Geisterbeschwörungen in der Frühen Neuzeit

Von Jessica Schwager

In diesem Beitrag geht es um frühneuzeitliche Geisterbeschwörungsrituale. In frühneuzeitlichen Grimoires sind solche Rituale überliefert, mit denen Geister gezwungen werden sollen, beispielsweise einen Schatz freizugeben. Konkret wird der Frage nachgegangen, mit welchen Mitteln man zu dieser Zeit versuchte, einen Geist zu beschwören. Als Untersuchungsgrundlage dient dazu ein Geisterbeschwörungsbuch aus dem Jahr 1774. In den Beschwörungsformeln spielten beispielsweise bestimmte Wörter, sogenannte Machtworte, eine wichtige Rolle. Auch die Berufung auf die Macht Gottes und Jesu wurde als zentraler Teil der Beschwörung genutzt. Demgegenüber wurde allerdings gleichzeitig auch der Teufel um Hilfe aufgerufen, um den Geist schlussendlich dazu zu zwingen, seinen Schatz aufzugeben.


Man sieht es in praktisch jedem Horrorfilm, meist in Verbindung mit einem Ouija-Board: die Geisterbeschwörung. Obwohl wir heute grösstenteils nicht mehr an Gespenster und dergleichen glauben, haben wir doch eine ungefähre Vorstellung davon, wie eine Beschwörung aussehen könnte. Wie sah diese aber im 18. Jahrhundert aus, als der Geisterglaube noch weitverbreitet war? Laut dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens geht ein Glaube an die «prophetische Gabe» der Geister von Verstorbenen weit ins Altertum zurück.1 Beschwörungen wurden meist durchgeführt, damit die Geister einem wahrsagen können oder um zu erfahren, wo sich ein verborgener Schatz befindet.2 Dabei spielte die sogenannte Schatzgräberei eine wichtige Rolle im Geisterglauben. Es wurde davon ausgegangen, dass Geister einen Schatz bewachten und man diesen nur finden konnte, wenn der Verstorbene ihn freigab. Solche Rituale wurden üblicherweise in Zauberbüchern festgehalten, im Englischen grimoires genannt. Owen Davies definiert solche Zauberbücher als Bücher, die gewissermassen eine Anleitung enthalten, mithilfe derer Personen ihre Umwelt auf magische Weise mittels Ritualen, Bräuchen und Invokationen beeinflussen können.3

Wie konnte nun ein solches Ritual konkret aussehen? Mit welchen Mitteln versuchte man im 18. Jahrhundert einen Geist zu beschwören? Diese Frage wird im Folgenden anhand eines Beispiels eines Geisterbeschwörungsbuches beantwortet.4 Die Quelle stammt aus dem Staatsarchiv Bern, und war Teil der Criminal Proceduren, also einem Kriminalprozess aus dem Jahr 1774. Dies lässt darauf schliessen, dass dieses Buch im Rahmen eines Prozesses gegen ein Zaubereidelikt eingezogen wurde. Gemäss einer Aktennotiz handelt sich dabei um einen transkribierten Ausschnitt eines Zauberbuchs, welches angeblich von einem katholischen Senn auf der Schwendimatt an Rudolf Bolliger von Niederbipp weitergegeben worden war und diesem dann vom Landvogt von Nidau abgenommen wurde.

Zunächst findet sich darin eine Zeichnung, wie der Kreis für die Beschwörung gezeichnet werden soll. Dieser Kreis fungierte in einer solchen Beschwörung als Schutz für die Beschwörenden. Es gibt dazu keine ausführlicheren Erläuterungen, üblicherweise mussten dabei allerdings bestimmte Regeln befolgt werden, beispielsweise sollte im mittleren Kreis der Name des Engels der Beschwörungsstunde geschrieben werden. Je nach Stunde variieren die Namen der Engel und anderen Angaben (zum Beispiel auch Luftgeister), welche im Kreis stehen sollten.5

Diese Geisterbeschwörung, welche zum Ziel hatte, einem Geist seinen verborgenen Schatz zu entlocken, beginnt mit einem Gebet, in dem um Gottes Wohlwollen für die Beschwörung gebeten wird. Dies war besonders wichtig, da man es ohne Gottes Gunst und seine Kraft nicht schaffen konnte, Geister zu beschwören und zu unterwerfen. Danach wird der Geist bei seinem Namen aufgerufen und schliesslich folgt die eigentliche Beschwörung, in welcher der Geist angehalten wird, seinen Reichtum vor den Kreis zu bringen. Woher dieser Name bekannt ist, wird in der Quelle nicht erläutert. Die Beschwörung selbst besteht im Grund aus ähnlichen, sich mehrmals wiederholenden Phrasen. Schliesslich wird der Geist entlassen, und der Kreis der Beschwörenden gesegnet.

