Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich-Fluntern

Das Gelände als Abbild seiner Zeit

Gloriastrasse 18, 8006 Zürich Zürich (Karte)

von David Nagele

„Wesentliche Wandlungen ergaben sich auch in der Auffassung des Berufs der Krankenschwester – ein durchaus zeitgemässes, freiheitlicheres Berufsbild hat sich durchgesetzt. Unverändert geblieben ist jedoch die Zielsetzung: Die Ausbildung tüchtiger Krankenschwestern in der Schule und die Führung eines vorbildlichen privaten Krankenhauses zum Wohle seiner Patienten.“ So heisst es im Geleit zum 100-jährigen Jubiläum durch den Präsident der Stiftung Dr. Reinhard Isler. Auch heute noch werden auf dem selben Gelände Krankpfleger/innen ausgebildet, jedoch ist vom Alten Gebäude nichts mehr zu sehen und auch Patienten sucht man vergebens. Wie auch der Beruf der Krankenschwester lebte und veränderte sich das Gelände stetig um den jeweiligen Anforderungen weiterhin zu entsprechen.

Abb. 1 Der Flunterner Rebberg zur Zeit der Eröffnung des „Schwesternhaus vom rothen Kreuz“ 1882

Gründung

Zu Beginn der 1880er Jahre wird die Stiftung Schwesternhaus vom rothen Kreuz vom Zürcherischen „Verein für freies Christentum“ und seinem damaligen Präsident Pfarrer W. Bion gegründet unter der Überzeugung, dass religiös-liberale Einstellung tätiges Christentum, Dienst am Kranken, miteinschliesse. Am 30. März 1880 stellte derselbe Pfarrer in der Sitzung des Vorstands die Idee in den Raum, es möge der Verein darauf hinwirken, eine Anstalt zur Ausbildung von Krankenpflegerinnen ins Leben zu rufen und dabei gleichzeitig die Krankenpflege von religiöser Propaganda getrennt werden, ohne sie dabei vom religiösen Grunde loszureissen.

„(…), Als leitender Grundsatz soll gelten: «Religiöse Gesinnung wird bei den Krankenpflegerinnen vorausgesetzt, auf das religiöse Bekenntnis dagegen wird bei der Aufnahme in die Anstalt keine Rücksicht genommen; Allen, die im Dienste oder unter dem Schutze der Anstalt stehen, wird zur Pflicht gemacht, jede religiöse Überzeugung zu achten und ihre eigenen Ansichten niemandem aufzudrängen. Dazu verpflichten sich auch die die Anstalt leitenden Persönlichkeiten. Erreichung des Heilzweckes ist unser erste Ziel.1

– Punkt 2 der ersten Sitzung vom 28. Juni 1880 der Kommission.

Um das Schwesternhaus zu finanzieren, sind jedoch dringend Spenden nötig. Diese kommen aus vielen Regionen der Schweiz, aber auch aus dem Ausland gehen Gaben ein. Als Oberin setzt man „Fräulein Elisabeth Möller aus Frankfurt“ ein und auch eine passende Liegenschaft in der Nähe des Kantonspitals lässt sich erwerben. Am 6. Juli 1882 wird in der damals noch selbständigen Gemeinde Fluntern das Wohnhaus zum Zinnenbau zum Frauenfeld erworben, wobei das Land noch über genügend Platz für das schon geplante Privatspital aufweist. Nur einige Monate später findet dann am 20. November 1882 die Eröffnung der ersten und damit der ältesten nicht direkt konfessionell gebundenen Ausbildungsstätte für Krankenschwestern in der deutschsprachigen Schweiz statt. Damals zählt das Schwesternhaus nur acht Lernschwestern und neun Krankenbetten, überwacht von der oben erwähnten Oberin Elisabeth Möller.

