Im 12. Jahrhundert prophezeite der kalabrische Abt Joachim von Fiore, dass der apokalyptische Kampf zwischen Gott und dem Antichristen unmittelbar bevorstünde. Während eines Besuchs im Zisterzienserkloster Casamari im Jahre 1183 wurde Joachim eine göttliche Offenbarung zuteil: Es erschlossen sich ihm die Fülle der Apokalypse und die vollkommene Übereinstimmung der beiden Testamente.[1] In seinem Apokalypse-Kommentar sagt Joachim das Kommen zweier neuer Orden voraus, welche sich dem Antichristen im Dienste Gottes entgegenstellen sollten: Ein Orden von Predigern im Geiste des Elias und ein Orden von Eremiten im Geiste des Moses.[2] Diese wurden schon kurze Zeit nach Joachims Tod mit den neu gegründeten Mendikantenorden identifiziert.[3]
Nach Joachims Auffassung ist die Geschichte nach trinitarischem Muster in drei Zeitalter gegliedert: Das erste Zeitalter ordnet er dem Vater und dem Stand der Laien zu, das zweite Zeitalter dem Sohn und dem Stand des Klerus, das dritte Zeitalter dem Heiligen Geist und der monastischen Gemeinschaft.[4]
Das dritte und letzte Zeitalter soll durch ein monastisches Kollektiv geprägt sein, dessen Struktur in der Zeichnung mit dem Titel dispositio novi ordinis pertinens ad tertium statum ad instar supernae Jerusalem (‚Die Anordnung des neuen Ordens des dritten Zeitalters nach dem Vorbild des himmlischen Jerusalem‘) dargestellt ist.[5] Lat. ordo kann sowohl im Sinne eines monastischen Ordens als auch im weiteren Sinne als ‚Ordnung‘ oder ‚Struktur‘ verstanden werden, womit demnach ebenso die Gesellschaftsordnung insgesamt gemeint sein kann – und tatsächlich weist einiges darauf hin, dass Joachims Vision des neuen Ordens eine gesamtgesellschaftliche gewesen ist.[6] Dieser neue Orden orientiert sich am Vorbild des himmlischen Jerusalem, welches im dritten Zeitalter bereits auf Erden vorweggenommen werden soll.[7] Joachim verankert im Liber Figurarum das himmlische Jerusalem, die civitas Dei, nicht nur in einem konkreten Bauplan für ein Klostergebäude; er schildert zudem die Lebensweise der Ordensangehörigen im Detail und gibt dabei sogar Anweisungen für die Handhabung von Agrikultur und Viehzucht.[8]
Zentrales Referenzkonzept und Organisationsprinzip des neuen Ordens ist neben dem himmlischen Jerusalem die Vorstellung des Corpus Christi. Wurde darunter traditionell die Kirche verstanden, überträgt Joachim die Vorstellung nun auf den neuen Orden: Dieser wird in sieben distinkte Gruppen unterteilt, die in sieben Gebetshäusern (oratoria), verschiedenen Gliedmassen des Körpers entsprechend, organisiert sind.[9] In Joachims Konzeption des neuen Ordens als Corpus Christi nimmt die endzeitliche Wiederkunft Christi kollektive Gestalt an.[10] Die Mitglieder der Oratorien haben jeweils bestimmte Aufgaben, Eigenschaften und Tugenden, und sie leben nach je spezifischen Regeln, was Fasten- und Andachtspraktiken betrifft. Hinzu kommen weitere Spezifikationen, symbolische Dimensionen und biblische Korrespondenzen; so ist etwa das erste Haus (die ‚Nase‘) der Jungfrau Maria, der Taube, dem Sitz Gottes und dem Geist des Rates zugeordnet; das zweite Haus (das ‚Auge‘) Johannes dem Evangelisten, allen Mönchen und Nonnen, dem Adler (nach Offb 4,7) und dem Geist der Weisheit.[11] Kranke, betagte oder gebrechliche Ordensmitglieder sind im vierten Oratorium (die ‚Hand‘) von rigiden Fastenregeln und von körperlicher Arbeit entbunden, wobei sicherzustellen ist, dass sich keine Müssiggänger einschleichen.[12] Das sechste Oratorium (der ‚Fuss‘) fasst den Stand der Kleriker und ist zu den vorangehenden Oratorien in einem Abstand von etwa drei Meilen platziert; das siebte Oratorium (der ‚Körper‘) umfasst den Stand der Laien und ist wiederum in einem definierten Abstand zu den Klerikern platziert.[13] Die Laien sollen arbeiten und den Klerikern zur Unterstützung der Armen, der Fremden und derjenigen, die mit dem Bibelstudium befasst sind, den Zehnten abgeben:
