Im September 2020 teilten über 6 000 Nutzer*innen via Twitter ein Bild von LeBron James und Anthony Davis, den beiden Superstars des amerikanischen Basketballclubs der LA Lakers. Das Bild sorgte für Aufmerksamkeit, denn die Sportler waren nicht in Trikots, Shorts und Turnschuhen zu sehen, sondern beide trugen schwarze, langärmelige T-Shirts mit weissen Spitzenkragen, dem Markenzeichen von Ruth Bader Ginsburg, die am 18. September 2020 verstarb.

Die Botschaft dieser Momentaufnahme schien eindeutig: Die grossgewachsenen und austrainierten Männer nutzten ihre Medienpräsenz, um auf den Tod der Supreme Court Richterin aufmerksam zu machen. Das Verhalten von James und Davis passt zur Selbstdarstellung der wichtigsten und umsatzstärksten Basketballliga der Welt: Die diesjährigen Playoffs fanden in einer sogenannten Bubble in Disney Land, Florida, ohne Zuschauer statt. Und entgegen der sonstigen Weisung, Sport und Politik strikt zu trennen, nutzten Spieler, Teams, Trainer und Ligaverantwortliche die Playoffs, um die Black Lives Matter-Bewegung zu unterstützen und sich aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung zu positionieren. Es verwundert also nicht, dass der Auftritt von James und Davis in den sozialen Medien mit Begeisterung aufgenommen wurde. Ein Nutzer kommentierte »This is why I so love and respect LeBron.«

Die virale Aufmerksamkeit, die LeBron James und Anthony Davis in Spitzenkragen zukommt, sagt viel über die Medialität von Kleidung aus. Abnehmbare Kragen aus Leinen oder Spitze verfügen insbesondere seit dem 16. Jahrhundert über eine hohe Aussagekraft. Spitzenkragen wurden von Männern wie Frauen gleichermassen getragen. Über Jahrhunderte hinweg vergegenwärtigten sie den wirtschaftlichen Stand, das Geschlecht oder die Konfession einer Person. In ausladenden Kragen, wie dem Medici-Kragen, materialisierte sich Reichtum und sozialer Status. Die Kragen bestanden aus viel Stoff und besonders ihre leuchtend weisse Farbe unterstrich, dass ihre Träger*innen keiner körperlichen Arbeit nachgehen mussten. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich an den pompösen Kragen mitunter moralische Diskussionen entzündeten und das Tragen, der Wert und der Umfang von Kragen mithilfe von Kleider- und Luxusgesetzen geregelt wurden.

Erst im 19. Jahrhundert, mit der Entstehung des Bürgertums und der Imagination der handarbeitenden Hausfrau, wird Spitze zu einem vor allem weiblich konnotierten Material und der Spitzenkragen zu einem Accessoire für Frauen. Klöppeln, Häkeln und Sticken zählen seitdem zu den weiblichen Handwerkstechniken. Mit Spitzenkragen verzierten Frauen nun ihre hochgeschlossenen Blusen, mit Spitzendecken dekorierten sie ihre Wohnzimmer. Im Zeitalter der Fotografie und Journale wurde es schliesslich möglich, Mustervorlagen massenhaft zu verbreiten. Musterbücher ab den 1870er Jahren bewerben die »feinen Gebilde weiblicher Geschicklichkeit« und reproduzieren besonders gelungene Vorlagen der vergangenen Jahrhunderte.

Der Spitzenkragen als Markenzeichen der kürzlich verstorbenen Ruth Bader Ginsburg ist also auch aus historischer Perspektive äusserst interessant. Ginsburg besass unzählige Kragen aus der ganzen Welt. Die Kragen waren aus Spitze, Metall und Edelsteinen. Das Tragen der unterschiedlichen Kragen war aber vielmehr als ein modisches Statement. Ginsburg nutze die Sprache der Mode medienwirksam und unterstrich damit, dass ihr Weg an den Supreme Court alles andere als selbstverständlich und gradlinig war. Als junger Juristin wurden ihr in den 1950er Jahren viele Steine in den Weg gelegt; sie musste als Schwangere und junge Mutter fürchten, ihren Job zu verlieren und wurde im Laufe ihres Lebens zum Sinnbild der authentischen Kämpferin für Frauenrechte. Dies alles gelang Ginsburg nicht zuletzt, indem sie ein dekoratives und weiblich konnotiertes Accessoire reinterpretierte und in ein politisches Symbol für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung verwandelte. Mit dem weiblichen Schmuckstück Spitzenkragen gelang es ihr, ein typisch männliches Kleidungsstück – die schwarze Richterrobe – in ein ikonisches Kleidungsstück zu transformieren.

Aus dem Symbol wurde in den 2000er Jahren ein Markenzeichen. Einige von Ginsburgs Kragen wurden selbst stilbildend. Die amerikanische Modemarke Banana Republic verkaufte kürzlich die Neuauflage eines Kragen von Ruth Bader Ginsburg für 90 Dollar. Es war nicht irgendein Kragen, sondern die Replik eines Exemplars, das Ginsburg seit 2012 immer dann trug, wenn sie ihr Unbehagen mit politischen Entscheidungen ausdrücken wollte und von ihrem Recht auf Widerspruch Gebrauch machte.

Die Kragen mäandern dabei an der Grenze zwischen politscher Aussage und modischem Statement. Immer häufiger teilen Männer und Frauen in jüngster Zeit Bilder von frisch gestochenen Tätowierungen, die das Kragensymbol aufgreifen.

Es liegt also durchaus nah, dass LeBron James und Anthony Davis das ikonische Kleidungsstück Spitzenkragen tragen, um die Verdienste von Ruth Bader Ginsburg zu ehren. Tatsächlich sagen die Reaktionen in den sozialen Medien aber leider mehr über den Medienkonsum der User*innen aus als über das politische Engagement der beiden NBA-Profis. Denn das Bild gehört – trotz oder vielleicht wegen seiner symbolischen Aussagekraft – in die Kategorie der Fake News. Im Gegensatz zur Frauenbasketballliga WNBA verzichteten die männlichen Basketballer darauf, Ginsburg zu ehren. Ein Versäumnis, das im Übrigen einige Kritik auf sich zog, wie etwa von der Sportjournalistin Rachel Nichols.

LeBron James und Anthony Davis mit Spitzenkragen war eine digitale Fotomontage der Webseite Babylonbee, einem politisch rechts-christlich zu verortenden Satiremedium. Die Superstars mit weiblichen Attributen sollten auf die in ihren Augen inflationären politischen Aktivitäten der NBA-Spieler hinweisen. Nicht ohne Grund wählten sie daher eine Szene als Grundlage für ihre Montage, in der James und Davis mit ihren Mannschaftskollegen während der Nationalhymne in Black Lives Matter-T-Shirts am Spielfeldrand knien.

Die Strategie, die Superstars mittel weiblicher, vermeintlich weicher Attribute zu schmähen und ihr politisches Engagement damit ins Lächerliche zu ziehen, ging allerdings nicht auf. Den meisten User*innen sozialer Netzwerke schien der Hintergrund und die Echtheit des Bildes egal. Sie nahmen das politische Bekenntnis der NBA-Spieler dankend und wohlwollend auf – auch wenn sie damit unbewusst die Schattenseiten eines Medienkonsums entlarvten, der weit stärker auf Bildern und ikonischen Objekten denn auf der Lektüre von Texten fusst.

Eva Brugger lehrt und erforscht die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich

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