„100 Jahre Schwesternhaus und Krankenhaus – weniges nur hat sich im Innern und Äussern Aufbau des Werkes unverändert erhalten. Dem oft stürmischen Wandel der Zeit musste auch in Schule und Spital gefolgt werden, um veränderten Anforderungen und technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen (…)1

Das Gelände als Abbild seiner Zeit

Durch mehrmalige Landzukäufe sichert sich die Stiftung den für künftige Erweiterungsbauten notwendigen Baugrund und verhindert weitere Einengungen des Areals durch private Bauvorhaben. 1884 äufnet man den Baufond für das eigene Krankenhaus/Schulspital. 3 Jahre später oder 5 Jahre nach der Eröffnung der Schwesternschule weiht man auch das Krankenhaus (Mittelbau) ein. Dabei zählt das Spital jetzt schon etwa 20 Betten. Doch schon bald wird auch das erworbene alte Haus umgebaut. Waschküche, Speise- und Unterrichtszimmer brauchen alle Erweiterungen aufgrund der steigenden Schülerinnenanzahl. Mit der Begründung, dass ausser Haus wohnende Schwestern nicht gehörig überwacht werden können und es ihnen nicht möglich ist, gleichermassen an der Nachtwache teilzunehmen, wird 1898 ein weiterer Neubau eröffnet, da auch diesmal der freie Platz wieder schwindet. Der Neubau beherbergt weitere 45 Krankenbetten. Daneben eröffnet man dort auch Operationsräume und Schwesternzimmer im obersten Stock. Um den zu kleinen Privattrakt zu vergrössern mit weiteren 29 Betten, wird 1911 Trakt E gebaut und danach 1914 auch gleich noch ein Waschhaus, um die Bedürfnisse des erweiterten Spitals zu erfüllen.

Die folgenden Jahre sind geprägt von Krieg in Europa und so tut sich auf dem Gelände der Schwesternschule bis 1925 nicht viel. Erst in diesem Jahr nämlich wird ein weiterer Anbau (Trakt F) hinzugefügt, der für weitere 27 Betten Platz hat. Man berichtet, dass die Küche noch genau ausreicht, um die über 130 Betten und Krankenschwestern zu versorgen. Trotz der Krise der 30er Jahre wird das Röntgenkabinett erweitert und erneuert, die Büglerei wird renoviert, die Küche umgestaltet und sogar ein Lift wird eingerichtet, um den Patiententransport zu erleichtern. Auch der Operationssaal erhält Veränderung in Form eines verbesserten Sterilisationsraums und neuen Technologien wie einem Elektrodiagraphen. So ziehen wieder einige Jahre vorbei, bis ausgelöst durch den Zweiten Weltkrieg eine Brennstoffknappheit herrscht und man daher das Schwesternhaus mit dem Fernwärmesystem der ETH Zürich verbinden muss. Ausserdem führen Anpassungen der Vorschriften der Schweizerischen Krankepflegbundes zu einer Schulreform, die fordert, dass die Schwesterschülerinnen ihr sechstes letztes Semester in geschlossenem Klassenverband bei vorwiegendem theoretischem Unterricht verbringen sollen. So baut man 1942 einen Wohnpavillon (Trakt H), der weitere 20 Betten beherbergt aber den Mangel an ausreichenden Schulfazilitäten jedoch nicht beheben kann und gleich 1958 vom neuen Schultrakt ersetzt wird.

Abb. 2 Bauentwicklungen von 1882 – 1942
Abb. 3 Das Schul- und Spitalareal im Jahr 1937

