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Schöpfer – Mensch – Natur. Die Natur als Offenbarung in Hadewijchs ‚Strophischen Liedern‘ und in der Lyrik Catharinas von Greiffenberg

Ein verbindendes Charakteristikum einer Reihe als‚mystisch‘ wahrgenommener Texte ist ihr Bezug auf den Kosmos und die Natur. Nicht nur ist der Mensch als Teil der Schöpfung mit der Natur fest verbunden, sondern sie erscheint auch in manchen Texten geradezu sinnlich wahrnehmbar von der Gottespräsenz gezeichnet. Ihre Betrachtung kann dem Mystiker/der Mystikerin als Instrument dienen, die eigene Gotteserfahrung anzuregen und in verborgenes Wissen vorzudringen. Im Folgenden möchte ich zwei unterschiedliche Herangehensweisen nebeneinanderstellen, wie im Rahmen vormoderner Dichtung Naturschilderungen Teil einer mystischen Schreib- und Lektürepraxis werden, in welcher die Begrenzung des menschlichen Erkenntnishorizonts und Schaffensvermögens punktuell aufgehoben wird. Zum einen möchte ich

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„Eya lieber herre, sol der orden stan untz an das ende der welte?“ Endzeitprophetie und eschatologische Gemeinschaft bei Joachim von Fiore und Mechthild von Magdeburg

Im 12. Jahrhundert prophezeite der kalabrische Abt Joachim von Fiore, dass der apokalyptische Kampf zwischen Gott und dem Antichristen unmittelbar bevorstünde. Während eines Besuchs im Zisterzienserkloster Casamari im Jahre 1183 wurde Joachim eine göttliche Offenbarung zuteil: Es erschlossen sich ihm die Fülle der Apokalypse und die vollkommene Übereinstimmung der beiden

Mystik auf der Suche nach Ordnung

‚Mystisch‘ – das Wort bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch schon fast so viel wie ‚rätselhaft‘, ‚magisch‘, ‚irrational‘. Auch eine tiefere Auseinandersetzung mit mystischen Werken widerlegt diese Konnotationen nur zum Teil. Innerhalb von Religionen, die sonst eher Gemeinschaft und Gesetz betonen, präsentiert sich Mystik nämlich tatsächlich als dynamische, individuelle Bewegung. Sie löst

Radikale Religion: Askese – Enthusiasmus – Schwärmerei

„Ich nenne die Erfahrung eine Reise ans Ende des dem Menschen Möglichen. Jeder kann diese Reise auch nicht machen, aber wenn er sie macht, so setzt das voraus, dass die bestehenden Autoritäten und Werte negiert sind, die das Mögliche begrenzen. Aufgrund dessen, dass sie die Negation anderer Werte, anderer Autoritäten

Bilder für Laien: Das Zusammenspiel von Illumination und Gebet im Stundenbuch

‚Stundenbuch‘ ist die (katholische) Bezeichnung eines liturgischen Buches, das die Texte des Stundengebets enthält. Dieses Stundengebet, auch Officium divinum („göttlicher Dienst“) genannt, ist in der kirchlichen Tradition die Umsetzung des Apostelwortes „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17; EÜ)[1] und des Psalmwortes „Siebenmal am Tag singe ich dein Lob und nachts stehe ich

Wie Handschriften in ‚Pentiment‘ zum Leben erweckt werden

Die Historia de labyrintho librorum[1] ist in der Mediävistik ein durchaus bekanntes Werk, das zusammen mit einigen anderen im Point-and-Click-Adventure-Spiel Pentiment auftaucht. Beim Durchsuchen der Bibliothek der Abtei Kiersau begutachtet der Protagonist Andreas Maler verschiedene Handschriften, darunter auch diese: ein „Bericht über das Labyrinth der Bücher“.[2] Der Ausschnitt zeigt zwei

Heilige auf Goldgrund. Wie sich eine Bildfläche medial verselbständigt

Goldgrund, der goldene Grund einer Bildfläche, macht in der Moderne eine erstaunliche Karriere und wird zu viel mehr als nur einem Malgrund in der Buch- und Tafelmalerei. In Wand- oder Deckenmosaiken der byzantinischen Kunst sind Goldgründe, für die neben Blatt- auch Pulvergold und Goldimitationen verwendet werden,[1] seit dem 4. Jahrhundert

Die Irrfahrten eines Abts und seines Nachlasses

Der letzte Fürstabt von St. Gallen, Pankraz Vorster, scheint nicht vom Glück verfolgt worden zu sein. Am 1. Juni 1796 wurde er gegen seinen Willen zum Abt gewählt – zum Abt eines Klosters, dessen Blütezeit schon längst vergangen war und das stattdessen unaufhaltsam der Verschuldung, Aufständen in der Schweizer Bevölkerung und

carmen miserabile texit. Weben und Erzählen in den Metamorphosen Ovids und Kim de l’Horizons Blutbuch

Unterhalb und innerhalb der überbordenden Medienberichterstattung, die Kim de l’Horizons Blutbuch[1] seit seiner dreifachen Prämierung 2022 umgibt,[2] formieren sich nach und nach neue Dispositive einer autofiktionalen Poetik. Begünstigt und aktualisiert werden diese nicht zuletzt dadurch, dass Kim de l’Horizon als persona politische und kulturelle Diskurse immer wieder selbst öffentlich mitanstösst[3]

Mediale Schauplätze der Gesellschaft – Zur Vielschichtigkeit von illustrierten Flugblättern der Frühen Neuzeit

In den letzten vier Jahren intensiver Forschung zum illustrierten Flugblatt der frühen Neuzeit wurde mir die faszinierende Komplexität eines Mediums offenbart, das auf den ersten Blick einfach erscheinen mag.[1] Ich durfte entdecken, wie Bild- und Textdetails einzeln und besonders im Zusammenspiel eine beeindruckende Wirkung entfalten. Meine Erkenntnis ist, dass Flugblätter