Tres Amigos: Mexican Bar and Restaurant

Tres Amigos: Mexican Bar and Restaurant

amarchinicamia 17. Dezember 2019

Heute Abend gehe ich ins Tres Amigos in Oerlikon. Da war ich noch nie. Ich überlege was mich in diesem mexikanischen Restaurant neben dem Oerliker Bahnhof erwartet. Ich stelle mir einen überbelichteten, leeren Raum vor, in welchen laut Reggaeton läuft und die Servierangestellten hinter dem Tresen gelangweilt auf ihrem Smartphone herumtippen. Das Speiseangebot stelle ich mir als Verwestlichung mexikanischer Küche vor: überteuerte Nachos, Cocktails mit bunten Schirmchen und viele Varianten ähnlicher Fajitas. Viel mehr fällt mir nicht ein. Warum gibt es das Tres Amigos Mexican Bar & Restaurant in Oerlikon? Ich mache mich vorweg im Internet schlau. 

Tres Amigos - Anna Marchini Camia - UZH 8

An der Sonne von Mexiko

Auf der mexikanisch-inszenierten Webseite wirbt Tres Amigos mit «Willkommen an der Sonne von Mexiko» für seine Kulinarik. Tres Amigos ist eine Restaurantkette mit sechs Standorten in der Schweiz: Oerlikon, Dübendorf, Winterthur, Roggwil, Chur und St. Gallen. Ich vergleiche die Bildergalerien der einzelnen Standorte. Ausser der dunklen Bestuhlung und den Dekorationen mit Mexiko-Touch, könnten die Lokale nicht unterschiedlicher aussehen. In Roggwil speist man in einem Chalet, in Chur in einer Brassierie im Pariser Look und in St. Gallen erinnert das Restaurant an ein umgebautes Hammam. Das Oerliker Lokal löst auf den ersten Blick am wenigsten Verwirrung aus. Neben einem Link zu Instagram, dem Reservationstool und dem Gutscheinshop finde ich weiter wenig Interessantes auf tresamigos.ch. Zurück zu Google: Tres Amigos’ Standort Oerlikon hat 3.9 Bewertungssterne und 963 Google-Rezensionen. Trotz der mittelmässigen Bewertung, wird es anhand der vielen Rezensionen wohl doch nicht so leer sein, wie zunächst angenommen. Die Bewertungen gehen von liebevollen Lobreden der Gäste («Das beste Restaurant der Schweiz!») bis zu Entrüstungen bezüglich der Quesadilla, die « […] für etwas Zwiebel und Peperoni und Käse in einem Teig ganz schön teuer» sei. (CHF 22.50) 

Tres Amigos Zuerich-Oerlikon - Anna Marchini Camia - UZH 4
Tres Amigos - Anna Marchini Camia - UZH 3

Rezensionen auf Google
(30. 10. 2019)

«Hat nicht mal das M von Mexikanisch»

Milos, vor 4 Monaten

«Das Essen war mal viel besser, grössere Crevetten, mehr gewürzt, warmes Bier. Personal ist toll.»

Tiago, vor 4 Monaten

«Meeega fein und die Margaritas einfach köstlich»

Mile, vor 3 Monaten

«gestern waren meine Freundin und ich da essen. Leider ist das Essen mehr schweizerisch als mexikanisch. Der Preis ist gewagt. Wir fühlten uns nicht wie in Mexiko aber im Ganzen war es in Ordnung. Da könnte man einiges ins Bessere umwandeln. Das Personal war freundlich.» (vor 1 Woche)

Gian, vor einer Woche

«Ksthastrophe es kann nicht sein das gleich 3 Essen schlecht waren Dosenfrass Fladenbrot wie Pappe kalt und trocken Gemüse aus der Büchse und das auch sehr alt Hamburger trockenes Brot Fleisch alt und  Sousen keine Spur von Mexikanisch  nicht zum empfehlen  kein Fan von Mc aber 10 mal besser »

Pamela, vor 3 Jahren

«Sehr feine spanische Köstlichkeiten»

Jolanda, vor 2 Wochen

«Ich war heute zum erstenmal im Tres Amigos…und kann nur gutes Berichten… Empfang …Service…und das Essen ist vom feinsten….Alles läuft Tip Top….ausser das die Bestuhlung sehr eng ist und optimiert werden muss gibt es keinerlei Beschwerden meinerseits…auch das stille Örtchen ist Tip Top!!» (vor 1 Jahr)

