Piazzetta in Venedig, in: Giacomo Franco, Habiti d’Huomeni et Donne venetiane, Venezia: G. Franco, 1610 (University of Iowa, Iowa Digital Library).

Venezia, la piazzetta con la biblioteca San Marco, Giovanni Antonio Canal genannt Canaletto, 1735-1740, Öl auf Leinwand, cm 69x92, Galleria borghese, Roma.

Jacopo Torelli, Set für den Prolog des Bellerofronte, Detail, 1642.











































































Die Piazzetta in Venedig


Der Platz als kann als Aussenraum verstanden werden der mittels Medien wie Architektur, Bildwerken oder Skulptur eingerichtet wird, um einen sozialen Raum für die Gesellschaft zu gestalten. „Plätze entstammen selten einem festen 'concetto', sie sind meist ein Beispiel für die 'longue durée' einer Gestaltung, an der nicht nur wechselnde Akteure teilhaben, sondern an der vor allem auch in unterschiedlichen zeitlichen Bezugnahmen gebaut wird. Damit erweist sich der Platz als ein komplexes Raum-Zeit-Gebilde, das entsprechende Anforderungen an die Methodik stellt.“1

1. Die Piazzetta in Venedig
2. Erbauung der Piazetta und die späteren Renovierungen
3. Die Piazzetta als Theaterszene

1. Die Piazzetta in Venedig
Ein weit bekanntes Werk bei dem man die obenerwähnte Funktionen des Platzes beobachten kann, ist die trapezförmige und imposante Piazza San Marco in Venedig. Diese entfaltet sich in zwei große offene Plätze, der eine ist die Piazza an sich auf der sich die Basilika von San Marco erhebt, und der zweite Teil ist die sogenannte Piazzetta. Diese befindet sich Sud-östlich, zwischen der Biblioteca Marciana und dem Dogenpalast (Palazzo Ducale). „In der lang andauernden Phase europäischer Entfestigungen entwickeln sich um 1800 Plätze, die die Verbindung zum Territorium auf direkte Weise wahrnehmen und meist auf ein zentrierendes Monument verzichten. Stattdessen finden sich klassische Elemente des Tores, teilweise in Kombination mit Zollstationen, Kirchenbauten, Bibliotheken und Museen, aber auch Wohnarchitekturen.“2 Die Bedeutung der Piazzetta ist nicht nur den Bauten der Bibliothek und des Dogenpalastes zu verdanken sondern auch den zwei Säulen die das Symbol des heiligen Markus, einen Löwe, und die Statue des heiligen Theodorus (die zwei Schutzheiligen Venedigs) unterstützen. Die Säulen die sich, vom Meer her gesehen, als monumentaler Eingang in die Stadt anbieten, gelten überdies als symbolische Fortifikation die auch auf die Herrschaft der Machthaber über die bekannte Welt vorweisen. Dieser Teil der Piazza San Marco, der auf die Laguna blickt, war den politischen und sozialen Ereignissen, wie z.B. das Empfangen der Staatsgäste oder die Hinrichtung der Gefangene, gewidmet.3 Im 16. Jahrhundert war die politische und ökonomische Lage in Venedig etwas besonderes die Stadt gehörte nämlich zu den vier Seerepubliken und war von Dogen beherrscht. Dessen Interesse war es, aus Venedig nicht nur eine wirtschaftliche sondern auch eine geschmackvolle Stadt zu machen. Wegen der politische Ordnung und der geographischen Position der Stadt fundierte sich die Errichtung der Gebäude und der Plätze nicht auf funktionelle oder besser gesagt kriegerische Prinzipien (da das Meer schon als Fortifikation fungierte) sondern auf die ästhetischen.

