Oerlikons Bierherz: S.ip’s Pub

Oerlikons Bierherz: S.ip’s Pub

zrohr 7. Dezember 2019

Verortung

Zürich Oerlikon ist im Aufschwung. Beim aufmerksamen Gang durch den Kreis 10 fällt die Gentrifizierung beziehungsweise die Aufwertung auf, die auch schon die Aussenquartiere von Zürich erreicht hat. Doch anders als in den Quartieren im Stadtkern, ist die Verdrängung noch nicht so stark fortgeschritten. Diese Mischung aus Restaurant-Ketten, wie beispielsweise das Vapiano oder Santa Lucia und die kleinen Imbissbuden östlicher Kulturen, gibt Oerlikon einen gewissen Charme. Neu trifft alt und schick trifft dreckig. Spannend zu betrachten ist unter anderem, dass der Bahnhof als Zentrum und als Trennstrich agiert. Neu Oerlikon, auf der westlichen Seite des Bahnhofes, steht für Innovation, Industrie und Arbeitsplatz. Immer mehr Firmen siedeln hier an. Hier ist das Quartier eher funktional und leer. Alt-Oerlikon, dessen eigenes Zentrum der Markplatz ist, mit seinem Bodenschach, lädt hingen zum Verweilen ein. Hier trifft sich jung und alt, zugezogene und alteingessene Bewohner*innen. Hier wuseln immer wieder Menschen umher, Menschen, die einkaufen und dabei auf Bekannte treffen, Menschen, die zur Tram hasten, Spaziergänger*innen und Menschen, die sich einfach so auf dem Platz aufhalten. Alt-Oerlikon stellt eine Einkaufalternative zur Zürcher Bahnhofstrasse dar. Von H&M, C&A und Co. bis hin zu Migros Micasa, Restaurants und Imbissen ist alles vorhanden. Den Tag über ereignet sich jedoch mehr. Abgesehen von einigen Nachtschwärmer*innen und Jugendlichen, die sich diese urbanen Räume zum Treffpunkt machen, markieren die abendliche «Rushhour» und das Feierabendpendlertum die Sperrstunde von Alt-Oerlikon. Die Nacht in Oerlikon ist ruhig. Nur der Bahnhof, welcher unter anderem auch Schnittstelle zum Flughafen Zürich ist, ist immer noch belebt und hell. 

Unter jenen Bahngleisen, welche neu und alt, lebendig und kalt verbinden, befindet sich das «S.ip’s Pub». Knapp ist es noch auf der lebendigen Seite. 

Um das «S.ip’s» zu bemerkten, braucht es ein wenig Anstrengung. Der Eingang ist im Parterre einer einfache Hausfassade vor einem ungenutzten Parkplatz. Alles sehr unauffällig. Ich persönlich hätte diesen Pub ohne das forschende Auge nie bemerkt. Natürlich spielt hier mit ein, dass ich als sogenannte «Studentenpendlerin», meinen Aufenthalt in Oerlikon immer so kurz wie möglich halte. Bewusst habe ich mich nie mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, den Feierabend in Oerlikon zu verbringen. Es trieb mich immer zurück in die glänzenden Lichter der Stadt. 

Das «S.ip’s» wirkt von aussen schon wie aus einer anderen Welt: Es fehlt nur noch eine selbstbedienbare Tankstelle auf dem Parkplatz und es könnte sich in den grossen industriell geprägten Agglormerationsgegenden befinden. Da die Fenster auch abgedunkelt und aus Milchglas bestehen, ist der*die Betrachter*in sich nicht einmal sicher, ob das Pub geöffnet ist. Es könnt auch einfach leer stehen. Die einzige Andeutung, dass dies ein lebendiger Ort ist, sind die vereinzelten Raucher*innen, welche sich vor dem Pub aufhalten. 

Das Lokal

Betreten die Gäste das Lokal, welches warm, heimelig und dunkel ist, finden sie sich in einem Raum wieder, welcher auf Schweizerdeutsch als «Spunte» oder «Chnelle» bezeichnet werden könnte, mit einem Englischen also Pub ähnlichen Flair. Das Gesamtinventar, sogar der Tresen, scheint aus dunkelbraunem Holz zu sein. Das Pub öffnet um vier Uhr nachmittags: In den ersten Stunden ist das Pub eher leer, Einzelpersonen sitzen an den Tresen und sprechen beim Feierabendbier mit den Barkeeper*innen, andere setzen sich an die kleineren Tische und lesen die Tageszeitung. Auch vereinzelte Gruppen sind anzutreffen, die bei einem vermeidlichen Feierabendbier zusammensitzen. Spannend ist zu betrachten, dass das Publikum so wie auch die Mitarbeitenden, diverser sind als erwartet. Natürlich, so erfuhr ich auch in meinem Interview, gibt es die Tendenz, dass das «S.ip’s Pub» leicht männlich dominiert ist, aber nicht in einer so klaren Mehrheit wie es vielleicht zu erwarten wäre. Auch als Neuankömmlinge würden wir lügen, wenn wir behaupten würden, uns nicht wohl zu fühlen. Es fühlt sich so an, wie wenn hier alle willkommen sind. Auch die Diversität der Menschen, unabhängig von Geschlecht, ist vorhanden, so trifft Aktenkoffer auf Arbeitshose. Das Einzige, welches diese Menschen verbindet, ist vielleicht die Tendenz, dass das Hauptklientel hier Bier trinkt. Im Interview erfahre ich aber auch, dass auch nicht Bierliebhaber*innen auf ihre Kosten kommen.