Thai Godi, vor 1 Jahr

Nach dem Lesen der Rezensionen bin ich nicht informierter, sondern planlos. Viele loben das freundliche Personal, sonst sehe ich auf den Blick wenig Übereinstimmungen. Spanische Köstlichkeiten, alte Hamburger, gemütliches Fumoir und exzellente Rindsmedaillons? Auch wenn ich selbst nur eine naive Vorstellung authentischer mexikanischer Küche habe, decken sich diese Schilderung nicht mal mit meinem Verständnis eines Tex-Mex-Restaurants in einem Zürcher Vorort. Auch die äusserst unterschiedlichen Auffassungen der Gäste übers Tres Amigos lassen mich stutzig zurück. Haben die Oerliker Gäste zu hohe oder keine Ansprüche an ihre Auswärtsverpflegung? Warum gehen ihre Vorstellungen eines guten Restaurantbesuches so weit auseinander? Verwirrt packe ich meine Unisachen an der Affolternstrasse zusammen und laufe unter dem Bahnhof hindurch, hin zum Oerlikerplatz, wo meine heutige Abendbegleitung rauchend auf mich wartet. 

Mona kennt das Tres Amigos. Zwar nicht aus Oerlikon, aber aus der Ostschweiz. In der Chalet-Version von Tres Amigos soll es immer sehr voll sein. Die Jugend aus Roggwil trifft sich dort auf Vodka-Redbull, bis spät plaudernd trinken Stammgäste ihre Biere und abendliche Familienausflüge füllen den Laden. Überzeugt vom kulinarischen Angebot ist Mona nicht. Selten habe sie einen so lieblosen Burrito gegessen. Da sie aber durchaus einen Unterhaltungsfaktor in spontanen Restaurantbesuchen sieht, begleitet sie mich heute Abend gerne.

Das ABC der Mexikanischen Küche

Das Restaurant hat unnötigerweise herausgestuhlt. Der Vorplatz ist leer, doch durch die Scheiben wirkt das Treiben im Tres Amigos sehr belebt. Am Eingang laufe ich beinahe in ein Rivella-Schild rein, welches auf das Kafi+Gipfeli-Angebot aufmerksam macht: Nur vier Franken vierzig. Die automatische Glastüre öffnet sich und wir treten ein. Das Restaurant ist gross, dunkel, farbig dekoriert, laut und voll. Eine blonde Kellnerin begrüsst uns mit einem Lächeln. Da ich es wegen meiner Voreingenommenheit nicht für nötig hielt eine Reservation zu machen, sind nur noch zwei Stühle an einem besetzten Tisch frei. Wir drängen uns durch die mit Jacken belegten Stuhllehnen und setzen uns neben unsere Tischnachbarn – eine Gruppe junger Männer mit Anzügen. Neben drei Margaritakrügen, reihen sich halb gegessene Teller mit Käse- und Nachoresten aneinander. Die Männer sind in eine laute Diskussion verwickelt. Eine junge Kellnerin mit Pferdeschwanz fragt uns schreiend und doch herzlich was wir denn trinken möchten. Wir entscheiden uns für ein grosses Bier, mit der Absicht den Margaritakrug auf später zu verschieben. 

Wir bekommen die Speisekarte. El Menu ist ein zweiseitig bedrucktes Holzbrett, welches durch seine Grösse sehr schwer zu halten, geschweige denn zu drehen ist. Fajitas, Enchiladas, Burritos, Quesadillas, eine Tex-Mex-Ecke und die Liste mit traditionellen Gerichten. Weder Mona noch ich sind Mexiko- oder Tex-Mex-Spezialisten und schauen deswegen ins abgebildete ABC der mexikanischen Küche. Da wir aber trotzdem wissen, was Jalapeños oder Avocados sind, hilft uns das ABC bei unserer Speiseauswahl nicht weiter. Denn alle Hauptgerichte sind ähnlich beschrieben. Tortilla im Ofen, Tortilla durch Chilisauce gezogen, Tortilla in heisser Pfanne und Tortilla mit Fleisch. Ausserdem ernähren wir uns beide vegetarisch. Unsere Auswahl fällt also trivial aus: vier Varianten Tortillas mit mexikanischem Mischgemüse. Mona ist dem Mischgemüse gegenüber  skeptisch eingestellt und entscheidet sich daher für die vegetarischen Nachos – Tortillachips mit Käse für fast zwanzig Franken. Ich bestelle die Quesadilla, eine der Tortillas mit dem mexikanischen Mischgemüse.

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Als wir auf unser Essen warten, beobachte ich die Gäste. Ich sehe viele Paare, viele Männergruppen und einige Familien. Ich kann kein Muster bestimmter Gasttypen erkennen und alle scheinen sich zu amüsieren. Gut. Sobald Mona und ich den obligatorischen Gossip über unser Umfeld ausgetauscht haben, analysieren wir die sehr bunte Getränkekarte. Auf der Vorderseite sieht man die Collage eines Cocktails in Kaktusform und auch die Innenseite ist sehr bunt gestaltet. Neben weiteren Cocktail- und Papageiencollagen in verpixelter Auflösung kann man sich durch ein grosses Getränkeangbot lesen. Weine aus Mexiko, Chile und Spanien, Cocktails à la Pina Colada und das erwartete Corona-Bier. Auffallend sind die Hinweise auf die Margaritakaraffen.