2. Erbauung der Piazzetta und die späteren Renovierungen
Im 11. Jahrhundert als die Basilika erbaut wurde war die Piazza San Marco ziemlich klein. sie erstreckte sich westlich bis zum Kanal von Borgo Batario und war umgeben von Wasser. Ein kleinerer Kanal stellte ausserdem einen Abstand auf, zwischen der Dogenpalast und die Basilika. Später ließ der Doge Sebastiano Ziani (1102-1178) das Hafenbecken, südlich von der Piazza, mit Erde anfüllen und die heutige Piazzetta mit den Säulen errichten. Die Piazzetta erfuhr seit 1527 einige wichtige Änderungen und Renovierungen, durch die Hand des Bildhauers und Architekt Jacopo Sansovino. Als erstes ließ der Künstler die schäbigen Latrinen, Ständen und Geschäften die sich um die Säulen befanden entfernen. Somit wurden in Venedig die politischen Aktivitäten von den wirtschaftlichen getrennt. Die politischen Ereignisse fanden in der Piazza San Marco und in der Piazzetta statt im Gegenteil zur wirtschaftlichen, die sich im Gebiet von Rialto abspielten. Diese Art von Aufteilung ist in einer alten Tradition der Theoretikern des Quattrocento zu suchen und zwar die von Leon Battista Alberti in seinem De re Aedificatoria (1450) und die von Antonio di Pietro Averlino, genannt Filarete, mit seinem Trattato di Architettura (1460-1464)4. Die Renovierung von Piazza San Marco und der Piazzetta bestand nicht nur darin die Latrinen und Stände zu entfernen, sondern auch die älteren Gebäude durch neue zu ersetzen. Ein frühes Werk von Sansovino fing im Jahr 1536-37 an als er beauftragt wurde, ein neues Modell der Biblioteca Marciana zu gestalten. Die Bauwerke des Gebäudes der Bibliothek wurden erst einen Jahr später im Areal der Piazzetta, gegenüber dem Dogenpalast, angefangen. Die ersten sechzehn Bögen, die ionische und dorische Säulenordnungen vorweisen, wurden bis 1560 vom Sansovino selbst errichtet. Nach seinem Tod, im Jahr 1570, wurden die Arbeiten von Vincenzo Scamozzi (Wladimir Timofiewitsch) weiter geleitet und vollendet. Das Gebäude bestand schlussendlich aus einer öffentliche Bibliothek und aus die Amtsräume der Prokuratoren von San Marco. Die Bibliothek war für die griechischen und lateinischen Kodizes bestimmt, welche der Kardinal Bessarione Venedig zum Geschenk gemacht hatte. Ebenfalls von Sansovino ist die zwischen 1537 und 1549 konzipierte Loggetta, die als Standort für die Palastwache benutzt wurde. Die Loggetta besteht aus drei Arkaden zwischen denen sich vier Nischen befinden und in denen die Statuen von Minerva, Apollo, Merkur und die des Friedens ihren Platz gefunden haben. Die Säulen zwischen den Arkaden, sind mit Kompositkapitellen verziert. In seinem Werk Tutte le cose notabili e belle che vi sono in Venetia (1556) bezeichnet Francesco Sansovino, Sohn von Jacopo, die Loggetta als visuellen Ausdruck der Venezianischen Herrschaft und erläutert zudem: “E cosi voi vedete ch’in questa facciata di questo picciol luogo è collocato in figura l’imperio di questi signori in mare e in terra“.5 Jacopo Sansovino, lehnte sich für die Dekorationen der Loggetta höchstwahrscheinlich an die Theorien von Vitruvius (I Jh. v. Chr.) die aus dem vierten Buch des De Architectura bekannt waren.6 Im Rahmen der Umstrukturierung der Piazza San Marco wurde an Jacopo Sansovino, vom Dogen Andrea Gritti, den Auftrag gegeben, die auf der Hafenmole liegende Zecca oder Münzprägestätte zu renovieren. Die Münzprägestätte gilt als Fortsetzung der Bibliothek besteht jedoch, im Gegenteil zu diese, aus rustikalen und schlichteren Dekorationen.