 Der Ausschankraum ist in verschiede Bereiche unterteilt: Beim Eingang links befindet sich ein – gewissermassen in der «Spieleecke» – Tischfussballtisch und eine Dartscheibe. In diesem Bereich der Bar sind nur einige Hocker vorhanden, welche hauptsächlich am Tresen stehen. Der Tresen formt somit vom Eingang betrachtet aus ein spiegelverkehrtes «L», welches auf der rechten Seite (vom Eingang her) nach hinten verläuft. Diese Seite hingegen ist von verschieden grossen Tischen, runden wie auch eckigen, geprägt. Rechts neben der Eingangstüre sind einige Tische auf einer Art kleinen Bühne drapiert. Diese Bühne ist von einer Art hölzernem Zaun umgeben, welcher nur in der Mitte der dreieckigen Bühne unterbrochen wird, dort wo auch eine 2-stufige Treppe den Anstieg vereinfacht. Dieser Teil der Bar könnte  ferner an eine Gartenterrasse erinnern. Neben der Terassenbühne sind neben Tischen mit hölzernen Stühlen – die, so erfahre ich, im Interview nicht mehr im allerbesten Zustand sind – zum anderen Barhocker am Tresen bestuhlt. Der Tresen, welcher auch aus Holz ist, ist oben vollgestopft mit sämtlichen Spirituosen, die das Herz begehrt. Diese Holzgestelle, welche von schön verarbeiteten Holzsäulen getragen werden, kreieren so ein «Guckloch Ambiente», durch welches mit den Baarkeeper*innen kommuniziert wird. Hinter den Tresen sind Kühlschränke sowie Zapfhähne angebracht, welche widerspiegeln wie breit das hier angebotene Sortiment an Bieren ist. Das Sortiment erschliesst sich vor allem aus der romantischen Vorstellung von Pubs: Craftbiere und grossbritannische Biere dominieren, jedoch findet hier auch Schweizer*innen, ihre Möglichkeit ihr altbewährtes «Feldschlössli» zu konsumieren. Hinter dem Tresen ist noch eine Tür zu sehen, hinter der sich eine vermeintliche Küche verbirgt. Diese These lässt sich aufstellen, da sich durch einen kurzen Blick, wenn sich die Tür öffnet,  ein Raum eröffnet, der gänzlich aus Chromstahl zu bestehen scheint. Es riecht weder nach Essen, noch sind Küchengeräusche zu hören. Es lässt sich die Vermutung aufstellen, dass der durchschnittliche Gast hier eher flüssig als fest konsumiert. Auch findet sich keine Essenskarte, erst im Internet wird das Essensangebot erwähnt: Es beschränkt sich auf aus dem Fastfoodsektor bekannte Kleinigkeiten wie «Fish and Chips», Pommes, Burgers und Frühlingsrollen. Es wirkt als seien die Snacks eher für e hungrige Betrunkene gemacht. Ramon, mein Interviewpartner, erzählt mir noch, dass man den Inhaber darum beten muss, einem einen Snack zuzubereiten. So liesse sich die steile These aufstellen, dass das Menu mehr nur pro forma im Internet augeführt wird und sicherlich nicht zu den Haupteinnahmequellen des Pubs gehört. Im hinteren Teil befindet sich die Lounge. Auch sie ist wieder wie ein Podest erhört und eingezäunt. Die Lounge erinnert an das Wohnzimmer einer alten Frau. Die Wände sind mit einem Sammelsurium an eingerammten Bildern bestückt. Dies ist auch der Ort, an welchem, so erfahre ich im Interview, immer wieder Leute einschlafen: 

«also sobald man länger sitzen bleibt, irgendwo hinten schläft sicher früher oder später jemand. (…) Also das gibt es eigentlich immer. Das ist eigentlich Standard, die Schlafmütze.»