They do this so that in case they have more than they need and the rest have less, at the command of the Spiritual Father the surplus will be taken from those who have more and given to those who have less so that there may be no one in need among them but all things held in common.[14]
Insgesamt entsteht der Eindruck einer hierarchisch konzipierten Ordnung, in der es einerseits markante Unterschiede zwischen den verschiedenen Oratorien gibt, anderseits jedoch auch ausgeprägte egalitäre Komponenten, etwa was die Uniformität innerhalb der Oratorien und den gemeinschaftlichen Besitz sämtlicher Güter betrifft.[15] Obwohl die von Joachim prophezeite Gemeinschaft die vollkommene himmlische Ordnung bereits im Diesseits konkretisieren soll, bestehen, wie aus den angeführten Beispielen ersichtlich wird, sowohl physische Gebrechen als auch das Potential von Devianz fort, dem durch Vigilanz und durch die sorgfältige Kalibrierung der geltenden Regeln beigekommen werden soll – denn selbst die Möglichkeit einer Versuchung durch Satan scheint nicht ausgeschlossen zu sein.[16] Joachim antizipiert in der dispositio die Grenzen des Menschenmöglichen: Obwohl dem neuen Orden des letzten Zeitalters der Anspruch eingeschrieben ist, das himmlische Jerusalem bereits auf Erden zu verwirklichen, ist er nicht ohne menschlichen Mangel. Die eschatologische Gemeinschaft in Joachims Vision befindet sich gleichsam in einem endzeitlichen Schwellenzustand – zwischen ‚Diesseits‘ und ‚Jenseits‘ –, der die vollkommene himmlische Ordnung vorwegnehmen soll, dabei jedoch zugleich im Irdischen verankert bleibt.
Auch im zwischen 1250 und 1280 entstandenen Fliessenden Licht der Gottheit Mechthilds von Magdeburg, das eine Reihe von göttlichen Offenbarungen schildert, findet sich die Vorstellung eines endzeitlichen Ordens, der im Kampf gegen den Antichristen eine tragende Rolle spielen wird. Die Aufnahme des Motivs lässt sich durch die zeitgenössische Zirkulation joachitischen Gedankenguts im Umfeld der deutschen Franziskaner und Dominikaner erklären und ist sehr wahrscheinlich nicht als Indiz für eine direkte Rezeption von Joachims Schriften zu werten.[17] Im Fliessenden Licht wird das Schicksal des Dominikanerordens zum Gegenstand des folgenden Gesprächs mit Gott:
Der predier orden wart sere angevohten von valschen meistern, dar zuͦ von manigem girigem súnder. Do bat ich únsern lieben herren, das er an inen woͤlte behuͤten sin selbes ere. Do sprach got: „Alle die wile, das ich si haben wil, so mag si nieman vertilgen.“ Do vragete ich: „Eya lieber herre, sol der orden stan untz an das ende der welte?“ Do sprach únser herre: „Ja, sie soͤllent wesen untz an das ende der welte. Aber so soͤllent komen einer hande lúte, die soͤllent sie vor wisen, also das die lúte, die denne koment, wiser soͤllent sin und gewaltiger und armer von irdenscher notdurft und fúriger von dem heligen geiste dur die ellendige not, die der heiligen cristanheit denne zuͦ gat.“[18]
Die Anfechtung des Predigerordens (eine geläufige Bezeichnung für den Dominikanerorden) ist auf den Pariser Bettelordensstreit zu beziehen, der die zu dieser Zeit noch relativ jungen Dominikaner- und Franziskanerorden betraf.[19] Die enge Assoziation der endzeitlichen Ordensleute mit dem Predigerorden, der auf diese vorausweisen (sie vor wisen) soll, lässt sich textgeschichtlich durch Entstehung, Redaktionierung und Rezeption des Fliessenden Lichts in dominikanisch geprägten Kontexten erklären.[20] Die proleptische Struktur stellt dabei eine Analogie zu Joachims dispositio dar: Dort verweist der neue Orden auf das himmlische Jerusalem; er ist zudem durch den Benediktinerorden präfiguriert.[21] In der Beschreibung der Lebensweise der letzten Brüder im Fliessenden Licht kann ein gewisser ‚Nachhall‘ der dispositio ausgemacht werden, insbesondere was die Aussagen über die nachsichtige Behandlung betagter Brüder betrifft.