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Ayana Züger

«I make jokes when I’m uncomfortable.»

Genderstereotypen & Diskriminierung zwischen Zeitgeist, Nostalgie & Interpassivität in der Kultsitcom FRIENDS

Fernsehserien und gerade auch Sitcoms sind ein global verbreitetes populäres Medium, welches gerade auch in den letzten Jahren noch einmal stark an Popularität gewonnen hat. Es werden unzählige neue TV-Serien in diversen Genres und Formaten produziert und auch ‘ältere’ Serien werden wieder vermehrt und intensiver konsumiert.

Eine Sitcom, die durch ihren Erfolg bei der Erstausstrahlung, diverse Reruns auf diversen Fernsehsendern, Synchronisation auf diverse Sprachen und nicht zuletzt die Verfügbarkeit auf der Streamingplattform Netflix (in den USA nun neu HBO Max) Kultstatus erreicht hat, ist die Serie FRIENDS (USA 1994–2004). Der Kampf, den sich konkurrierende Video-On-Demand-Anbieter um die exklusiven Rechte für die 236 Episoden über zehn Staffeln geliefert haben, ist nur ein Hinweis auf die Popularität der Sitcom. Zahlreiche Fanartikel, Quizze, Memes und Artikel zeugen vom bedeutenden Status, den FRIENDS heute hat.

Doch FRIENDS hat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur das ursprüngliche gegenwärtig nostalgische Publikum, sondern auch Zuschauer*innen aus einer neuen Generation gewonnen. Dies bringt Folgen für den zeitgenössischen gesellschaftlichen Diskurs mit sich. Bei ihrer Erstausstrahlung galt die Serie als zeitgerecht, modern und fortschrittlich. Doch trotz ihrer anhaltenden enormen kulturellen Aktualität wird sie seit der Bereitstellung auf Netflix im Jahr 2015 für zahlreiche Aspekte kritisiert, die für nicht mehr zeitgemäss gehalten werden.

«A humour based on my pain? Ah, ha, ha.»

Ross Geller, FRIENDS 06×23 «The One with the Ring» [Credit Endings]

Ich beschäftige mich mit den Kritikpunkten Sexismus, Homophobie, Transphobie und fehlender Diversität und wie diese im Kontext der Sitcom FRIENDS ausgehandelt werden.

Um zu erklären, wieso die Sitcom FRIENDS trotz ihren Defiziten immernoch so populär ist, argumentiere ich drei kontextuelle Konzepte.

Zeitgeist

Aufgrund ihrer Entstehung im Werbeumfeld sind Fernsehserien aus den 1990er Jahren auf gesellschaftliche Affirmation und Konformismus ausgelegt. Deshalb bestätigen sie Konventionen und Traditionen und setzen Verhaltensstereotypen und Wahrnehmungskonventionen durch. Wie andere amerikanische Sitcoms aus dieser Zeit hält sich FRIENDS an seine genrespezifischen Themen und bleibt darin durch ihre Banalität attraktiv.[1] Das Ausbleiben eines wirklichen Bestrebens kritischer oder subversiver Ansätze ist was die Sitcom veraltet wirken lässt. Aber das zeugt vor allen Dingen von den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben.
Während FRIENDS unbestreitbar den Zeitgeist ausgehoben hat, war es ein sehr anderer Geist in einer sehr anderen Zeit.[2]

Nostalgie

Gerade auch aufgrund der Digitalisierung und der konstanten Verfügbarkeit von Medienprodukten, ist die Nostalgie nicht mehr von der Erinnerung eines jeweiligen Individuums abhängig, sondern kann durch die verschiedenen kollektiven Erinnerungen oder indirekte Erfahrung hervorgerufen werden. Nostalgische Medien ermöglichen die Flucht in eine konstruierte Vergangenheit.[3]
In Bezug auf FRIENDS ist Nostalgie nicht nur für Rezipient*innen ein Faktor, die die Serie bei ihrer Ersterscheinung gesehen haben und auf der Ebene der erlebten Nostalgie angesprochen werden. Auch neue Rezipient*innen werden auf der Ebene der simulierten Nostalgie indirekt an eine ‘einfachere’ Zeit ‘erinnert’, als es noch keine Smartphones und Social Media gab.
So werden Produkte, die mit nostalgischen Werten geladen sind, vom Zuschauer nicht unbedingt als solche erkannt, aber werden trotzdem auf eine andere Art und Weise konsumiert und geschätzt.