Tres Amigos - Anna Marchini Camia - UZH 9

Da an der Margarita anscheinend «kein Weg vorbeiführt», fragen wir wie empfohlen nach dem Tageshit. Mona bestellt eine kleine Tageshit-Karaffe mit Passionsfrucht-Erdbeer-Geschmack.

Die Kellnerin mit Pferdeschwanz bringt uns zwei enorme Portionen. Mein Quesadilla-Teller sieht aus wie ein Gesicht. Die gefaltete Tortilla lacht mich an, die Schälchen mit Guacamole und Bohnen beobachten mich freundlich. Das Salatbouquet am Tellerrand ähnelt einer Punkfrisur, die tief in die Stirn meines Tellergesichtes fällt. Monas Nachos sind weniger süss und erinnern sie visuell an Erbrochenes. Im Gegensatz zu meinem Tortilla-Smiley schmecken uns Monas Nachos sehr. Wir teilen uns die Nachos und lassen etwas beschämt meinen Quesadilla-Teller fast voll zurück. Wir bekommen unsere Margarita-Karaffe. Leider fehlt die erwartete Salzmischung am Glasrand, aber vielleicht ist dies nur bei der klassischen Zitronen-Margarita Tradition. Unsere rosa Margarita ist wunderbar geschmeidig und schmeckt ausgezeichnet. Um neun Uhr leert sich das Restaurant plötzlich. Die einzigen Gäste neben uns sind eine Gruppe lateinamerikanischer Herren mit Bier und drei Jungs mit den Schirmchen-Cocktails. Wir beschliessen unseren Resten Margarita im angeschlossenen Fumoir mit Bar auszutrinken. Die Musik ist noch lauter und das Licht noch schummeriger als im Restaurantbereich. Ich setze mich auf einen Barstuhl, da die wenigen Sitzplätze an den Tischen alle besetzt sind. Eine Mutter und ihre Tochter essen und rauchen. Die Tochter hat die lila Dekoblume aus ihrem Nacho-Teller ins Haar gesteckt. Das Paar am Nebentisch trinkt auch die Schirmchen-Cocktails, zwei Männer ohne Begleitung sitzen am Tresen und ein weiterer mit Weizenbier schaut auf sein iPad. Wir beobachten die Gäste noch eine Weile, bis unsere Margarita leer ist, und bestellen dann die Rechnung. Wir zahlen sechsundachzig Franken plus 10 % Trinkgeld mit der Karte und beenden unseren Abend im Tres Amigos in Oerlikon. 

Bevor wir rauslaufen, frage ich die sympathische Kellnerin mit Pferdeschwanz, ob sie sich irgendwann die Zeit nehmen möchte, mir im Rahmen eines Forschungsprojektes ein paar Fragen zu beantworten oder lustige Geschichten zum Tres Amigos zu erzählen. Sie findet meine Bitte sehr amüsant und versteht nun, wieso ich den ganzen Abend das Lokal fotografiert habe. Sie meint, sie sei zur Zeit sehr beschäftigt, aber willigt ein, die Fragen via Mail zu beantworten. 

Mail mit Pia

(5. November 2019/11:37)

Liebe Pia*. 

Du bist Kellnerin im mexikanischen Restaurant Tres Amigos in Oerlikon. 

Du meintest, ich dürfe Dir ein paar Fragen bezüglich Deiner Arbeit im Tres Amigos stellen. 

Hoffe die Fragen sind verständlich und grosses Danke im Voraus für Deine Zeit!

Anna: Wie lange arbeitest Du schon dort, aber vor allem, wieso hast Du Dich gerade bei Tres Amigos beworben?

PIA: Ich habe am 1. Juli 2019 im Tres Amigos in Oerlikon angefangen. Ich brauchte einen Job über den Sommer und wenn möglich mit kleinem Pensum, auch während dem Semester. Die Stelle war ausgeschrieben und das Angebot ganz okay. Da ich in Schwamendingen wohnhaft bin, bin ich zu den späten Arbeitszeiten nicht auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen und haben einen kurzen Weg. Auch spreche ich gerne Spanisch und ein mexikanisches Resti ist, wie sich herausgestellt hat, gut um die Sprache regelmässig zu nutzen, da wir mehrmals am Abend spanisch sprechende Gäste bedienen. Eine Kollegin von mir arbeitet auch schon dort und meinte Serviceangestellte im Tres Amigos wäre eine guter Nebenjob für eine Studentin wie mich.