Beobachtet man die Entwicklungen wird klar, dass die Leitung des Rotkreuzspitals in diesen Jahren die Funktionalität des Spitals zu erhalten und gegebenenfalls punktuell zu erweitern versucht, jedoch keine grossen Projekte vorgenommen werden. Daher fasst man Anfang der 40 Jahre den Entschluss, die andauernde Raumnot im Rahmen eines Gesamtplanes anzugehen. Doch trotz grosser Ziele ist die Finanzierung bei weitem nicht gesichert und es häuften sich wachsende finanzielle Defizite, wodurch man sich entscheidet, die defizitäre und nur unzureichend subventionierte Allgemeine Abteilung (Trakt A) zu schliessen. Damit wird das Rotkreuzspital wieder zum reinem Privatspital und erhält keine Staatsbeiträge mehr. Die grosse Bebauung erfolgt in drei Etappen. Die erste Etappe bringt einen Erweiterungsbau der Privatabteilung an der Moussonstrasse mit sich (Trakt I), der 1958 bezogen werden kann. Während der ersten Etappe werden ausserdem die Operations- und Gebärabteilung vollständig erneuert. Etappe zwei wird durch den Abbruch der ehemaligen Allgemeinen Abteilung und des Schülerinnenpavillons eingeleitet. Im Altbau werden Röntgenabteilung und das Laboratorium erneuert und die Apotheke umgebaut, während nebendran ein gemeinsames Gebäude für Schule und Schülerinnenwohnhaus entsteht. Die Schule kann im Spätsommer 1960 bezogen werden (Trakt K) und markiert den ersten Neubau des neuen Geländekonzeptes. Darauf folgt das Schwesternwohnhaus ein Jahr später (Trakt L). In einer dritten und letzten Phase erweitert man die Schwesternschule mit neuen Schul- und Verwaltungsbüros (Trakt M). Man sieht in dieser Zeit klar, dass ein vermehrter Wert auf die schulische Ausbildung der Pflegerinnen gelegt wird, da die Kapazitäten in diesen Bereich stark erhöht und auch modernisiert werden.

Abb.4 Bauentwcklungen ab 1958
Abb. 5 Das Schwesternhaus erbaut 1960

Neben all diesen Erneuerungen in den acht Jahren werden die Innenausstattung des Spitals erneuert, um eine wirkungsvollere Behandlung der Patienten aufgrund von neuen medizinischen Erkenntnisse zu gewährleisten. Ein Jahr später wird eine Selbstbedienungsanlage im Speisesaal des Schwesternhaus installiert, was eine grosse Veränderung bedeutet, da zuvor alle Hauptmahlzeiten unter Anwesenheit der Oberin und dem obligatorischen gesprochenen Tischgebet in Gemeinsamkeit eingenommen wurden. 1975 gesellen sich ein Hallenbad und gedeckte Autoabstellplätze zum Gelände dazu (Trakt N). Darauf folgen Jahre der Modernisierung und dauernden Erneuerungen und Renovationen. So werden zum Beispiel schalldichte Türen zur Verbesserung der Ruhe in den Krankenzimmern installiert oder der Brandschutz ausgebaut. Dabei werden auch immer weitere Teile der Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert in das Sanierungsprogramm involviert. Mit Beginn des Jubiläums 1982 werden die Projekte des neuen Operationstrakts (Trakt P) und die erweiterte Eingangshalle mit Cafeteria in Angriff genommen. Diese Neubauten sollen dem Zeitgeist entsprechen und vor allem die Eingangshalle mit Cafeteria einen wärmeren und harmonischeren Empfang gewährleisten. Und somit den damaligen Bedürfnissen entsprechen. Dieser Umbau in drei Phasen kostet die Stiftung über 30 Millionen Franken, die die Stiftung aus eigenen Mitteln aufbringt, zusammen mit Spendern. Die letzen Bauprojekte werden 1985 fertiggestellt. Interessant zu bemerken ist, dass im Jahresbericht 1989 geschrieben wird: «Nach der Sanierung unseres Hauses haben wir festgestellt, dass sich die Nachfrage nach Zimmern mit Dusche und Toilette enorm verstärkt hat, solchen Komfortansprüchen unserer Patienten möchten wir möglichst bald entgegenkommen 2». Heute würde diese Einrichtungen wohl eher als Notwendigkeit betitelt werden. Doch leider sollten die «Komfort»-Pläne nie zum Tragen kommen. Der tiefgreifende Wandel im schweizerischen Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren auch unsere Stiftung und insbesondere das Rotkreuzspital erfasst – das Jahr 1997 ist schliesslich zum Schicksalsjahr geworden: Ein Überangebot an Spitalbetten im ganzen Kanton Zürich (und darüber hinaus) und die seit Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetztes (1996) für ein Privatspital markant erschwerten Marktbedinungen haben unsere Stiftung gezwungen, das Rotkreuzspital – eine weit herum geachtet und erfolgreiche Institution mit einer 115jährigen Tradition – zu schliessen. Die Stiftung will deshalb ihr Wirken künftig schwergewichtig auf die Führung und Entwicklung der Berufsschule für Pflege ausrichten.