3. Die Piazzetta als Theaterszene
Das Auftreten von mehreren Architekturordnungen wie das rustikale für die Münzprägestätte, das dorische und ionische für die Bibliothek und die Kompositordnung für die Loggetta könnte man als Betrachtung dieses Platzes als Bühnenbild für die damalige Gesellschaf, interpretieren. In seinem Aufsatz Bearer of Meanings: The classical Orders of Antiquity, the Middelage and the Renaissance (1988) erklärt John Onians woher diese Idee herstammt und erlätert dazu “The chief hallmark of Sansovino’s plan is the rich series of the orders running from Tuscan/Doric to Composite, and precisely such a series is found in Serlio’s reconstruction of the tragic scene […] There is even evidence that the whole idea of applying such a scene design to the Piazzetta also derived from Serlio” 7 Jacopo Sansovinos Renovierungen der Gebäude und der Piazzetta und das Benutzen mehreren Architekturorden sind also im Zusammenhang mit den Theorien des Architekturtheoretiker Sebastiano Serlio (1475-1554), die sich im vierten Buch des Werkes I sette libri dell'architettura befinden, gelesen werden. Sebastiano Serlio erklärt nämlich, im zweiten Buch seines Werkes, wie eine Tragische Bühne (Scena Tragica)) dargestellt werden soll. Beispielsweise beobachtet man in einer Abbildung vom italienischen Bühnenmaler Giacomo Torelli (1608-1678) eine Perspektive der Piazzetta die als Szene für die Oper Bellerofronte(siehe Abbildung) benutzt wurde. Überdies wurde die Piazzetta auch als Schauspielplatz benutz denn mehrere Festspiele und Veranstaltungen fanden vor allem während der Fastnachtszeit statt. Die Balkonen die Jacopo Sansovino an die Bibliothek errichten ließ dienten den Adligen und reichen Kaufleuten als Stelle aus der man auf diese Schauspiele zuschauen konnte.

Anmerkungen
1. Nova, Alessandro, Brigitte Sölch, «Die Platzanlage: ein komplexes Raum-Zeit-Gebilde», in: Platz und Monument, Forschungsprojekt des Kunsthistorisches Institut in Florenz, aus: URL: http://www.khi.fi.it/forschung/projekte/projekte/projekt28/index.html.
2. Jöchner, Cornelia, «Der Platz als Eingang in die Stadt. Eine urbane Form des Klassizismus», in: Platz und Monument, Forschungsprojekt des Kunsthistorisches Institut in Florenz, aus: URL: http://www.khi.fi.it/forschung/projekte/projekte/projekt28/index.html
3. Howard, 1975, S. 10.
4. Spencer, J.R., Filarete's treatise on Architecture, New Haven: Conn., Vol.I, 1965,S.271-283. 5.Sansovino, Francesco, Le cose meravigliose et notabili della città di Venetia,1612, Venedig: Giovanni Niccolo Doglioni, S.35.
6. Davis, 1985, S.398.
7. Onians, 1988, S. 295.


Bibliographie
Davis, Charles, «Jacopo Sansovino’s Loggetta di San Marco' and two Problems in Iconography», in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 29 (2/3), 1985, S.396–400.
Davies, Paul, «A Project Drawing by Jacopo Sansovino for the Loggetta in Venice», in: The Burlington Magazine, 136 (1097), Aug. 1994, S. 487–497.
Howard, Deborah, Jacopo Sansovino. Architecture and Patronage in Renaissance Venice, New Haven: Yale University Press, 1975.
Johnson, Eugene J., «Jacopo Sansovino, Giacomo Torelli, and the Theatricality of the Piazzetta in Venice», in: Journal of the Society of Architectural Historians, 59 (4), Dec. 2000, S. 436–453.
Johnson, Eugene J., «Portal of Empire and Wealth: Jacopo Sansovino’s Entrance to the Venetian Mint», in: The Art Bulletin, 86 (3), Sep. 2004, S. 430–458.
Onians, John, Bearer of Meanings: The classical orders of Antiquity, the Middleage and the Renaissance, Princeton: Princeton University Press, 1988.

Timofiewitsch, Wladimir, «Zwei Zeichnungen Vincenzo Scamozzis für die Raumaufteilung der Libreria Sansovinos», in: Mitteilungen des Kunsthistorisches Institutes in Florenz,10 Bd., 1962, S. 209-216.
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