Südfassade, Hauptgasse
aus: A.Reinle, Kunstgeschichte der Schweiz (Bd. 3), Frauenfeld 1956.


Aufriss der Fassade
aus: B. Schubiger, Jesuitenkirche Solothurn, Bern 1985.
































Grundriss der Kirche
aus: H. Landolt und T. Seeger, Schweizer Barockkirchen, Frauenfeld 1948.
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Jesuitenkirche, Solothurn (1660-1688)



1. Lage
2. Baugeschichte
3. Architektonische Beschreibung
4. Kunsthistorische Würdigung


1. Lage
Die Kirche, das dazugehörige Kollegiengebäude und der Garten liegen in einem von Hauptgasse, Goldgasse und Theatergasse begrenzten Quartier in der solothurner Altstadt. Zum Jesuitenkomplex gehörte ursprünglich auch das ehemalige Gymnasium und heutige Stadttheater an der Theatergasse.

2. Baugeschichte
1671 wurde das Jesuitenkollegium gegründet. Von 1672 stammen die ersten Baupläne für einen Neubau von Kirche und Kollegium, vermutlich von CHRISTOPH VOGLER gezeichnet. Der genaue Planungsablauf ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Br. HEINRICH MAIR (Mayer) scheint 1679/80 die Ausführungspläne angefertigt zu haben, vermutlich basierend auf den Entwürfen von VOGLER. Der französische König Ludwig XIV. unterstütze den Bau der Fassade finanziell. Im Jahre 1684 konnte die Aufrichte gefeiert werden, die Stukkaturen entstanden in den Jahren 1686-1688, die Vollendung der Altarausstattung zog sich bis ins erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts hin. 1766/67 wurden erste Renovationsarbeiten vorgenommen, eine grössere Fassadenerneuerung fand 1849 statt.

3. Architektonische Beschreibung
Äusseres: Die Fassade
Die Eingangsfassade fügt sich in die Häuserfront der Hauptgasse ein und ist turmlos. Sie ist aus Quaderwerk (Quadermauerwerk) aufgebaut und wird durch die seitlichen Kollegbauten repräsentativ verbreitert. Das Mittelkompartiment ist dem Kirchenraum vorgeblendet, die Flügelbauten dienen links als Kollegiumspforte und rechts als Remise. Die Kirchenfassade ist in zwei Geschosse durch ein kräftiges Hauptgebälk (Gebälk?) mit darüberliegender Postamentzone (Postament) gegliedert. Über den Seitentrakten läuft diese als Balustradenattika (Balustrade) weiter. Der Mittelteil ist durch eine toskanische Pilasterordnung im Erdgeschoss und durch eine ionische (Säulenordnung) am Obergeschoss in fünf Achsen gegliedert, deren Breite sich nach aussen verringert. Der Mittelteil wird durch einen Dreiecksgiebel überdacht, der mit einem faszierten Architrav abgeschlossen wird. Im Mittelfeld des Giebels befindet sich eine Kartusche, die das Wappen Bourbon-Navarra von Ludwig XIV. zeigt, zur Erinnerung an die königlich-französische Stiftung der Fassade. Diesem Umstand ist auch die goldene Inschrift über dem Hauptportal zu verdanken: LVDOVICI MAGNI REGIS CHRISTIANISSMI MVNIFICENTIAE MONIMENTUM. Ein Hauptgestaltungselement der Fassade ist die Differenzierung des Reliefs. Die Zwischenachsen befinden sich auf unterschiedlichen Fluchtniveaus, ausgedrückt wird dies durch die Pilasterüberlagerungen und die Verkröpfungen (Verkröpfung?) der Horizontalgliederungen. Die Zwischenachsen links und rechts des Hauptportals werden durch Rundbogennischen durchbrochen, welche im Erdgeschoss auf einer Sockelzone und im Obergeschoss auf einem verkröpften Zwischengesims (Gesimse) stehen. Vier grau gefasste Stuckfiguren stehen in den Nischen. Sie tragen vergoldete Attribute und stellen folgende Ordensheilige dar: hl. Ignatius von Loyola (unten links), hl. Franz Xaver (unten rechts), hl. Franz Borgia (oben links), hl. Aloisius von Gonzaga (oben rechts). Das ikonografische Figuren-Programm wird durch die Immaculata-Figur, auf dem Dreiecksgiebel stehend, gekrönt. Über den Nischen im Erdgeschoss sind Wappenkartuschen angebracht, die dem Ambassador Robert de Gravel (links) und seiner Gemahlin Henriette de Villiers (rechts) gewidmet sind.(Ambassador) Das Hauptportal wird von ionischen dreiviertelsäulen flankiert, die ausladende Gebälkstücke mit Urnenbekrönung Bekrönung? tragen. Dazwischen befindet sich ein Oberlicht mit kartuschenartiger Rahmung, welches durch ein gebogenes Gesims überdacht wird. Das Oberlicht wird von seitlichen Klammervoluten (Voluten) gestützt. Im Obergeschoss über dem Hauptportal befindet sich ein Rundbogenfenster. In der Postamentzone liegt ein langgezogenes Fenster, das eine blinde Brüstungsbalustrade trägt. Eng anliegende Volutenklammern mit Beschlagwerkmotiv (Beschlagwerk) flankieren das Hauptfenster, das durch einen Segmentgiebel abgeschlossen wird.

Inneres
Über ein kurzes, schmales Vorjoch (Joch) wird das zweijochige Langhaus betreten. Es weitet sich in einem dritten, wenig tieferen Joch zu einem Querschiff, welches gering über die Mauerflucht hinausgreift und in schmalen Laufgangbrücken (Laufgang) schliesst. Das Querschiff wird durch die geringen Dimensionsunterschiede als Bestandteil des Kirchenschiffes wahrgenommen. Der halbrund schliessende, einschiffige Chor ist nur wenig eingezogen und wird beidseits von zweigeschossigen Nebenräumen flankiert. Schiff und Chor werden durch zwei Reihen grosser Rundbogenfenster beleuchtet. Die Altarkapellen im Erdgeschoss entsprechen im Obergeschoss den Emporräumen, welche durch kleine Wandpfeilerdurchbrüche untereinander verbunden sind. Die Stuckarbeiten werden den Luganeser Brüdern GIACOMO und PIETRO NEURONI zugeschrieben.

4. Kunsthistorischer Kontext
Die Jesuitenkirche von Solothurn ist architektonisch in einem grösseren Kontext zu betrachten. Einerseits steht die Kirche in der Tradition der römischen Frühbarockkirchen (Reinle), wie zum Beispiel Il Gesù (Il Gesù). Andererseits nimmt sie als konkrete Vorbilder die Jesuitenkirchen von München und Dillingen.(Vorarlberger Schema)


Bibliographie
Schubiger, Benno, «Die Jesuitenkirche in Solothurn», Solothurn, 1987.
Schubiger, Benno, «Jesuitenkirche Solothurn», in: Schweizerische Kunstführer, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 1985.
Reinle, Adolf, «Kunstgeschichte der Schweiz» (Bd. 3), Frauenfeld, 1956, S.166-180.
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