Black Space(s)[1]

Wir befinden uns im Jahr 2020 und George Floyd wird in Minneapolis auf offener Strasse von zwei Polizisten ermordet. In der darauf folgenden Sendung der «SRF Arena» klang es so, als wäre Rassismus ein Novum in der Schweiz. Personen wurden beleidigt und es schien so, als hätte sich die ganze Schweiz noch nie mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Verlauf des Jahres kamen am Laufband Musikvideos raus, welche uns in Erinnerung riefen, dass Black Lives still Matter. Man denke hier zum Beispiel an das Video von Anderson .Paaks Lockdown oder an Stormzys Superheroes, welche die BLM-Thematik zum Zentrum ihrer Videos machten.

Ich habe mich mit ‘Black Music Videos’ auseinandergesetzt und versucht zu verstehen, aus welchen Perspektiven diese zu lesen sind. Mir sind dabei Musikvideos ins Auge gestochen, welche ‘traditionell Weisse’ Räume, hier Ausstellungsräume, zu dekonstruieren schienen. Daraus ergab sich das Thema meiner Bachelorarbeit «Black Space(s). Weisse Museen als Schwarze Musikvideoräume». Ich habe mir die Frage gestellt, inwiefern Weisse Ausstellungsräume als Schwarze Musikvideoräume zu lesen sind. Ich möchte hier betonen, dass ich nicht versucht habe, die Komplexität des Rassismus allumfassend zu verstehen, sondern ich habe mich vielmehr dem Thema über populäre Medien anzunähern versucht. Mir ging es in der Arbeit darum, ein Themenfeld zu bearbeiten, welches meiner Meinung nach viel zu wenig beforscht ist, aber auch darum, die Stimmen Schwarzer Forscher*innen zu verstärken. Aktuelle Forschungsfelder wie Afrosurrealismus[2] und Afropessimismus[3], aber auch Evergreens der Black Culture wie zum Beispiel der Afrofuturism[4], haben mich bei meinen Analysen von drei Musikvideos begleitet.  Musikvideos sind grundsätzlich ein junges und aktuelles Medium, welches sich perfekt für unser Fach als Forschungsobjekte anbietet. In den von mir untersuchten Videos spielen traditionell Weisse Räume wie zum Beispiel Kunstgalerien und Museen eine zentrale Rolle. Wem gehören diese Räume? Was sagen sie uns und wer darf darin sprechen?

Weisse Räume?

Ich als Weisser Cis-Mann bin wahrscheinlich die letzte Person, die Rassismus im Alltag erfährt. Museale Räume wie Landesmuseen aber auch Kunstgalerien wie der White Cube scheinen an der Oberfläche ‘neutral’ und ‘öffentlich’ zu sein, sind aber durchzogen von Othering, Ausschluss und einer ‘westlich-Weissen’ Wissenstradition. Was wird ausgestellt, welche Geschichte wird dabei erzählt und wer darf diese Geschichte erzählen? Es geht darum, diese Räume als konstruiert und untrennbar von postkolonialen Debatten zu verstehen, was wiederum unweigerlich Fragen der Restitution aufwirft. Bis 1964 wurden in der Schweiz noch Menschen ausgestellt, die anders waren. Heute sind noch immer ‘andere’ und ‘orientale’ Objekte ausgestellt, welche eine vergangene und gegenwärtige Geschichte des Kolonialismus und der rassistischen Unterdrückung in sich tragen. Die koloniale Geschichte bildet mitunter das Fundament nationaler Museen. Die Modernistische Tradition des White Cubes ist ebenfalls nicht unbefleckt, sondern verschleiert hinter ‘Neutralität’ ihre wertende Haltung gegenüber ‘ornamentaler’ Kunst und der (Haut)farbe Schwarz als ‘primitiv’.

Schwarze Räume?

Der LA Rapper Westside Boogie verwandelt in seinem Video Nigga Needs einen White Cube in einen Raum Schwarzen Leids. Er stellt das afrosurreale Erleben von Rassismus im Alltag, die afrofuturistische Entfremdung durch Weisse Menschen und das ‘Ausgestellt-Sein’ als fremdes Schwarzes Wesen dar. Aus einer afropessimistischen Perspektive gelesen könnte man so weit gehen und ihn sogar als nicht-menschliches, sozial totes Wesen lesen, welches nur dazu dient, die dominante Weisse Mehrheitsgesellschaft in ihrer ‘Menschlichkeit’ zu bestätigen.

In Pa Salieus Raum des Musikvideos B***K finden wir uns in einem Schwarzen Museum wieder. Wir sind in einer Black Box, welche die Performanz der lebendigen Subjekte ins Zentrum stellt. Der Raum ist alles andere als tot. Wir sehen afrofuturistische Narrative in der Ästhetik eines vorkolonialen mystischen Afrikas, in vergangenen und gegenwärtigen Schwarzen Kämpfen gegen die Unterdrückung und in der Imagination einer pan-afrikanisch Schwarzen Zukunft. Wir befinden uns in einem zeitlich begrenzten Schwarzen Raum der Hoffnung und des Kampfes.

Im Musikvideo zu Apeshit wird der Louvre von den Carters (Beyoncé und Jay Z) erobert. Das Zentrum westlicher ‘Genialität’ wird von einem Schwarzen königlichen Powercouple eingenommen und so dekonstruiert. Vor Weisser Kunst findet Schwarze Performanz statt: Schwarze Frauen übertrumpfen Weisse Kaiser, Weisse Schönheitsideale werden dekonstruiert und der Körper der Schwarzen Frau wird entstigmatisiert.


[1] Ich verwende die Begriffe ‘Schwarz’ und ‘Weiss’ bewusst, da gerade ‘Schwarz’ als Selbstbezeichnung von unter Rassismus leidenden Person verwendet wird. Es wird dabei gross geschrieben, um die Konstruiertheit von Vorstellungen von ‘Rassen’ zu verdeutlichen.

[2] Spencer, Rochelle (Hg.): AfroSurrealism. The African diaspora’s surrealist fiction. London: Routledge, 2020.

[3] Wilderson, Frank B. III. (Hg.): Afropessimism. New York: Liveright Publishing corporation, 2020.

[4] Lavender, Isiah III. (Hg.): Afrofuturism Rising. The Literary Prehistory of a Movement. Columbus: The Ohio State University Press, 2019.