte vor dem MOOC noch nichts von der Universität Zürich gehört; von den aktiven Teilnehmern hatten jeweils ein Drittel einen Bachelor- respektive einen Master-Abschluss. Kombiniert man diese Zahlen mit Ergebnissen einer abschliessenden Umfrage von Coursera unter den 466 zertifizierten Teilnehmern, die ergibt, dass mehr als die Hälfte an weiteren Kursen der Nordistik und an Kursen der Universität generell interessiert wären und dass der Kurs ihre Wahrnehmung der Universität stark positiv beeinflusst habe, so zeigt sich hier ein Potential an zukünftigen Studierenden und Doktorierenden.
Nebst diesem Mehrwert gibt die Umfrage klare Hinweise darauf, dass entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil nicht nur direkt karrierefördernde MOOCs attraktiv sind, sondern auch allgemeinbildende MOOCs, die Grundlagen vermitteln. Die Hälfte der Umfrageteilnehmer beantworteten die Frage, ob der MOOC für sie karrierefördernd sei (z.B. „improving job performance, getting a promotion, finding a new job“) mit: „not at all helpful“. Und trotzdem haben diese ca. 250 Lerner das Kurszertifikat erwerben wollen. Gerade für die Anbieter von sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern an der Philosophischen Fakultät sind dies ermutigende Hinweise. Denn in diesen Disziplinen geht es nicht darum, eine Berufsausbildung anzubieten, sondern Grundlagenwissen zu vermitteln und Grundlagenforschung zu betreiben, deren gesellschaftlicher Nutzen sich nicht in direkten Transformation in ein höheres Gehalt oder einen besseren Job erschöpft, ja sogar explizit nicht darauf ausgerichtet ist. Um welche Qualifikationen und Kompetenzen es geht, formuliert Jürg Glauser beispielhaft in einem seiner wöchentlichen Mails an die Lerner-Community: „One student wrote: ‚I think this lecture has given me an ability to reconsider my world’ — what else can a teacher expect?“
Das Feedback der MOOC-Teilnehmer/-innen war insgesamt äusserst positiv. Gelobt wurden – nebst der breiten Vielfalt von Themen, Expertenmeinungen und der vertieften Einführung in die behandelten Texte – insbesondere die verschiedensten Perspektiven, die auf die behandelten Gegenstände geworfen wurden und so den Teilnehmenden neue Aspekte aufzeigen und neue Sichtweisen auf Sprache, Literatur, Raum, Geschichte und Kultur eröffnen konnten: „I feel as if a door has been opened, and hope I will be able to explore what lies on the other side, aided by the resources you shared with us, and guided by all that was presented in the course“ (R. A., Argentinien). „The course really helped me to deepen my understanding about culture, space and memory, and how they are related“ (E. G. E., Brasilien). Last but not least wurde die gute Mischung aus vertiefter, wissenschaftlicher Beschäftigung und bei gleichzeitiger guter Verständlichkeit für Nicht-Experten sehr geschätzt: „Those of us whose training is more focused in other areas can benefit enormously when offered material that broadens our own ranges of expertise, but that doesn’t assume that we’re already experts in a field.“ (C.U., USA)
Das sind spannende Nutzungszahlen, und die Kommentare der Teilnehmenden finde ich sehr aufschlussreich. Dieser Bericht lässt mich meine bislang eher kritische Einstellung gegenüber MOOCs überdenken und zu einer differenzierteren Haltung kommen.