[22] Ansonsten weicht die Darstellung jedoch, abgesehen von einigen eher unspezifischen Gemeinsamkeiten (wie dem Leben ohne persönlichen Besitz), deutlich von der dispositio ab – so fehlt etwa die komplexe Ordensstruktur, deren Erläuterung die dispositio prägt. Die letzten Brüder sind nicht sesshaft: Sie leben ohne eigene Wohnung und ohne eigenen Besitz, schneiden Haar und Bart nicht, waschen sich im Wald, gehen barfuss, ausser bei Frost, legen weite Distanzen zurück, leben vom Betteln, beten, predigen, hören Beichte und feiern Messe.[23] Ihre Lebensweise ist, ähnlich derjenigen der Bettelorden, am Ideal apostolischer Armut orientiert.[24] Es finden sich zudem deutliche Hinweise auf eine imitatio Christi.[25] Die starke Einbettung des Motivs der letzten Brüder in das Antichrist-Geschehen lässt wiederum eher an die Prophezeiung in Joachims Apokalypse-Kommentar denken als an die dispositio. Im Fliessenden Licht steht neben der apostolischen Lebensweise der Brüder vor allem deren endzeitliches Martyrium im Zentrum der Darstellung. Die Betrachtung des heiligmässigen Lebens der Brüder und ihres Martyriums im Kampf gegen den Antichristen soll den Menschen in den letzten Zeiten als Vorbild dienen:
Dur das diese helige bruodere mit den lúten also heleklichen vor habent umbegegangen, so sol manig helig martrer mit inen werden […] so komen des Endecristes botten dar und durstechent allererste den heligen predier dur sine cristane lere mit einer isenstangen.[26]
Im Zuge seines Martyriums singt besagter Prediger mit der Stimme des Heiligen Geistes und ruft die Gläubigen dazu auf, ihm nachzufolgen: So singet er mit des heligen geistes stimme: „‚Credo in deum‘“, und troͤstet und ruͤffet: „Volgent mir, heligen gottes kinder!“[27] Die letzten Brüder sollen durch ihr Beispiel das einfache Volk so stärken, dass zuletzt, auf dem Höhepunkt der Tyrannei des Antichristen, kein guter Mensch mehr übrig sein soll, der nicht gewillt wäre, den letzten Brüdern – und, vermittelt durch deren Exempel, letztlich Christus selbst – nachzufolgen und für Gott das Martyrium auf sich zu nehmen.[28]
Die Darstellung des Antichrist-Geschehens, das im Fliessenden Licht insgesamt „einen eher bescheidenen Platz“[29] einnimmt, ist stark durch das Motiv des letzten Ordens geprägt; eine Ausnahme bildet jedoch Kapitel VII,1; dort findet es in einem anderen Zusammenhang Erwähnung: Die eschatologische Vision beschreibt eine Krone im Kontext des himmlischen Jerusalem, die Christus am jüngsten Tag von Gottvater überreicht werden soll. Ihre Gestalt bildet den Verlauf der Heilsgeschichte ab, die gleichzeitig die Krone hervorbringt: Zur Zeit des Antichristen soll die Krone mit Zinnen versehen werden, die mit vielen herrlichen Bildern, wie denen von Elias und Henoch und anderer Märtyrer, geziert sein sollen.[30] Das apokalyptische Geschehen erscheint somit als Teil eines heilsgeschichtlichen Prozesses, der sich in der Gestalt der Krone materialisiert:
Die crone ist gezúget in ertrich in túrer koste, nit mit silber noch mit golde noch mit edelm gesteine, mer mit mensclicher arbeit, mit mensclichen trehenen, sweis unde bluͦt, mit allen tugenden und ze jungest dem pinlichen tot […] Der helig geist der smidet noch dise crone untz an den jungesten tag.[31]
Den Übergang zur Schlusspassage bildet ein Gebet, selbst noch zu einer kleinen Blume an der Krone zu werden.[32] Damit sind auch die Rezipierenden implizit zur Beteiligung an der Herstellung der Krone aufgefordert. Auch wenn dies durchaus im Sinn eines individuellen Nachvollzugs des Dargestellten in der Lektüre mittels einer „Applikation der Sinne“[33] verstanden werden kann, legt die eschatologische Vision den Fokus auf die noch ausstehende Vollendung einer Heilszukunft, die als kollektives Projekt gedacht wird – als Kollaboration, die Gemeinschaft konstituiert. Eschatologische Gemeinschaft trägt im Fliessenden Licht nicht ausschliesslich monastische Züge – sie bleibt tendenziell unterdeterminiert. Mit Joachims Vision des neuen Ordens teilt sie einen potenziell ubiquitären Charakter.