Interpassivität [4]

Das psychoanalytische Konzept der Interpassivität, welches Pfaller von Lacan und Zizek abgeleitet hat, beschreibt die Delegation des Geniessens in der psychoanalytischen Theorie des Lachens. Dabei wird das Geniessen einem Stellvertreter übertragen, womit das Risiko selbst einer Situation ausgesetzt zu sein vermieden werden kann. Man lässt das Medium für sich reagieren und kann dadurch passiv sein. Durch die Kamera bleibt dem/der Zuschauer*in das eigentliche Sehen erspart.
Speziell in Bezug auf die Sitcom kann abgeleitet werden, dass durch das eingespielte Lachen (dt. Lachkonserve/en. laugh track) der Zuschauer selbst nicht mehr lachen muss. Die Serie ist nicht nur amüsant, sondern auch amüsiert und lacht in gewisser Weise über sich selbst und nimmt damit dem Zuschauer das Lachen ab. Selbst wenn der/die Zuschauer*in nicht lacht, wird genossen oder sich amüsiert, denn es ‚wurde‘ gelacht.
Durch den reziproken Prozess der Interpassivität lässt sich erklären, dass im Kontext einer Sitcom auch über Darstellungen und Abbildungen gelacht werden kann, die sonst nicht gerechtfertigt werden könnten, weil der laugh track es vormacht oder gänzlich für den/die Zuschauer*in übernimmt. Schuldgefühle vor unangemessenen Inhalten können unterdrückt werden, weil zwar genossen, aber nicht oder nur über oder mit einem fiktiven, naiven Beobachter gelacht wurde.


Fehlende Diversität und Diskriminierung: Aktueller denn je

Jay-Z hat in seinem Musikvideo zum Song «Moonlight» fehlende Diversität und die Diskriminierung der black communities kommentiert. Es ist eine Antwort auf das Debakel der Oscar-Verleihung im Jahr 2017, als LA LA LAND (Damien Chazelle, USA 2016) fälschlicherweise anstelle von MOONLIGHT (Barry Jenkins, USA 2016) als Gewinner der Kategorie „Bester Film“ verkündet wurde und damit im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stand. Der Film MOONLIGHT steht als LGBTQ-Film mit ausschliesslich schwarzen Schauspieler*innen für die Inklusion und Akzeptanz von allen sexuellen Ausrichtungen, Herkünften und Hautfarben.
Das Musikvideo zu «Moonlight» referenziert FRIENDS in einer Wort-für-Wort Adaption der bottle episode 03×02 «The One Where No One’s Ready» mit ausschliesslich schwarzen Schauspieler*innen. Dies zeugt davon, dass FRIENDS heute als politisches Mittel verwendet und durch die Subversion dieses betont ‚weissen‚ Stoffes die Diskriminierung ausgestellt werden kann.

«We stuck in La La Land – even if we win, we gonna lose»

Jay-Z, «Moonlight»

Gerade unter dem Blickwinkel der aktuellen Aufstände rund um die Black-Lives-Matter-Bewegung ist es wichtiger denn je sich mit den Themen Unterdrückung, Diskriminierung, Diversität und Inklusion zu beschäftigen, damit im System unserer Gesellschaft Platz für die Anerkennung und Wertschätzung von Kulturprodukten von black communities geschaffen werden kann.

Das Musikvideo zum Song «Moonlight» von Jay-Z.

[1] Vgl. Sternbergh, Adam: Is Friends Still the Most Popular Show on TV? Why 20-somethings want to stream a 20-year-old sitcom about a bunch of 20-somethings in a coffee shop (21.03.2016). In: vulture.com, https://www.vulture.com/2016/03/20-somethings-streaming-friends-c-v-r.html#_ga=2.172806179.1276760006.1591643939-388487366.1591643939 (Abrufdatum: 08.06.2020).
[2] Vgl. Faulstich 2008, 114.
[3] Vgl. Freeman 2019, 104.
[4] Vgl. Filmlexikon Uni Kiel «Interpassivität», o.S. URL: https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=7243 (Abgerufen: 10.06.2020).