Im ersten Semester der Lehrveranstaltung führten wir zwei Workshops mit Michael Schaffner im Staatsarchiv Zürich durch. Im Mittelpunkt der Workshops stand die Frage, wie können wir frühneuzeitliche Quellen zur Nachhaltigkeit im Archiv finden? Der Begriff “Nachhhaltigkeit” ist im Deutschen erst seit dem 18. Jahrhundert und durch Carl von Carlowitz forstwissenschaftlichen Überlegungen geläufig. Gleichwohl spielen Fragen der Ressourcenbeschaffung, der sozialen Ordnung, des Arbeits- und Umweltschutzes, der Energieversorgung und der Produktion auch davor eine zentrale Rolle. Zur Frage der Nachhaltigkeit haben sich Jelena und Yael in ihren Blogeinträgen “Was versteht ihr unter Nachhaltigkeit” und “Nachhaltigkeitsgeschichte: was soll das sein?” noch vertieft Gedanken gemacht.
Mit Fokus auf die Färberei machten wir uns im Staatsarchiv auf die Suche nach aussagekräftigen Quellen. Da Färber in Zürich in der Frühen Neuzeit keiner Zunft angehörten, war die Suche nicht ganz einfach. Doch mit der kompetenten Unterstützung von Michael Schaffner haben wir bereits nach zwei Archivtagen einen guten Überblick über die Quellenlage erhalten.
Quellensuche
Im Staatsarchiv recherchierten wir unterschiedliche Quellenbestände, z.B. eine wissenschaftliche Abwägung der Vor- und Nachteile einer lokalen Maulbeerbaumzucht der Zürcher Naturforschende Gesellschaft (B IX 15–76), die Gewerbesachen (Schwarz-)Färber, eine lose Ansammlung von Korrespondenzen von und über Färber von 1599–1789 (A 77.12), sowie die Protokolle des Direktoriums der Kaufmannschaft (D 1–25).
Einführung in Transkribus
Die erste Herausforderung war es, die handschriftlichen Quellen zu lesen. Dank Transkribus und der Unterstützung von Michael Schaffner war es möglich, auch umfangreiche Quellenbestände nach Schlagworten zu durchsuchen. Die Suche nach aktuellen Begriffen wie Verschmutzung oder Natur erwiesen sich dabei als wenig erfolgreich. Mit der Suche nach einzelnen Farben wie blau schwarz oder rot, nach Farbstoffen wie Waid, Indigo oder Cochinelle oder nach Werkzeugen wie Kesseln hingegen war ergiebig und vermitteltee uns eine Vorstellung von den Themen, die die frühneuzeitliche Gesellschaft in Bezug auf das Färberhandwerk in Zürich diskutierte.
Siehe auch Jelenas Eintrag “Von Handschriften und Transkribus.”
Der Fall des Färbers Kaspar Abegg aus Wollishofen (um 1729)
Als besonders aufschlussreich für unsere Frage nach Nachhaltigkeit und Färberei in Zürich erwies sich der Bestand A 120 des Staatsarchivs Zürich. Dieser enthält die Dokumente, die im Fall des Färbers Kaspar Abegg um 1729 erstellt wurden. In einem Schreiben fordern die Stadtzürcher Färbemeister Abegg auf, das Färben in Wollishofen zu unterlassen. Nachdem dieser der Forderung nicht nachkam, zerstörten die Färbermeister seine Werkstatt und verletzten ihn. Im Zuge der nun folgenden Gerichtsverhandlung wurde ein Inventar der zerstörten Werkzeuge und Materialien erstellt, das einen umfangreichen Einblick in eine frühneuzeitliche Färberwerkstatt ermöglicht. Das Inventar verzeichnet unterschiedliche Kessel sowie Farbstoffe und ‑pigmente. Anhand der mitnotierten Preise erhalten wir eine Vorstellung von Wert und Umfang der Zerstörung. Ausserdem enthält die Quelle Informationen darüber, welche Farbstoff leicht und welche schwer zu erhalten waren und welche Färbepflanzen im heimischen – nach dem Überfall nun ebenfalls zerstörten – Garten des Färbers angebaut wurden.
Das Inventar war ein wunderbarer Ausgangspunkt um weitre Fragen zum Zürcher Färberhandwerk in der Frühen Neuzeit zu entwickeln. So stellte sich uns die konkrete Frage danach, wie eine Werkstatt im 18. Jahrhundert aussah, wo Färber im städtischen Bild angesiedelt waren, woher sie ihre Ressourcen bezogen, mit wem sie zusammenarbeiteten, woher sie das Holz für die Energieversorgung bezogen oder warum sich soziale Konflikte zwischen Färbern und Färbermeistern ergaben.