[1] Vgl. Bernard McGinn (Hrsg.): Apocalyptic Spirituality: Treatises and Letters of Lactantius, Adso of Montier-en-Der, Joachim of Fiore, the Franciscan Spirituals, Savonarola. New York 1979, S. 99. Joachim versteht seine Visionen nicht als prophetische Gaben im Sinne der alttestamentlichen Propheten; das ihm zugekommene Charisma ist ein hermeneutisches – er versteht sich als Exeget der Heiligen Schrift, vergleicht aber die Einsicht, die er erhielt, dennoch mit derjenigen der Propheten (ebd., S. 101). Zum Verhältnis von Prophetie und Exegese bei Joachim vgl. Gian Luca Potestà: ‚Intelligentia Scripturarum‘ und Kritik des Prophetismus bei Joachim von Fiore. In: Robert E. Lerner (Hrsg.): NeueRichtungen in der hoch- und spätmittelalterlichen Bibelexegese. Berlin/Boston 1996.
[2] Vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 108.
[3] Vgl. Bernard McGinn: Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages. Mit aktualisiertem Vorwort und erweiterter Bibliographie. New York 1998 (Erstausgabe 1979), hier S. 164f.
[4] Vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 102.
[5] Diese ist Teil des sogenannten Liber Figurarum; es handelt sich um eine vermutlich durch frühe Anhänger Joachims zusammengetragene Sammlung symbolischer Zeichnungen, wie sie in Handschriften aus Dresden, Oxford und Reggio Emilia überliefert ist; die Zeichnungen und die dazugehörigen Erläuterungen gehen grösstenteils auf von Joachim selbst angefertigte Skizzen zurück. Vgl. die Edition: Liber Figurarum. Il libro delle Figure dell’abate Gioacchino da Fiore. Hrsg. von Leone Tondelli / Marjorie Reeves / Beatrice Hirsch-Reich. Torino 1953. Im Folgenden zitiert nach der englischen Übersetzung in McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 142–148. Die Zeichnungen können in der digitalisierten Handschrift aus Oxford eingesehen werden, hier die Figur XII: https://digital.bodleian.ox.ac.uk/objects/4fb778ab-7a26-43f8-9a61-b1781dd47d3f/surfaces/6bca97fe-adf5-4c8b-bf69-8e09f58fde90/
[6] Vgl. Matthias Riedl: A Collective Messiah: Joachim of Fiore’s Constitution of Future Society. In: Mirabilia 14 (2012), S. 57–80, hier insb. S. 59–63 und S. 73, mit weiterer Literatur.
[7] Die Vorstellung des himmlischen Jerusalem geht auf eine Vision aus der Offenbarung des Johannes zurück: Am Ende der Apokalypse soll ein neues Jerusalem vom Himmel herabkommen (Offb 21). Joachims Apokalypse-Kommentar zufolge wird Jerusalem im dritten Zeitalter ubiquitär sein – vgl. hierzu Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 62: „In his later works, Joachim abandoned the logic of the crusades; Christianity ought not to march on Jerusalem physically, but morally and spiritually. In the third age Jerusalem will be ubiquitous. The religious background of this idea is the monastic, especially Cistercian, use of the symbol which describes the monastery as a spiritual prefiguration of the heavenly city.“
[8] Vgl. zur konkreten Ausgestaltung und zum Bauplan der civitas Dei Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 59–61; zur Anlehnung an die Benediktinerregel im Kontext zeitgenössischer zisterziensischer Reform vgl. ebd. S. 66f.
