Städte in Utopia



Thomas Morus, De optimo reipublicae statu, deque nova insula Utopia, Basel: Froben, 1518, S. 12 (Universitätsbibliothek Bielefeld).

Christianapolis, Kupferstich aus Johannes Valentin Andreae Christianopolis Straßburg 1619.
















































1. Städte in Utopia
2. Platon und Aristoteles
3. Vitruv
4. Thomas Morus, Thomaso Campanella und Johann Valentin Andreae
5. Idealstadt und ideale Stadt


1. Städte in Utopia
Die Idee der utopischen Stadt entstand nicht erst in der Renaissance und dem Humanismus, sondern schon früher in der Zeit von Platon und Aristoteles. In der Geschichte der Architekturtheorie, von der Antike bis zur Gegenwart von Hanno- Walter Kruft, wird darauf hingewiesen, dass die Geschichte von Utopia die Geschichte geistiger Selbsterhaltung sei. Die utopischen Städte spiegeln Wünsche und Träume ihrer Erschaffer wieder. Vor allem in den Bereichen der Wirtschaft und des Miteinanderlebens.

2. Platon und Aristoteles
In seinen Schriften Politeia, Kritias und Nomoi, schildert Platon die Entwicklung eines idealen Gemeinwesens. Nach Eva-Maria Seng wurde in der Politeia keine reale Stadt der Vorstellung von Platon zugeordnet. Es geht in der Politeia um die Gerechtigkeit, die Platon in einem Ständestaat mit drei Ständen, Bürgern, Wächtern und Philosophen als Regenten sah. In Kritias, der Rekonstruktion der Ur-Verfassung Athens, beschreibt Platon den athenischen Burgberg und somit eine ideale Stadtanlage. Auch in der Beschreibung von Atlantis nimmt er die Vorstellung eines Burgberges wieder auf. In den Nomoi, macht er die umgangreichsten Angaben zur Anlage einer Stadt. So soll die Stadt von der See entfernt angelegt werden, um sie vor den negativen Einflüssen des Handels und von den, übers Meer eingeführten schlechten Sitten schützen. Die Einwohner kannten keinen Privatbesitz und die Stadt sollte nicht ummauert werden. Ein weiteres Modell eines Gesellschaftsentwurfes im Zusammenhang mit städtebaulichen Vorstellungen ist durch Aristoteles übermittelt. Nach Seng schrieb Aristoteles in seiner Politeia über den Stadtentwurf des Hippodamus von Milet. Hippodamus, so Aristoteles, habe als erster versucht, Aussagen über den besten Staat zu machten. Aristoteles kritisierte die Vorstellung des Hippodamus, dennoch fand er die dargestellte Stadt besser als die zur Zeit herrschende Realität. In Aristoteles Städteentwurf, verfasst in seiner Politeia, beschreibt er eine Stadt ganz ähnlich wie die Stadt des Platons. Jedoch bevorzugt Aristoteles die Idee, dass die Einwohner einen Privatbesitz haben.

3. Vitruv
Neben den staatsphilosophischen und utopischen Modellen griffen Theoretiker und Praktiker des Städtebaus, nach Seng, auf Vitruvs De Architectura Libri Decem zurück. Vitruv erklärte ausgiebig, unter anderem, die Lage der Stadt, die Notwendigkeit ihrer Ummauerung, die Ausrichtung der Strassenzüge mit Rücksicht auf Zugwinde, die Auswahl höher gelegener Plätze für die Tempelanlagen, die Einwohnerzahl und den Grundriss der Stadt. Diese sollte nicht viereckig, sondern abgerundet sein.

4. Thomas Morus, Thomaso Campanella und Johann Valentin Andreae
In seinem gesellschaftskritischen Buch Utopia (1516) beschreibt Thomas Morus (auch Thomas More) seine Vorstellungen einer idealen Stadt. Ähnlich wie Platon brach Morus, nach Seng, mit den traditionellen Vorgaben und liess seine Stadt auf einer Tabula Rasa entstehen. Seine neue Gesellschaft basiert auf rationaler Planung und bewusster Konstruktion. Geometrische Figuren wie Quadrate, Kreise und Rechtecke waren die Basis für den Städteentwurf. In Morus Geschichte wird die Insel Utopia und ihre Hauptstadt Amaurotum mit ihren Bewohnern genau beschrieben. Auch die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse werden nach Morus Vorstellungen entwickelt. Wie bei Platon haben auch die Bewohner Utopias keinen Privatbesitz. Thomaso Campanella's Sonnenstadt (1602) basiert auf einer ähnlichen Gesellschaftskritik wie bei Thomas Morus. Im Gegensatz zu Morus verwendet Campanella bei seiner Stadt nur Kreise als geometrische Figuren. Trotz seines religiösen Hintergrundes liegt bei Campanella's Stadt die Verbreitung der Geometrie und Mathematik im Vordergrund. Dennoch unterscheidet sich Campanella von Morus insofern, dass er die Themen die ihn persönlich am meisten beschäftigten, auch als Hauptthemen in seinen Beschreibungen der Stadt und ihr Gemeinwesen wählt. Johann Valentin Andreaes Christianapolis (1619) berücksichtigt die Werke von Platon, Morus und Campanella. Überdies grifft Andreae, nach Seng, auch auf Albrecht Dürers Idealstadtentwurf von 1527 zurück. In Christianapolis spiegeln sich die Homogenität der Architektur, der geometrische Grundriss und die Insellage wieder.

5. Idealstadt und ideale Stadt
Nach Hermann Bauer gehört es zu den Eigenheiten der utopischen Stadt, dass sie relativ klein ist. Sie ist ein Stadtstaat. Erst in der Parodie durch Rabelais Gargantua nimmt die Stadt ein gigantisches Ausmass an. Des weiteren schreibt Bauer, dass Utopia ein politisches, soziologisches und künstlerisches Modell ist. Bei den zeitgenössischen Abbildungen fällt auf, dass die gezeigten Städte keinesfalls den beschriebenen Städten gleichen, sondern gleichgesetzt werden mit der zeitgenössischen Architektur. Eine Erklärung für die Utopien sieht Bauer in der Entdeckung der Welt und der Hoffnung auf eine noch unberührte intakte Welt. Auch das Inselhafte der Stadt spielt eine wichtige Rolle. Utopia ist nicht nur eine Insel weil es im Meer liegt, sondern auch weil es ein isoliertes Gebilde ist. An den Mauern von Utopia wird ein Ideal gegen die Wirklichkeit verteidigt. Wie oben vermerkt (Platon) muss dies nicht immer der Fall sein. Doch ein Schutz gegen die Aussenwelt ist ein Muss. Nach Hanno-Walter Kruft seien Versuche Utopia in die Wirklichkeit um zusetzten immer wieder gescheitert. Utopia ist ein Wunsch, Traum und geistiges Experiment, welches in der Wirklichkeit nichts kostet. Trotzt dieser Unmöglichkeit eine utopische Stadt zu verwirklichen haben sich Gelehrte immer wieder mit dem Thema befasst.



Bibliographie
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