Um das «S.ip’s Feeling», also das Ambiente des Pubs zu beschreiben, macht es sicherlich Sinn zu erzählen, welche Menschengruppe hier sicherlich anzutreffen ist. Mein Interviewpartner und Stammgast des «S.ip’s» ist über seine Musikgruppe auf den Pub gestossen. Die Jugendmusikgruppe 11, trifft sich jeden Freitag nach der Probe hier, aber auch die Ehemaligen gesellen sich öfter mal dazu. Durch das Interview wurde mir das Gefühl vermittelt, dass am Freitag die Kneipe somit von Musiker*innen dominiert wird. Es ist aber auch zu betrachten, dass es ein Grossteil der (ehemaligen) Jugendlichen aus Oerlikon und Umgebung immer mal wieder ins «S.ip’s» verschlägt. So erzählt mir Roman, dass er immer wieder auf ehemalige Schul-, Sport- oder Quartierkamarad*innen trifft. Auch dies bewegt ihn persönlich dazu, das «S.ip’s» als seine Stammbar zu behalten, obwohl er in der Zwischenzeit nach Winterthur gezogen ist. 

Zu diesen alteingesessenen Stammgästen kommen eine Vielzahl von verschieden Gruppen hinzu, welche das «S.ip’s» für ihr Feierabendbier aufsuchen. 

Nach jeden ZSC Match machen auch die Fans des ZSC einen Grossteil der Klientel aus, was sich auch wunderbar auf den Toiletten zeigt.

(Die Männertoilette)

Meinem Interviewpartner war es jedoch im Bezug auf die Toilette wichtig, Folgendes zu erwähnen:

«Man darf keine Angst haben vor dem WC. Manchmal ist es vielleicht sogar besser, wenn man sich nicht im Spiegel anschauen kann.»

Für welches Klientel ist also das «S.ip’s» zu empfehlen?

Ich denke, wie schon erwähnt, dass sie alle hier wohl fühlen können. Wer sich jedoch im gerne in modern glänzenden und schicken Ambiente aufhält, muss sicherlich die Erwartung herunterkurbeln, um im «S.ip’s» entspannen zu können. Alle, die sich jedoch nach einem friedlichen Ort sehnen, in welchem mit Freund*innen in Ruhe ein Bier getrunken und über (keinen) Gott und die Welt diskutiert werden kann, wird in diesem Pub fündig. Vor allem Personen, welche gerne Kneipen-Spiele wie Tischfussball oder Dart spielen, sollten sich das «S.ip’s» einmal genauer ansehen. Im Gegensatz zu Bars im Stadtzentrum, welche oft überfüllt sind,  wo die Tischfussballtische rar sind und die Anzahl Gegner*innen gross, ist hier die Chance, einen freien Tischfussballtisch zu finden, gross. Das bedeutet allerdings nicht, dass keine Gegner*innen warten.

Preislich liegt das «S.ip’s» sicherlich im unteren Durchschnitt, das grosse «Feldschlösschen» kostet 7.60 Franken und der durchschnittliche Cocktail 12.00 Franken. Somit sind Getränke für die meisten Barbesucher*innen erschwinglich. 

Die Mitarbeiter*innen vom «S.ip’s» Pub sprechen grundsätzlich alle Englisch, viele, so erfahre ich im Interview, sind Migrant*innen aus englischsprachigen Ländern. Somit ist es für die Kunden*innen sicher von Vorteil, wenn sie auf Englisch ein Bier bestellen können, aber auch wenn sie auf Deutsch beziehungsweise Schweizerdeutsch bestellen, stellt das keinerlei Probleme dar. 

Eine bestimmte Kontinuität, also das regelmässige Besuchen des «S.ip’s Pub», zahlt sich sicherlich aus, wie das Beispiel von Roman zeigt. Da der Inhaber selber fast täglich in der Bar ist, kennt er seine Stammkunden genau, was dazu führt – wie das es sicherlich auch von anderen Bars bekannt ist –  dass den Stammkund*innen einige Dinge offen stehen, welcher den normalen Kunden*innen nicht gewährt werden. So erzählt Ramon beispielsweise, dass sie Liederwünsche anbringen können, welche bis zu feuchtfrohen Partys in der Lounge führen, und dass er und seine Freund*innen auch nach dem Zapfenstreich weiterhin verweilen dürfen, was unter anderem auch dazu führt, dass die Übriggebliebenen auch drinnen rauchen können. 

Mein persönliches Fazit ist, dass ich sehr positiv von diesem Ort überrascht war. Für mich ist eigentlich der einzige wirklich ins Gewicht fallende Schwachpunkt der Standort. Oerlikon ist für mich, als Bewohnerin der Innenstadt einfach zu weit weg. Zudem besitze ich schon eine Stammbeiz. Aber für ein Feierabendbier mit Kommiliton*innen würde ich das «S.ip’s» auf jeden Fall präferieren und mich auch dafür einsetzen, dort einzukehren. 

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