Zur Beschwörung des Geistes wird einerseits mit dem Mittel sogenannter Machtworte gearbeitet. Diese kommen wiederholt vor und sind in der Regel andere Namen für Gott oder Namen verschiedener Engel. Auch sich wiederholende Phrasen wie «Ich beschwere dich, geist Oariel bey dem Richter der lebendigen und der todten Jesu Christi» sind ein zentraler Teil der Beschwörungsformel. Daraus lässt sich schliessen, dass besonders auch einzelnen Worten oder bestimmten Ausdrücken in einer ritualisierten Form grosse Bedeutung und Macht zugeschrieben wurde.

Das wohl wichtigste Element der Beschwörung scheint aber die Androhung von Pein und Folter zu sein, zunächst durch göttliche Mittel: «[…] bey den Ertz Engeln Michael Assiel und Gabriel, die sollen dich Oariel peinigen und quellen so lang, bis du mir erscheinest».6 Ungefähr in der Hälfte der Beschwörung ändert sich dies jedoch, und es wird Folter im Namen des Teufels angedroht. Dazu wird allerdings dem Teufel selbst Marter angedroht, bis er und sein Anhang – also jegliche böse Wesen, die der Teufel anrufen kann – den Geist zum Beschwörer senden.7 Daraus kann man also schliessen, dass in Geisterbeschwörungen der Frühen Neuzeit mit allen Mitteln versucht wurde, den Geist dazu zu bewegen, den Schatz freizugeben. In Fällen von Schatzgräberei wurden oft unerlöste Seelen als Wächter eines Schatzes angenommen, in dieser Quelle ist dies allerdings nicht der Fall. In dieser Beschwörung handelt es sich anstelle von armen Seelen um böse Engel, welche beschworen werden sollen.8

Diese Beschwörung sollte dann so lange wiederholt werden, bis der Geist erschien und den geforderten Schatz vor den Kreis legte. Anschliessend sollte der Geist ordentlich verabschiedet werden, indem man ihm im Namen Gottes Frieden wünschte und schliesslich den Kreis segnete. Hier zeigt sich wiederum, dass sowohl der Anfang wie auch das Ende einer Beschwörung durch Gebete im Namen Gottes erfolgten. Die Beschwörung wird also gewissermassen durch den Bezug zu Gott eingerahmt. Dadurch wird auch eine Art Versöhnung mit allen Parteien der Beschwörung, sowohl Gott wie auch den Geistern, angestrebt.

Abschliessend lässt sich festhalten, dass der zentrale Teil einer Geisterbeschwörung in dem Machtgewinn über einen Geist bestand, durch welchen man sich einen finanziellen Gewinn (in Forme eines wertvollen Schatzes) erhoffte. Dies sollte einerseits durch Machtworte und die rituelle Berufung auf Gott und Jesus geschehen. Andererseits wurden auch konkrete Figuren, wie Erzengel oder der Teufel aufgerufen, den Geist zu peinigen, bis er den Willen der Beschwörer vollzog und seinen Reichtum aufgab.

  1. Mengis, Carl: ‘Geisterbeschwörung, -zitierung’, in: Hoffmann-Krayer, Eduard, Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (3), Sp. 523-526, hier Sp. 523. []
  2. Szarka, Eveline: “How to Conjure Spirits: The Logistics of the Necromancer’s Manual in Early Modern Switzerland,” History of Knowledge, May 14, 2018, https://historyofknowledge.net/2018/05/14/how-to-conjure-spirits/ [Stand: 01.06.2020]. []
  3. Davies, Owen: Grimoires, in: Partridge, Christopher (Hrsg.): The occult world, S. 603-610, hier S. 604. []
  4. StABE Criminal Proceduren B.IX.728/1774, Schatzgräber BeschwörungS. 609-625, hier S. 609. []
  5. Mengis: Geisterbeschwörung, -zitierung, Sp. 524. []
  6. StABE Criminal Proceduren B.IX.728/1774, Schatzgräber Beschwörung, S. 609. []
  7. Ebd., S. 611. []
  8. Dillinger, Johannes: Auf Schatzsuche. Von Grabräubern, Geisterbeschwörern und anderen Jägern verborgener Reichtümer, Freiburg im Breisgau, 2011. hier S. 94. []