Rämistrasse 69, 8001 Zürich (Karte)
von Marius Melissen
Das Gebäude an der Rämistrasse blickt auf eine über 140-jährige Geschichte zurück – und hatte dabei viele Gesichter im Dienst der Universität Zürich. Ob Nobelpreisträger, neugierige Museumsgäste oder Studierende auf der Suche nach einer ruhigen Mittagspause – sie alle haben dieses Haus auf ihre eigene Weise geprägt und mit Leben gefüllt.
Auf eine Person möchte ich in diesem Blogbeitrag besonders eingehen. Der Nobelpreisträger Walter Rudolf Hess hat zwischen 1912 und 1951 im 1. Stock der Rämistrasse 69 wichtige Erkenntnisse für die Medizin gewonnen.

Das Gebäude der Physiologie
Erbaut wurde das Haus 1885, um dem Physiologischen Institut gemeinsam mit dem Physik-Institut der Universität einen neuen, gemeinsamen Standort zu geben. Das Gebäude scheint, wenn man das Bild von ca. 1910 mit dem heutigen vergleicht, beinahe unverändert zu sein, obwohl sich in seinem Innern über die Zeit schon viel verändert hat. Doch der Schein trügt und wenn man genauer hinsieht, erkennt man unschwer, dass nicht nur der Mammutbaum rechts im Bild über die letzten 115 Jahre ordentlich in die Höhe geschossen ist, sondern auch das Gebäude heute einen Stock mehr umfasst als noch im frühen 20. Jahrhundert. Zu dieser Erweiterung des Gebäudes kam es 1923, als durch ein Unglück der Dachstock in Flammen aufging. Das physiologische Institut profitierte insofern, als dass es durch den Umbau mehr Platz in seinen Räumlichkeiten erhielt.
Nachdem 1983 das Physiologische Institut an den Campus Irchel umgezogen war, war bis 2013 das medizinhistorische Museum an der Rämistrasse zu finden, über dem grosszügig einladenden Eingang prangte in goldenen Lettern die Aufschrift „Museum“.
Heute beinhaltet das Gebäude die Büros und Seminarräume der sogenannten Digital Society Initiative (DSI) mitsamt deren Bibliothek, in welcher (Achtung Geheimtipp) Spielkonsolen zu finden sind, an welchen man sich in der Mittagspause im gemeinsamen Spiel mit Kommilliton:innen den Kopf spielerisch freimachen kann.

Zürichs Nobelpreisträger und ihre Katzen
Die UZH hat einige Nobelpreisträger vorzuweisen, von welchen unter anderem Wilhelm Röntgen, Walter Rudolf Hess und Rolf Zinkernagel bedeutende Beiträge zur Medizin geleistet haben. Bringt man das Thema „Katzen“ und ebendiese „Zürcher“ Nobelpreisträger zusammen, denken viele vermutlich zuerst an den Physiker Erwin Schrödinger und sein hypothetisches Gedankenexperiment mit der hypothetischen Katze in der Kiste. Doch bei Walter Rudolf Hess war das mit den Katzen ganz real – und ziemlich zentral. In seiner Zeit an der Rämistrasse 69 forschte er mit seinem Team mit lebendigen Katzen an der Funktion des Zwischenhirns.

Der Professor
Walter Rudolf Hess wurde 1881 im Thurgau geboren und kam für sein Medizinstudium nach Zürich, nach welchem er kurz in Rapperswil als Augenarzt tätig war. Diese Arbeit gefiel ihm aber nicht genügend, er war weitaus mehr an der Forschung interessiert und suchte eine Anstellung als Assistent am physiologischen Institut der UZH. Nach gerade einmal 5 Jahren wurde er schon zum Professor ernannt und fungierte ab 1917 sogar als Institutsleiter, einen Posten, den er bis zu seiner Emeritierung in 1951 innehatte. Sein Forschungsschwerpunkt war die Kreislaufregulation durch das vegetative Nervensystem, auf der Suche nach der Regulation von vegetativen Reaktionen begann seine Forschung an den Katzen. Durch kleinste Elektroden wurden im Hirnstamm seiner Versuchstiere Reize gesetzt, die physiologische Reaktion der Katzen analysiert und später im Hirnschnitt geschaut, wo genau dieser Reiz im Hirn angesetzt worden war. Durch diese Versuche wurde das Zwischenhirn der Katzen kartografiert und man konnte die Reaktionen mit den Arealen im Hirn verknüpfen.
Wo heute der Film als Medium in der Lehre fest verankert ist, war das zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht der Fall. W.R. Hess war bekannt dafür, dass er als einer der ersten Professoren der UZH in seinen Vorlesungen Filme zeigte, um physiologische Phänomene zu veranschaulichen. Bis dahin geschah dies entweder mit live-Demonstrationen oder eigens für die Lehre angefertigten Abbildungen. Hess war also nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre ein bedeutender Professor für die Universität Zürich.
Die zeitliche Entwicklung | |
1885 | Einzug des Instituts der Physiologie an der neu erbauten Rämistrasse 69 |
1912 | W.R. Hess beginnt seine Arbeit als Assistent am Physiologischen Institut. |
1917 | Hess wird zum Professor ernannt und Institutsleiter der Physiologie. |
1949 | Hess erhält den Nobelpreis für Physiologie und Medizin, gemeinsam mit dem portugiesischen Neurologen Antonio Egas Moniz. |
1951 | Emeritierung des Institutsleiters Hess |
1983 | Umzug Physiologisches Institut an den Campus Irchel |
2013 | Ende des Medizinhistorischen Museums an der Rämistrasse 69 |
2022 | Die Digital Society Initiative (DSI) bezieht das umgebaute Gebäude. |
Bildquellen
Abb. 1: Baugeschichtliches Archiv Zürich, Fotograf: Ruef-Hirt Friedrich, https://baz.e-pics.ethz.ch/#detail-asset=7347da75-c277-4df8-b930-4af1ba6b9d00 aufgerufen am: 24.04.2025
Abb. 2: Fotograf: Roger Frei, https://openhouse-zuerich.org/orte/umbau-museum-zu-dsi-center-uzh/, aufgerufen am: 24.04.2025
Abb. 3: Bild: Privatarchiv Christian W. Hess, https://www.uzh.ch/dam/jcr:00000000-7705-3087-ffff-ffffdcf813a1/hess.pdf, aufgerufen am: 26.04.2025
Literatur
- Wyder Margrit, Einstein und Co. – Nobelpreisträger in Zürich; Verlag NZZ Libro, Zürich 2015, https://www.uzh.ch/dam/jcr:00000000-7705-3087-ffff-ffffdcf813a1/hess.pdf Aufgerufen am: 24.04.2025
- Richard Altorfer, Nobelpreisträger der Physiologie oder Medizin: Walter Rudolf Hess (Schweiz), 08.03.2019, https://www.rosenfluh.ch/arsmedici-dossier-2019-02/nobelpreistraeger-der-physiologie-oder-medizin-walter-rudolf-hess-schweiz, aufgerufen am: 26.04.2025
- Huldrych M.F. Koelbing, Walter Rudolf Hess, Historisches Lexikon der Schweiz, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014404/2021-01-19/, Version vom 19.01.2021
- Leander Diener, Lehrstuhl für Medizingeschichte, https://www.ibme.uzh.ch/de/medizingeschichte/Archiv-für-Medizingeschichte/Virtuelle-Ausstellung/Film/Walter-Rudolf-Hess.html, aufgerufen am 26.04.2025