[9] Dies stimmt mit Joachims Geschichtsmodell überein, demgemäss das letzte Zeitalter monastisch geprägt sein und das zweite Zeitalter des Klerus ablösen wird. Wie genau dieser Ablösungsprozess zu denken ist und wie Joachims Haltung zur Kirche insgesamt zu bewerten ist, ist Gegenstand von Forschungsdiskussionen; vgl. für einen Umriss der Positionen McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 111.Vgl. auch Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 62: „Essentially, Joachim’s is a meaningful combination of the monastic and the Pauline conception of a proleptic society, insofar as the proplepsis, the anticipation of the heavenly Jerusalem, occurs in the general and universal but fully monasticized church of the future. […] Joachim’s constitution implies that the spiritual church of the third age will be largely identical with the heavenly society.“
[10] Vgl. Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 64. Riedl spricht gar, ausgehend von Joachims Auslegung der Jesaja-Prophezeiung über die Wurzel Jesse, die sich auch auf die sieben oratoria bezieht, von einem ‚kollektiven Messias‘ (ebd.). Die Vorstellung einer kollektiven Dimension der Parusie geht schon auf Augustinus zurück, der die Bedeutung der Parusie als Präsenz Christi in seinem Körper (in der Kirche) auffasste (ebd.). Im Liber Concordia schreibt Joachim, dass der Menschensohn der Apokalypse sowohl Christus – als das Haupt – wie auch den kommenden endzeitlichen Orden – als den Körper – umfasse (ebd., S. 65).
[11] Vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 144.
[12] Ebd., S. 145f.
[13] Ebd., S. 146f. Zu den Klerikern als vermittelnde Instanz zwischen dem Stand der Mönche und dem Stand der verheirateten Laien vgl. Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 67.
[14] Vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 148.
[15] Vgl. Riedl 2012 (wie Anm. 6), S. 70–78, der Joachims Ordens- und Gesellschaftsentwurf auch historisch kontextualisiert.
[16] Vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 147, zum Oratorium der Laien im neuen Orden: „They will sleep with their wives for the sake of having children rather than for pleasure. At set times or days they will abstain from them by consent to be free to pray, taking into account the physical constitution and age of the young people lest they be tempted by Satan (1 Cor. 7:5).“
[17] Vgl. Bernard McGinn: ‚To the Scandal of Men, Women are Prophesying‘. Female Seers of the High Middle Ages. In: Christopher Kleinhenz / Fannie J. LeMoine (Hrsg.): Fearful Hope. Approaching the New Millennium. Wisconsin 1999; Thomas Benjamin De Mayo: Mechthild of Magdeburg’s mystical eschatology. In: Journal of Medieval History 25/2 (1999), S. 87–95, sowie Natalija Ganina: in fine mundi tempore antichristi. Zur Eschatologie im ‚Fliessenden Licht der Gottheit‘ Mechthilds von Magdeburg. In: Caroline Emmelius / Balázs J. Nemes (Hrsg.): Mechthild und das ‚Fliessende Licht der Gottheit‘ im Kontext. Eine Spurensuche in religiösen Netzwerken und literarischen Diskursen im mitteldeutschen Raum des 13.–15. Jahrhunderts. Berlin 2019 (Beihefte zur ZfdPh 17), S. 229–248, zu den (pseudo)-joachitischen Elementen insb. S. 242–244.
[18] Mechthild von Magdeburg: Das fliessende Licht der Gottheit. Hrsg. von Gisela Vollmann-Profe. Frankfurt a. M. 2003 (Bibliothek Deutscher Klassiker 181 / Bibliothek des Mittelalters 19), hier IV, 27, S. 298,17–28 (im Folgenden abgekürzt als FL).
[19] Vgl. Ganina 2019 (wie Anm. 17), S. 233–235 und S. 240f., mit weiterer Literatur, sowie Elizabeth A. Andersen: The Voices of Mechthild of Magdeburg. Bern u. a. 2000, S. 137–140. Im Mendikantenstreit hatte die Verbreitung und Rezeption von Joachims Schriften (u. a. die Prophezeiung der Ankunft der Ära des Heiligen Geistes im Jahr 1260 durch den Franziskaner Gerhard von Borgo San Donnino) eine Rolle gespielt; vgl. hierzu McGinn 1999 (wie Anm. 17), S. 71.
[20] Vgl. Caroline Emmelius/Balázs J. Nemes: Mechthild und das ‚Fliessende Licht der Gottheit‘ im Kontext. Einleitende Spurensuchen. In: Emmelius/Nemes 2019 (wie Anm. 17), S. 9–38, hier S. 18, sowie Ganina 2019 (wie Anm. 17), S. 235f., mit weiterer Literatur. Sowohl der Franziskaner- wie auch der Dominikanerorden hatten die joachitische Vorstellung des Endzeitordens auf die eigenen Orden bezogen; zur entsprechenden Deutung der joachitischen Prophezeiung in der gemeinsamen Enzyklika der Franziskaner und Dominikaner vgl. McGinn 1998 (wie Anm. 3), S. 164f.
