Super 8 – analogue nostalgia und die Verwendung von analogem Film im digitalen Zeitalter

„The grass was greener, the light was brighter
The taste was sweeter, the nights of wonder
with friends surrounded, the dawn mist glowing
the water flowing, the endless river“[1]

Mit diesem Songtext vermittelt die Musikgruppe Pink Floyd schon in den 1990er Jahren den nostalgischen Nachgeschmack der Erinnerung an die guten alten Zeiten. Das Gras war grüner, das Licht greller – die Erinnerungen an vergangene Zeiten sind wie in einem Traum stets positiv dargestellt. In den 1990er Jahren, als nicht nur eine Jahrtausendwende bevorsteht, sondern sich die Welt auch langsam von analog in Richtung digital zu entwickeln scheint, geschehen viele Veränderungen. Nicht nur Pink Floyd und viele andere Musiker*innen thematisieren mit dem Song die grosse Veränderung und die damit verbundene Nostalgie nach dem Vergangenen, es kommt auch zu vielen grossen medialen Veränderungen in der Populärkultur. Neue Musikgenres und neue Subkulturen entstehen, der Personal Computer wird zum alltäglichen Haushaltsgerät und eine weitere wichtige Veränderung geschieht, als analoge Fotoapparate sowie Filmkameras von (halb-)digitalen Äquivalenten ersetzt werden. Doch mit Veränderungen kommt meist ein bitterer, nostalgischer Nachgeschmack – das Festhalten an der Vergangenheit – hinzu.

Dieses nostalgische Verlangen nach dem Vergangenen, das sich in Form von verschiedenen medialen Praktiken und Produkten sowie Retrotrends äussert, wurde in meiner Bachelorarbeit erforscht.

Spezifisch setzte ich mich mit dem in den 1960er bis 1980er Jahren stark verbreiteten Super-8-Filmformat und der damit zusammenhängenden Nostalgie nach dem Analogen auseinander. Mein Forschungsschwerpunkt war es herauszufinden, wie und warum ein solches als veraltet geltendes Medium in der heutigen digital orientierten Welt verwendet wird und noch stark verbreitet ist. Es gilt grundsätzlich oft die Annahme, dass neue Medien – so wie in diesem Beispiel digitale Filmkameras – alte Medien ersetzen und den alten Medien die Obsoleszenz, also die Vergessenheit, droht. Doch bei Medien wie beim Super-8-Filmformat ist dies nicht der Fall. Es gibt da viele medienwissenschaftliche Ansätze, die argumentieren, dass alte Medien nicht durch neue ersetzt werden können und diesen alten Medien neue Systemplätze und Funktionen zugeteilt werden. Nun wird in meiner Bachelorforschung argumentiert, dass dies auch beim Super-8-Format der Fall ist und dass Super-8-Aufnahmen in der digitalisierten Welt des frühen 21. Jahrhunderts oftmals die Funktion haben, die Nostalgie nach dem Analogen zu erwecken. Mit der Analyse des Super-8-Videos Tokyo on Super 8[2], das auf YouTube hochgeladen ist, sowie dem Dokumentarfilm I for India[3], der im Super-8-Filmformat gefilmt worden und auf DVD erschienen ist, wird auf dieses Phänomen der analogen Nostalgie eingegangen und erklärt, welche audiovisuellen sowie diskursiven Merkmale diese analoge Nostalgie ausmachen. Des Weiteren erörtert, wie ältere Medienformate wie Super 8 mit neueren Medien interagieren.

Ästhetisch evozierte nostalgische Aura
vs.
inhaltlich-narrative Nostalgie

Die beiden filmischen Produkte, die ich in einer Analyse tiefgründig gedeutet habe, zeigen zwei komplett verschiedene Weisen, wie Super 8 im digitalen Zeitalter verwendet wird. Beide Analysen haben gezeigt, dass Super-8-Aufnahmen primär dazu dienen, eine gewisse Nostalgie bei den Rezipient*innen zu erwecken.

Beim Video Tokyo on Super 8 handelt es sich um eine bewusst konstruierte nostalgische Aura, die der Filmemacher mit filmästhetischen und für Super 8 typischen visuellen Merkmalen evoziert.

Verbeeck erschafft gekonnt eine analoge Ästhetik der Vergangenheit, indem er explizit mit dem analogen Filmmedium Super 8 filmt, das mit den bestimmten ästhetischen Merkmalen diese traumähnliche Aura konstruiert. Dadurch, dass das Video in einer sich so schnell entwickelnden und verändernden Stadt gefilmt wird, wirkt das Video wie ein flüchtiges Festhalten eines zeitlosen Moments und erinnert so an den künstlerischen Impressionismus des 20. Jahrhunderts. Das Video thematisiert die Nostalgie nach solchen zeitlosen Momenten der Vergangenheit, die wie Traumerscheinungen in den Erinnerungen aller Menschen schlummern und durch solche Videos erweckt werden.

Auf eine ganz andere Weise thematisiert I for India die Nostalgie – der Dokumentarfilm ist eine Assemblage von privatem home-movie-Filmmaterial der Familie von Yash Suri, die in den 1960er Jahren von Indien nach England migriert ist und knapp vierzig Jahre lang mit Super-8-Aufnahmen sowie Tonaufnahmen mit der Familie in Indien kommuniziert hat. Sandhya, die jüngste Tochter von Yash, schneidet dieses unzählige Filmmaterial aus einem grossen Familienarchiv zusammen und spricht auf narrativ-inhaltlicher Ebene die Nostalgie an. Suri thematisiert im Film oftmals die Nostalgie einer Familie, die sich nach ihrer Heimat sehnt und gleichzeitig akzeptiert, dass eine solche Heimat, wie sie aus nostalgischer Perspektive betrachtet wird, nicht existieren kann und unterstützt dieses Nostalgiegefühl mit selektiven Super-8-Fragmenten.

Die Forschungserkenntnis meiner Bachelorarbeit ist, dass analogen Medien wie dem Super-8-Format in einer Welt der digitalen Medien neue Systemplätze und Funktionen zugewiesen werden. Super 8 ist einerseits mit seinen formatspezifischen ästhetischen Merkmalen und der damit verbundenen nostalgischen Aura auf rezeptorischer Ebene ein die Emotionen und nostalgischen Gefühle anregendes Filmformat. Andererseits wird diese die Nostalgie nach dem Materiellen, Haptischen und Vergangenen nicht nur auf ästhetische Merkmale reduziert und kann auch anders verwendet werden, beispielsweise in einer narrativen oder inhaltlich thematischen Montage von Super-8-Filmfragmenten.


[1] Pink Floyd: High Hopes. Text und Musik: David Gilmour, Polly Samson, 1994. Interpretiert von Pink Floyd, The Division Bell. EMI/Columbia Records, 1994.

[2] Tokyo on Super 8 – Willem Verbeeck. USA/GB 2018, Willem Verbeeck (YouTube: Gauge Film).

[3] I for India. GB/DE 2005, Sandhya Suri (DVD: ICA Films/ Fandango/zero west).