Carola Jäggi
Rückblicke auf die Geschichte der eigenen Institution stehen in einer wohletablierten Tradition – auch am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. Bereits 1976 hat Adolf Reinle einen kurzen Überblick über die Lehre der Kunstgeschichte an der Universität Zürich und ihre Vertreter von den Anfängen anno 1870 bis zum Amtsantritt von Gotthard Jedlicka 1939 gegeben (Abb. 1).[1] 1983, anlässlich der 150-Jahr-Feier des Bestehens der Alma Mater Turicensis, war es Reinles Kollege Emil Maurer, der die Geschichte des eigenen Instituts auf knappem Raum zusammenfasste.[2] Stets war es vor allem die Frühgeschichte, die eine umfassende Würdigung erfuhr. Die im Rückblick wohl prägendsten Ausbauphasen – jene unter Gotthard Jedlicka 1939–1965 auf der einen Seite, auf der anderen jene der Ära von Reinle (1965–1985) und Maurer (1967–1982) selbst – haben bisher hingegen nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die ihnen gebührt. Es waren die 1970er- und 80er-Jahre, in denen das Kunsthistorische Institut der Universität Zürich mit vier neuen Professuren auf seine heutige Lehrkörperstärke anwuchs und seine bedeutendste fachliche Ausdifferenzierung erfuhr. Davor hatten zumeist zwei, bisweilen auch nur ein Fachvertreter das Fähnchen der Kunstgeschichte hochgehalten, hatten sich in mehr oder weniger geglückter Absprache auf die Grossepochen Mittelalter und Neuzeit aufgeteilt und je nach persönlichem Interesse mal die bildenden Künste, mal die Architektur in den Mittelpunkt ihrer Lehrtätigkeit gestellt. Stets waren es Emeritierungen und die entsprechenden Nachfolgediskussionen, die Sollbruchstellen offenlegten und zu grundsätzlichen Überlegungen Anlass boten, welchen Stellenwert die Kunstgeschichte an der Universität Zürich haben und wie der jeweilige Zuständigkeitsbereich definiert sein solle. Gerade in diesen personellen Umbruchsituationen zeigt sich am klarsten, wie versucht wurde, einerseits das spezifische, auf Objektgebundenheit und Praxisnähe sich berufende Zürcher Profil der Anfangsjahre weiter zu tradieren und andererseits neuen Tendenzen Raum zu geben. Dieser immer wieder unter neuen Vorzeichen geführte Aushandlungsprozess und die dabei beteiligten Akteure sollen im Zentrum der nachfolgenden Ausführungen stehen, wobei jene Personen und Zeitabschnitte, denen in der vorliegenden Publikation ein eigener Beitrag gewidmet ist oder die bereits 1976 von Reinle hinreichend gewürdigt worden sind, hier nur am Rand thematisiert werden sollen. Lag der obere Zeitschnitt bei Reinle noch um 1940, so verläuft er hier in den 1980er-Jahren, als das Kunsthistorische Institut mit den beiden letzten der in der Ära Reinle und Maurer neugeschaffenen vier Professuren seinen bis heute bestehenden Zuschnitt des Lehrkörpers erhielt. Da die Archive eine Schutzfrist für Daten von Personen vorsehen, die noch keine zehn Jahre verstorben sind oder vor weniger als 100 Jahren geboren wurden, kann die Institutsgeschichte der letzten 40 Jahre zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geschrieben werden; Ähnliches dürfte schon Reinle dazu gezwungen haben, seine kleine Institutsgeschichte von 1976 mit Heinrich Wölfflin bzw. Konrad Escher enden zu lassen.