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Fundraising-Tour eines werdenden Diktators

Eine Episode aus der Zwischenkriegszeit zeigt, dass Schweizer Grossunternehmer in den 1920er Jahren mit finanziellen Mitteln zum politischen Erfolg der Nationalsozialisten beitragen wollten.

Die Villa Schönberg liegt idyllisch im Rieterpark im Zürcher Enge-Quartier und gehört heute zum Anwesen des Museums Rietberg. Bereits zum Zeitpunkt der Gründung des Museums im Jahr 1952 hatte die Villa eine reiche Geschichte hinter sich, die unter anderem mit einem glanzvollen Kaiserauftritt sowie der Unterbringung Richard Wagners von sich reden lassen konnte. In unmittelbarer Nähe zum Museum ist eine Strasse nach Wagner benannt, und der deutsche Kaiser Wilhelm II. residierte 1912 anlässlich der Herbstmanöver der Schweizer Armee, die ihm zu Ehren auch «Kaisermanöver» genannt werden, in der Villa. Es gibt aber auch Episoden, die erst seit kurzem im Kontext des Museums offiziell Erwähnung finden.

Ende August 1923 nämlich reiste Adolf Hitler, damals als aufstrebender Politiker und Parteiführer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), nach Zürich und hielt in der Villa Schönberg eine Rede vor ungefähr vierzig Personen.[1] Sein unerklärtes Ziel war es, Spenden für die NSDAP zu sammeln. Aufgrund der Hyperinflation der Deutschen Mark war Hitlers Partei (wie nahezu ganz Deutschland auch) in finanzielle Nöte geraten.[2]

Heute dient die Villa Schönberg Verwaltungs- und Ausstellungszwecken des Museums Rietberg, in den 20er-Jahren war sie hingegen Wohnsitz von Inez Rieter und ihrem Ehemann, Ulrich Wille d. Jüngeren. Letzterer entstammte der einflussreichen Familie Wille. Ulrichs Vater, mit Namen ebenfalls Ulrich, war während des Ersten Weltkrieges General der Schweizer Armee gewesen und hatte stets enge Kontakte zu Politikern im In- und Ausland gepflegt. Ausserdem war er wirtschaftlich an der Kriegsindustrie beteiligt gewesen.[3]

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Die Villa Schönberg im Zürcher Enge-Quartier. Heute ist das Haus Teil des Museums Rietberg, in den 1920er-Jahren diente es Inez Rieter und Ulrich Wille dem Jüngeren als Wohnsitz.

Foto: Google Maps

1918 stand die Niederlage der Mittelmächte fest. Aufgrund seiner Beziehungen zum Deutschen Kaiserreich und seinen Geschäften in der Kriegswirtschaft hatte das Ende des Ersten Weltkrieg für Ulrich Wille d. Älteren handfeste wirtschaftliche Konsequenzen – die grossen Geldanlagen in österreichische und deutsche Kriegsanleihen waren bei Kriegsende wertlos geworden, er geriet in finanzielle Engpässe [4]. Vor dem Krieg hatte er sich zudem damit gebrüstet, die Schweizer Armee nach preussischem Vorbild im Sinne von Disziplin und Ordnung wieder auf Vordermann gebracht zu haben. Aufgrund der Anlehnung an den nördlichen Nachbarn erstaunt es nicht, dass er auch nach dem Krieg noch deutschlandfreundlich gesinnt war – und mit ihm weitere Vertreter aus Wirtschaft und Politik.

Ein bayerischer Politiker in Zürich

Diese deutschlandfreundliche Haltung kulminierte schliesslich 1923 in Adolf Hitlers Besuch in Zürich, in der Villa Schönberg, wo Ulrich Wille d. Jüngere 1923 wohnte. Dass Hitler überhaupt in die Schweiz gereist ist, gilt als belegt.[5] Ein Tagebucheintrag von Clara Wille, der Frau Ulrich Willes d. Älteren, illustriert die Ereignisse exemplarisch, aus heutiger Sicht aber nahezu in grotesker Weise: «Zu Tisch, Oberst Gertsch – Hittler & Dr. Ganzert. Hittler äusserst sympatisch [sic]! Der ganze Mensch bebt, wenn er spricht; er spricht wundervoll.»[6]

«Zu Tisch, Oberst Gertsch – Hittler & Dr. Ganzert. Hittler äusserst sympatisch! Der ganze Mensch bebt, wenn er spricht; er spricht wundervoll.» Clara Willes Tagebuch, 31. August 1923

