von Christian Schorno
Am 2. Februar hat Bill Wurtz ein Video über die Geschichte Japans auf YouTube veröffentlicht. Eine Woche später wurde es 4,6 Millionen mal geschaut. Der Futurezone-Blog hat schon vor zwei Tagen darüber berichtet und verkündet, dass dieses Video eine Verbreitungsrate aufweist, von der andere Bildungsvideos nur träumen könnten: ein virales Bildungsvideo!
Nun, das Video ist mit psychedelischen Farben versehen, hat musikalische und gesangliche Einlagen, die schrill wirken und es verwendet eine Sprache über politische Konflikte, die einem Kinderbuch entnommen sein könnten. Das alles ist frisch gemacht, mit einer Nonchalance, die beeindruckend ist. Wenngleich ich mir Legionen von Historikerinnen und Historiker vorstellen kann, die die Nase rümpfen und höhnen: «Unexakt, lächerlich, unwissenschaftlich». Ob sie die View-Rate des Videos erhöhen werden? Nur Google weiss es.
Natürlich ist das Video «populärwissenschaftlich». Es ist offenbar das, was die Welt dort draussen von uns Akademikern sehen und hören will. Schauen Sie selbst:
Nun, es geht mir hier nicht um ein Plädoyer für mehr populärwissenschaftliche YouTube-Videos, sondern als Spezialist für Medientechnologie bin ich wie Futurezone erst einmal beeindruckt von den vielen «Views» für ein Bildungsvideo. Ich nehme dieses Ereignis zum Anlass, ein paar Fragen mal etwas mehr auf den Grund zu gehen: Wann ist ein Video eigentlich viral? Und wie kommt diese Zahl zustande, die unter den YouTube-Videos steht? Was wurde da eigentlich gezählt, die Anzahl der «Views» oder die «Klicks»?
do stuff to get famous
Zuerst aber mal: Wer ist Bill Wurtz? Ich weiss es nicht, aber er hat interessante Socialmedia-Channels bei YouTube oder Twitter. Die meisten seiner Videos sind sehr kurz, zwei bis fünf Sekunden lange Jingles, in der Regel musikalisch unterlegt. Die selbe Machart wie das Japan-Video. Nur sehr kurz. Die Musik scheint er selbst zu spielen, Keys, Sticks, Frets, Vocals. Die Botschaften wie in der Popart: «out there doin stuff like – feels great to do stuff». Fertig, vorbei in nur vier Sekunden. Bill Wurtz ist einer von denen, die Socialmedia verstanden haben und souverän damit spielen. Die Dinge, die er postet, ziehen mehr und mehr Leute an. Je mehr es sind, desto grösser wird sein Erfolg als … Musiker, Filmemacher, Künstler, Werber oder E-Learner – ok, «just kidding».
Gangnam Style
Diese Zahl von 4,6 Millionen «Views», die rechts unter dem Video von Wurtz steht und immer noch wächst, wie kommt die eigentlich zustande? Und ist sie genug gross, um von einem viralen Video zu sprechen? Nur knapp. Heute gilt ein Video als viral, wenn es innert sieben Tagen 5 Millionen Mal geschaut wird – die Messlatte scheint von Jahr zu Jahr höher gestellt zu werden, je mehr Content viral geht. Auch wenn die 4,6 Millionen «views» nicht ganz viral sind, für ein Video mit Edutainment-Inhalt bleiben wir beeindruckt! Und wie kommt die Zahl zustande? Wann wird gezählt? Es wird nicht gezählt, wenn Sie ein Video anklicken und sich herausstellt, dass das Video eine Parodie ist oder nicht das, was Sie schauen wollten. Wir kennen keine genaue Dauer und nicht die Gesetzmässigkeit, mit der Google/YoutTube rechnet und das Tech-Unternehmen wird es uns auch nicht verraten. Würde Google nämlich den Algorithmus offen legen, würden alle die Erfolgsformel ausnützen. Darum ist es gut und zu unserem Nutzen, dass wir nicht alles wissen.
Mehr lesen und sehen:
Bill Wurtz: (out there doin stuff like) (Upload 4.9.15)
SemperVideo: YouTube: Wann zählt ein Video-View als Video-View? (Upload: 7.1.13)
Nalts: How many Views do you need to be viral? (Publiziert: 6.5.11)