Abb. 6 Das Schul- und Spitalareal im Jahre 1962

Time to Care

Am 30. September 1997 wird das Rotkreuzspital an der Gloriastrasse 18 (mit 93 Betten, 6 Operationssälen und 259 Mitarbeitern) geschlossen. Mit der Schliessung des Krankenhauses glückt es aber, das Vermögen der Stiftung zu erhalten und für das neue Projekt einer Berufsschule für das Gesundheitswesen zu reinvestieren. Für die bereits unter Lehrvertrag stehenden Lernenden wird, als Überbrückung für die fehlenden Ausbildungsplätze und Infrastrukturen, auf Ausbildungspartner (Spitäler, Kliniken und Heime) zurückgegriffen. Planungen zur Neuausrichtung des Geländes beginnen schon 1999 und um einen Teil der Kosten für den Betrieb des Kompetenzzentrums für Pflegeberufe zu deckenm wird entschieden, ca. 40% des Areals mit Wohnanteil zu belegen, also etwa 30 3-5-Zimmer-Wohnungen sowie in den Erdgeschossen teilweise Büros mit Ateliers für Dritte einzurichten. Das Schul- und Dienstleistungsgebäude an der Ecke Gloria-/Moussonstrasse wird jedoch ohne Wohnungen geplant. Konzeptuell stütz sich das gesamte Gelände auf den Leitspruch „Offenheit nach allen Seiten“. So soll der Vorplatz im Hochschulquartier einen neuen Akzent setzen und zusammen mit dem markanten Hauptgebäude hohen Identifikationswert bieten. Um dieses gesamte Bauvorhaben umzusetzen, entschliesst man sich für eine Bebauung in zwei Etappen, wobei man die erste noch ein weiteres Mal unterteilt. Der Bau für das eigentliche Careum beginnt im Jahre 2003 und endet 2005, wobei die bestehenden Gebäude an der Gloria- und Moussonstrasse weiter autonom genutzt werden. In dieser Zeit werden sie an die Universität Zürich vermietet. Ebenfalls in dieser Zeit ändert sich der Name der Stiftung und trennt sich damit vom formellen Stifter, dem Zürcher Verein für freies Christentum. Der neue und heutige Name «Careum» leitet sich aus den Begriffen «to care» (englisch für betreuen, pflegen) und «lyceum» (Lehrstätte im alten Athen) ab und verbindet damit die wesentlichen Bestandteile des Stiftungszwecks: Pflege und Bildung.

Viele Veränderungen machte das Gelände schon mit, doch auch heute noch entwickelt es sich ständig weiter, so wurde erst 2016 ein Auditorium eröffnet. und später im Jahr 2020 das neue provisorische Gebäude Careum 3, um auch in Zukunft ein hochwertiges Gesundheitswesen zu garantieren.

Abb. 7 Das heutige Careum

BILDQUELLEN
  1. Abb. 1-6: Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich-Fluntern: 1882-1982, Herausgeber: Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich Fluntern
  2. Abb. 7: https://www.ub.uzh.ch/de/ub-besuchen/standorte/medizin_careum.html
LITERATUR
  1. Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich Fluntern (Hg.): Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich-Fluntern 1882-1982, Zürich 1982
  2. Jahresbericht / Stiftung Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz, Zürich-Fluntern 1956- 2002.
  3. Jahresbericht / Stiftung Careum (Zürich) 2004- , Zürich : Stiftung Careum
  4. https://careum.ch/ueber-uns/portrait/geschichte.