Liebeszauber – eine Frauensache?

Von Rachida Meier-Asmeg

Der vorliegende Blogbeitrag soll einen Einblick in die Praktiken von Liebeszaubern in der Frühen Neuzeit geben. Untersucht wurden dafür zwei Quellen mit Liebeszaubersprüchen aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert, welche sich, entgegen der Vorstellung, dass es vorwiegend liebeskranke Frauen waren, die sich Liebeszaubern bedienten, alle an Männer richteten. Im Artikel wird untersucht, ob die heutige Einschätzung über Rollenbilder bezüglich der Anwendung von Liebeszaubern der damaligen Realität entsprach oder ob unser heutiges Verständnis durch Einflüsse aus beispielsweise Geschichte und Literatur verzerrt ist. Der Beitrag richtet sich an alle, die sich für Liebeszauberpraktiken und das damit einhergehende Rollenverständnis im Zusammenhang mit Zauberei interessieren.


Die Liebe ist vermutlich eines der bedeutendsten Themen der Menschheitsgeschichte. Ein unerklärbares und dennoch essentielles Faszinosum, das im historischen Verlauf mit Freude und Leid gleichermassen assoziiert wird. Jede Person, die einmal verliebt war, kennt die wundervollen, manchmal auch schmerzhaften Emotionen, welche die Liebe im Herzen hervorrufen kann. Leider war es früher wie heute nicht immer so, dass der oder die Angebetete dasselbe empfand. Unerwiderte Liebe oder gar Zurückweisung und die damit einhergehende Demütigung können den Selbstwert einer Person stark beeinträchtigen und führen nicht selten Liebeskummer oder gar zur sogenannten Liebeskrankheit.1 Wie ein Blick in die Geschichte zeigt, wurde die emotionale Herzenssache bereits in der Antike pathologisiert, wie Urs Benno Birchler in seinem Artikel Die Rolle der Frau bei der Liebeskrankheit und den Liebestränken erwähnt.2 Um einen geliebten Menschen an sich zu binden, war es daher in der Frühen Neuzeit, in welcher der Glaube an die Effizienz von Zauberei omnipräsent war, naheliegend, die Gunst der begehrten Person mittels eines Liebeszaubers zu erlangen.

Doch wie sieht es mit dem Geschlecht aus? Das Bild des weiblichen Liebeszaubers findet sich bereits seit der Antike und zog sich gemäss Birchler bis in die Frühe Neuzeit hinein.3 Auch andere Beiträge, wie beispielsweise Daniela Hacke’s Untersuchung zu venezianischem Liebeszauber im 16. Jahrhundert implizieren, dass Liebeszauber in der Frühen Neuzeit eine Frauensache gewesen zu sein scheint.4 Die exemplarisch untersuchten Rituale, welche vermutlich im 17. und 18. Jahrhundert entstanden sind und praktiziert wurden,5 sprechen aber eine andere Sprache. Sie implizieren ausnahmslos, dass die Liebeszauber von Männern ausgeführt wurden, um die Liebe einer Frau zu gewinnen. Diesem Umstand soll im vorliegenden Beitrag nachgegangen werden. Dabei steht die Fragestellung im Zentrum: Welche Rolle nimmt das Geschlecht im Zusammenhang mit Liebeszaubern ein? Nachfolgend werden dafür zuerst die Praktiken und die Funktionsweise dieser Zauber in den Blick genommen und anschliessend die Rolle der Geschlechter diskutiert.

Beim Liebeszauber handelt es sich um eine Art der Beschwörung, durch welche der Wille einer anderen Person beeinflusst und gebeugt werden soll.6 Er kann also als performativer Vorgang verstanden werden, mit welchem das Ziel verfolgt wird, mittels ritual-magischer Praktiken die Liebe einer anderen Person zu erzwingen.7 Dabei würden, so Birchler, unter anderem unterschiedliche, persönliche, nach damaligem Glauben zaubermächtige Körpersubstanzen und -Flüssigkeiten wie beispielsweise Schweiss, Haare, Kot, Urin, Fingernägel, (Menstruations-)Blut, Sperma usw. eingesetzt,8 wie auch die folgenden zwei Quellenbeispiele exemplarisch zeigen:

«Nimm ein muscatnus, und schlük sie gantz, und
wann sie wieder von dir geht, so wäsch sie suber
und trag sie 24. stund under dem linken armm,
dass der schweyss darvon komt, mach viel löcher da-
rein, dass der schweiss darin kommt, so wirt sie
braun, darnach nimm 3. tröpf bluot, von deiner
rechten hand, auss an einem den kleinsten finger,
thu es darein und lass troknen, und schab davon
gieb ims zu essen oder zu trinken ist bewert.»9

Das zweite Beispiel erwähnt ebenfalls einige, für das Ritual benötigte, Körperflüssigkeiten. Dieser Liebeszauber wurde jedoch zusätzlich mittels eines abschliessenden Zauberspruches artikuliert respektive aufgeschrieben, welcher möglicherweise dazu diente, das Ritual zu aktiveren bzw. dessen Wirkmächtigkeit zu unterstützen10:

«So nimm blut von deinem, auss an einen den kleinen
finger, und darmit auff ein haslig stäklein dass
in einem jahr gewachsen ist, und rühr eine an
blose haut dar mit an, so wird sie dich lieben
dis seind die wort
Capey, Jewda Arexa, Absera, Rusa
Hanem xt Jabutea.»11

