Universität Zürich – Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft ISEK

Autor: paulamahler

Ronja Eichler

Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem Thema Stadt und Raum auseinandergesetzt – genauer gesagt habe ich probiert, Stadt nicht aus einem architektonischen oder strukturellen Verständnis heraus zu denken, sondern davon auszugehen, dass Raum erst über die darin handelnden Menschen zum eigentlichen Raum gemacht wird. Verworfen wird also die Annahme, dass Raum in physischer Form bereits existiert und von den Menschen nur ‘benutzt’ wird – stattdessen wird von einer handlungsorientierten und relationalen menschlichen Praxis ausgegangen, die den Raum zu konstruieren vermag.

Es sind diese zweifelsfreien und vermeintlich unzugänglichen Phänomene, denen ich mich während den vergangenen Monaten ausführlich gewidmet habe. Durch leitfadengestützte Interviews mit vier jungen Menschen konnte ich stichprobenartig entnehmen, wie sie, subjektiv betrachtet, den Raum Letten in Zürich erfahren. In meiner Fallstudie ging es zentral darum zu untersuchen, wie die Befragten den Raum über ihre Wahrnehmung, das Verhalten und die diskursive Praxis, also das Sprechen, herstellen. Zu meinen Forschungsfragen gehörten unter anderem, welche ungeschriebenen Regeln und Ordnungen im Raum herrschen (und sich folglich auf das Verhalten der Individuen unbemerkt auswirken), wie Bedeutung und Sinn untereinander ausgehandelt wird und inwiefern der Raum auch eine identitätsstiftende Funktion annehmen kann, indem die Stadt auch als Bühne und Aneignungsraum fungiert.

In der Auswertung der Gespräche hat sich herausgestellt, dass das Verhalten und die individuelle Wahrnehmung am Letten oftmals an Ein- und Ausschlusslogiken gekoppelt sind.  Besonders in Bezug auf das Verhältnis zwischen Raumnutzenden und Polizei hat sich gezeigt, dass über symbolische Markierungen im Raum (wie Graffitimalerei) oder performativem Verhalten eine klare Differenzierung einstellt. Dagegen ist der Letten allerdings von einer höchst inklusiven und offenen Grundhaltung geprägt, was sich in der unkomplizierten und harmonischen Kontaktaufnahme zu Fremden zeigt und den Grund für die Beliebtheit des Ortes umso deutlicher werden lässt. Über routinierte Handlungen etablieren die Raumnutzenden Sicherheit und Vertrauen in ihr eigenes Handeln und können sich den Raum ferner aneignen. Letztlich hallen die vergangenen Ereignisse aus Zeiten der offenen Drogenszene Zürichs am Letten nach, was sich in einer noch vorhandenen freidenkerischen, annähernd rebellischen Mentalität offenbart.

Paula Mahler

In meiner Bachelorarbeit beschäftigte ich mich mit dem menschlichen Einfluss auf Softwareentwicklung am Fallbeispiel SwissCovid, der Schweizer Contact Tracing App. In Zeiten der COVID-19-Pandemie sind Technologien entstanden, die eine Kontaktnachverfolgung zwischen mehreren Menschen ermöglichen. Dass dabei sensible, personenbezogene Daten im Spiel sind, ist eine Grundvoraussetzung. Die Betrachtung von Privatsphäre und Datenschutz-Aspekten ist in einem solchen Zusammenhang massgebend. Dabei bin ich der Frage nachgegangen, welchen Einfluss solche gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte bei der Entwicklung der Software einnehmen. Da Software-Technologien von Menschen entwickelt werden, die meist einen sehr technischen Hintergrund haben, habe ich mir die Frage gestellt, wie bei ihnen Privatsphäre aufgefasst wird und wie Privatsphäre in der Technologie implementiert wird. Am Fallbeispiel von SwissCovid – der Schweizer App zur Kontaktnachverfolgung, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen – geht es in meiner Bachelorarbeit darum, die Entwicklung von Software kulturwissenschaftlich zu betrachten.

Anhand von Interviews mit Entwickler*innen der SwissCovid App wurde Forschungsmaterial gesammelt und mit Theorien im Bereich der Software und Technology Studies sowie medialen Kontroversen in Verbindung gebracht.

Dabei liessen sich u.a. folgende Schwerpunkte erkennen:

  • In der Technologie manifestiert sich eine gewisse Räumlichkeit. Bei der SwissCovid App war die COVID-19-Pandemie ausschlaggebend für deren Entwicklung und gab der Software somit eine räumliche und zeitliche Komponente. Die moralischen Wertvorstellungen der Entwickler*innen spielen in diese Räumlichkeit hinein, und prägen somit die Struktur der App.
  • Es spiegeln sich zwischenmenschliche und ethische Konflikte wie beispielsweise Uneinigkeiten über die Art der Datenspeicherung in der Struktur der Software wider. Der Gegenstand der Technologie und des Programmcodes gewinnt dadurch an Komplexität.
  • Ausserdem unterscheiden sich die Erfolgskriterien und die Problemdifferenzierung der Entwickler*innen der SwissCovid App: Will man ein datensicheres Produkt? Oder will man eine App, welche einen Beitrag zur Pandemieeindämmung leistet? Dieser Konflikt lässt sich kaum auflösen.

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