[21] In Joachims Liber Concordia wird Benedikt als der Begründer der monastischen Ordnung genannt, welche in den letzten Zeiten Früchte tragen solle; vgl. McGinn 1979 (wie Anm. 1), S. 125.
[22] Vgl. Ganina 2019 (wie Anm. 17), S. 243f., hier S. 244.
[23] Vgl. die Beschreibung des Lebens der Brüder in FL IV,27, S. 300,1–302,2.
[24] Vgl. Ganina 2019 (wie Anm. 17), S. 242, sowie Marianne Heimbach-Steins: Prophetische Mystik zwischen Kirchenbindung und Kirchenkritik. Zum Werk Mechthilds von Magdeburg. In: ThPQ 141 (1993), S. 121–129, hier S. 127f. Heimbach-Steins spricht in Bezug auf die Darstellung der apostolischen Lebensweise des Endzeitordens im Fliessenden Licht von einem „kritischen Gegenentwurf zu den bestehenden kirchlichen Verhältnissen“ (ebd., S. 127). Vgl. zur Frage der Kirchenkritik bzw. Kirchenreform im Zusammenhang mit der Darstellung der letzten Brüder auch McGinn 1999 (wie Anm. 17), S. 71f. Besonders deutlich wird dieser Aspekt in einer Gottesrede in FL VI,21, S. 478,24–29: „Swer den hellenweg nit weis, der sihet an die verboͤsete pfafheit, wie rehte ir leben zuͦ der helle gat mit wiben und mit kinden und mit andern offenbaren súnden. So ist des not, das die jungesten bruͦder kommen; wan swenne der mantel ist alt, so ist er oͮch kalt. So muos ich miner brut, der heligen cristanheit, einen núwen mantel geben.“ Zur Positionierung gegenüber dem Dominikanerorden vgl. Volker Leppin: Begine und Beichtvater. Zu den Dominikanerpartien im ‚Fliessenden Licht der Gottheit‘ Mechthilds von Magdeburg. In: Enno Bünz / Stefan Tebruck / Helmut G. Walther (Hrsg.): Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift Matthias Werner zum 65. Geburtstag. Köln u. a. 2007 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe 24; Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung 19), S. 541–554.
[25] Ihr Unterkleid ist weiss und ihr Oberkleid rot, nach der reinen menscheit únsers herren und nach sinem heligen tode (FL IV,27, S. 300,3f.); der Stab, den sie zu jeder Zeit bei sich haben, ist ebenfalls weiss und rot; auf der einen Seite des Stabes ist das Martyrium Christi eingeschnitten, auf der anderen Seite seine Himmelfahrt (vgl. ebd. S. 300,1–19). Wenn sie aufgrund grosser Distanzen reiten müssen, dann sollen sie einen Esel reiten: Darumbe muͤssent si das snoͤde tier riten, das si sich got an der demuͦt gelichen (ebd. S. 300,28f.). Vgl. zur imitatio Christi auch ebd. S. 304,11–14: Swa si essent oder trinkent, da sol die wile der eltest in dem orden etwas sprechen von Christi wandelunge und von sinem heligen leben und die andern soͤllent swigen.
[26] FL IV,27, S. 306,4–16.
[27] FL IV,27, S. 306,19–21. Auch in Kapitel VI,15 des Fliessenden Lichts wird auf dasexemplarischeMartyrium der letzten Predigerbrüder Bezug genommen.
[28] Vgl. FL IV,27, S. 308,15–17: In der jungesten not, als diese seligen bruͦder das gemeine volk so lange hant getroͤstet, das nieman guͦter ist beliben, er habe dur got die marter gelitten.
[29] Ganina 2019 (wie Anm. 17), S. 233.
[30] FL VII,1, S. 526,5–8.
[31] FL VII,1, S. 526,28–31 und S. 530,30f.
[32] FL VII,1, S. 530,37–532,3.
[33] Vgl. Niklaus Largier: Die Applikation der Sinne. Mittelalterliche Ästhetik als Phänomenologie rhetorischer Effekte. In: Manuel Braun (Hrsg.): Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters. Berlin/New York 2007, S. 43–60. Zur Ästhetik des Gotteslobes in FL VII,1 vgl. Lukas Steinacher-Wisiorek: Vom Scheinen der Herrlichkeit Gottes. Offenbarung als Theopoiese im Fliessenden Licht der Gottheit. In: Annette Gerok-Reiter u. a. (Hrsg.): Schein und Anschein. Dynamiken ästhetischer Praxis in der Vormoderne. Berlin/Boston 2023, S. 161–197.