Die in den Beispielen verwendeten rituellen Materialien, welche partiell auch in weiteren Quellen zu finden sind, lassen darauf schliessen, dass die persönlichen Ritual-Objekte respektive Köperflüssigkeiten unerlässlich waren, das Herz der Angebeteten zu gewinnen. So finden sich in den untersuchten Zaubersprüchen, wie erwähnt, spezifische Hinweise auf die Verwendung von Körpersäften wie Blut des kleinen (rechten) Fingers des Beschwörers, Haare der Angebeteten oder des Beschwörers sowie Schweiss. Hinzu kommt die Verwendung von Gegenständen aus der Natur wie Haselzweige, Wasser oder Gewürze (Muskatnuss) aber auch Alltagsgegenstände wie Nadeln und Hufnägel.12 Sie zeigen auf, dass die Menschen glaubten, dass der Herzenswunsch mittels eines Rituales, welches im Mikrokosmos in Form einer Beschwörung ausgeführt wurde, sich im Makrokosmos beziehungsweise in der realen Lebenswelt manifestieren liesse. Es bestand also eine Analogie zwischen Zauberpraktiken und Ritualen sowie der Erfüllung persönlicher Wünsche durch die Anwendung von Liebeszaubern. Jemandem etwas von sich selbst (z.B. getränkt oder eingerieben mit eigenem Schweiss, Blut oder Kot) zu oktroyieren, welches die Person dann isst oder trinkt oder das zumindest in der Nähe der begehrten Person platziert wurde,13 schien ein beliebtes Mittel in Liebeszauberpraktiken gewesen zu sein. So erwähnt auch Bichler in diesem Kontext:

«Nebst sexuell stimulierenden Substanzen wurden dazu meist auf magischen Vorstellungen beruhende Mittel verwendet. […] Was hier besonders interessiert, ist die auffallend häufige Verwendung von Substanzen, die im Zusammenhang mit der Frau stehen, so das Menstrualblut, Schleim, Kot der Geliebten, Teile von Nachgeburten und Nabelschnüre.»14

Nach heutigem Empfinden mögen die ausgeführten Praktiken ekelhaft erscheinen, in jener Zeit aber, als alle Menschen an die Wirksamkeit der Zauberei glaubten, waren es eben diese Körpersubstanzen, die das persönlichste und individuellste Gut eines Menschen darstellten und es ist vorstellbar, dass diese aus genanntem Grund als wirkungsvolle Methode für erfolgreiche Liebe erachtet wurden. Die untersuchten Quellen, welche nur einen kleinen Ausschnitt der damaligen Lebenswirklichkeit erahnen lassen, zeigen, dass sich beide Zauberanleitungen an Männer richten, welche eine Frau erobern wollten. Birchler untermauert diese Feststellung, zumindest in Bezug auf die Liebeskrankheit, in ähnlicher Weise, indem er schreibt: «Bis in die Aufklärung blieb die Liebeskrankheit ein geschlechtsunspezifisches Leiden, und nach den überlieferten Fällen scheinen die Männer sogar häufiger davon befallen worden zu sein.15

Aufgrund der Erkenntnisse der vorliegenden Analyse können bezüglich der einleitenden Fragestellung folgende Schlüsse gezogen werden: In den untersuchten Arznei- und Rezeptbüchern werden hauptsächlich Männer angesprochen, welche die Gunst einer Frau gewinnen möchten. Abschliessend kann an dieser Stelle gesagt werden, dass die Liebe ein Mysterium war und ist, für welche es kein Mittel, kein Kraut und keinen Zauber(-spruch) gibt und Erforschung die Menschen und die Wissenschaft wohl noch lange Zeit beschäftigen wird.

  1. Vgl. Degen, Rolf: Psychologen erforschen die unerwiderte Liebe, in: Die Welt, 28.02.1996, online: <https://www.welt.de/print-welt/article653322/Psychologen-erforschen-die-unerwiderte-Liebe.html> [Stand: 26.05.2020]. []
  2. Vgl. Birchler, Urs Benno: Die Rolle der Frau bei der Liebeskrankheit und den Liebestränken, in: Sudhoffs Archiv 59 (1975), S. 311-320. []
  3. Vgl. Birchler: Die Rolle der Frau, S. 316. []
  4. Vgl. Hacke, Daniela: Aus Liebe und aus Not: Eine Geschichte des Gefühls anhand frühneuzeitlicher Liebeszauberprozesse in Venedig, in: Zeitschrift für Historische Forschung 29/3 (2002), S. 359-382, hier S. 362. []
  5. Vgl. StaBE, DQ 688, Nr. 3, Dass dier ein Weybs bild lieb wärdi und Nr. 109, Ein anders, 17. Jhd.(?). []
  6. Vgl. Schusser, Marianne: Art. ‘Beschwörung, beschwören’, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 1 (1927), hier S. 1109f. []
  7. Vgl. Haubrichs, Wolfgang: Art. ‘Zauberspruch’, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 3 (2007), S. 874-877. []
  8. Vgl. Birchler: Rolle der Frau, S. 313 und 317. []
  9. StABE, DQ 688, Nr. 109. []
  10. Vgl. Hacke: Aus Liebe und aus Not, S. 363f. []
  11. StaBE, DQ 688, Nr. 3. []
  12. StaBE N Rubi 90, Ein anders, S. 87. []
  13. Ebd., Liebe, S. 86. []
  14. Vgl. Bichler: Rolle der Frau, S. 317. []
  15. Vgl. ebd., S. 312. []