Anna: Welches ist Dein Lieblingsgericht auf der Menukarte und würdest Du auch ausserhalb Deiner Arbeitszeit dort essen? Wenn ja oder wenn nein, warum?

PIA: Fajita Tres Amigos oder Nachos Gigantes (extra Käse). Finde ich sehr lecker und füllt. Ausserhalb der Arbeitszeit würde ich aber die Fajitas nicht essen, da Fajitas etwas sind, was ich auch Zuhause zubereiten kann. Es macht viel mehr Spass und ist auch viel billiger. Vieles habe ich selbst gar noch nicht probiert, da ich eigentlich nie dort esse. Ich beginne meine Schichten immer verpflegt und Esspausen machen wir während den Schichten nicht.

Anna: Wie würdest Du die Atmosphäre im Lokal beschreiben?

PIA: Offen, gelassen, bisschen mexikanischer Latino Style (Reggaeton, Salsa und Bachata läuft 24/7 & mexikanische Deko). Trotzdem aber etwas «eng», wobei ich nicht weiss, wie das die Atmosphäre beeinträchtigt. Die Tische sind nah beieinander, Gäste haben nicht allzu viel Privatsphäre, sobald der Tischnachbar sich setzt.

Anna: Gibt es besondere Gasttypen oder spezifische Stammgäste?

PIA: Da sich das Theater 11, wie auch das Hallenstadion in unmittelbarer Nähe befinden, haben wir je nach Konzert oder Event viele Gäste, die später noch dorthin gehen (oder nachher noch einmal vorbei schauen). Beispielsweise fand vor einem Monat eine Gameshow statt, was besonders auffiel, denn unter unseren Gästen waren viele «verkleidete Freaks». Oft haben wir auch Gäste aus dem nahegelegenen Swissotel. Das Alter unserer Kundschaft bewegt sich meist zwischen 15 und 60 Jahre. Natürlich haben wir auch Oerliker Stammgäste. Eine Frau, die mehrere Abende in der Woche ihren Malbec trinken kommt – verweilt ungefähr vier Stunden bei uns und das jedes Mal mit einem anderen Mann. Häufig sind es aus Pärchen, die uns regelmässig besuchen. So richtige Stammgäste haben wir vor allem in der Bar/Fumoir. Meist ältere Männer, die ihren Wein oder ein Bier trinken und das Geschehen beobachten. Es kommen auch immer wieder die selben Zuhälter aus der Gegend im Tres Amigos essen.

Anna: Kannst Du mir eine lustige Anekdote oder ein Ritual eines Gasts erzählen?

PIA: Ein älterer Herr kommt immer um sechs Uhr abends seine «lauwarmi Schoggi» trinken und hat den Füüfliber schon vor der Bestellung bereit. Donnerstag- und Freitagabend treffen sich immer eine halbe Stunde vor Schluss (! – wir sind am aufräumen und wollen gehen) eine Gruppe 55 bis 60-jähriger, die alle immer dasselbe bestellen. Schoggi, Stange, Cola und Mineral ohne Eis (mit Limette). Sie sitzen dann dort und diskutieren in der grössten Lautstärke (ich höre sie bis hinten) über Gott und die Welt. Lustig ist besonders der absolut starke Schwyzer Akzent, der sich so anhört, wie wenn wir unter Freunden zum Spass extra starkes Schwyzerdütsch sprechen, weil wir uns gegenseitig auf den Arm nehmen wollen. Wenn Emil kommt, trinkt er immer eine Flasche Rotwein alleine, ohne etwas dazu. Wenn er bezahlt, gibt er dem der ihn bedient etwas Trinkgeld, allen anderen Serviceangestellten gibt er beim Tschüss sagen aber viel mehr Trinkgeld.

Danke liebe Pia*!

Das war lustig und aufschlussreich.

* Name von der Autorin geändert.

Obwohl mich das Tres Amigos – abgesehen von der Wahnsinnsmargarita – kulinarisch nicht überzeugt hat, begreife ich durchaus, warum es existiert. Die Bedienung ist warmherzig, die Atmosphäre angenehm belebt. Wenn man sich auf die Tatsache einlassen kann, keine authentische Küche aus Mexiko serviert zu bekommen und sich nicht an dem mexikanisch-inszenierten Dekor im Kontrast zu den Gipfeli-Angeboten aufregt, kann man im Tres Amigos durchaus eine unterhaltende und entspannte Zeit verbringen. Ich sehe das Tres Amigos in Oerlikon als einen Ort, an dem man in eine exotische und doch schweiznahe Welt eintauchen kann und für einen kurzen Moment dem Alltag eines grauen Zürcher Vororts entfliehen kann.

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