Das Dokument zu Hitlers in Zürich gehaltenen Rede wurde erstmals vollständig von Alexis Schwarzenbach im Jahr 2003 innerhalb seines Artikels «Zur Lage in Deutschland»: Hitlers Zürcher Rede vom 30. August 1923 veröffentlicht. Allerdings handelt es sich dabei um eine nachträglich bereinigte auf Notizen basierende Mitschrift der Rede.[7]

In diesem Dokument ist in keinem Satz die Rede von Hitler selbst. Vielmehr trägt es den aus heutiger Sicht eindeutigen Verweis auf Hitler: «Ein bayerischer Politiker, der in der nächsten Zeit eine grössere Rolle zu spielen berufen sein kann, äusserte sich in einer Unterredung am 30. August 1923 wie folgt: […]»[8]. Diese Formulierung scheint auf den ersten Blick merkwürdig, lässt sich aber plausibel erklären. Denn beim Beantragen des Visums in München Mitte August musste Hitler dem Generalkonsulat versichern, sich von sämtlichen politischen Tätigkeiten fernzuhalten. Vielmehr nannte er Studienzwecke als Anlass seiner Reise.[9] Folglich wäre es aus der Sicht Hitlers ungeschickt gewesen, diese Rede mit seinem Namen in Verbindung zu bringen. Niklaus Meienberg beurteilt die Sachlage in für ihn gewohnt provokativer Manier: «In welcher Tracht ist Hitler erschienen? Nicht im Braunhemd vermutlich, sondern zivil im Zweireiher.»[10]

«In welcher Tracht ist Hitler erschienen? Nicht im Braunhemd vermutlich, sondern zivil im Zweireiher.» Niklaus Meienberg, 1987.

Dennoch war Hitlers Ziel von Anfang an klar politischer Natur. Aus der Mitschrift der Rede geht die Absicht, Spenden zu sammeln, zwar nicht hervor, allerdings zeichnet Hitler darin ein Bild, in dem in naher Zukunft nicht nur Nord- und Ostdeutschland, sondern auch Süddeutschland und die Schweiz vom «kommunistischen Schreckensgespenst» aus Osteuropa überrannt würden. Die Revolution «wird kommen, zwangsläufig, und sie wird von Erfolg begleitet sein, weil keine Organisation da ist, die sich ihr entgegenstellt.»[11]

Keine Organisation? Nicht direkt in denjenigen Monaten, in denen Hitler seine Rede hielt. Allerdings weiss Hitler eine Organisation zu inszenieren, die der bolschewistischen Gefahr in Zukunft gegenübertreten kann: Die NSDAP, mit ihm an der Spitze. Sein Geschichtsbild ist in fataler Weise absolut: «Dem kommunistischen Jdeal der Internationale [sic], der Vaterlandslosigkeit, muss ein nationales Ideal gegenübergestellt werden, der Glaube an das kommende Deutschland, an die Zukunft Deutschlands.»[12] Denn so oder so, die Ereignisse würden gemäss Hitler in einem von nur zwei möglichen Szenarien enden: In der Diktatur des Proletariats, oder aber, wie in Italien, in der «Diktatur eines Mussolinis»[13], wobei für Hitler selbstredend nur die zweite Option in Frage kam.

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Wikimedia Commons; Roland Fischer

Um sich aber in den politischen Wirren der Weimarer Republik durchsetzen zu können, benötigte er Geld, aufgrund der Inflationsrate am besten in Devisenform. Genaue Zahlen zur Summe der Spendengelder sowie zur Verwendung ebendieser liegen keine vor, allerdings kann davon ausgegangen werden, dass mit dem Schweizer Geld die NSDAP insbesondere im Vorfeld des Hitler-Putsches im November 1923 teilweise finanziell abgesichert werden konnte.[14]

Finanzierung in Devisenform

Die deutsche Wirtschaft kam für die NSDAP indes nicht als wesentliche Geldeinnahmequelle in Frage. Gleichzeitig verschaffte aber Mussolinis Machtetablierung in Italien im Jahr 1922 der Partei Auftrieb. Nach faschistischem Vorbild wurde in Deutschland ernsthaft mit der Nachahmung des Beispiels in Italien gedroht. Es ist belegt, dass die NSDAP vor dem Putschversuch im November 1923 seine Führungsschicht u.a. in Schweizer Franken bezahlt hat. Die bayerische Polizei fand im Zuge des darauffolgenden Prozesses entsprechende Beweise dafür.[15]

Doch wie erfolgreich diese Spendensammlung auch gewesen sein mag – Alexis Schwarzenbach bspw. spricht von einem Misserfolg, Niklaus Meienberg meint hingegen, dass die Schweizer Franken der NSDAP eine solide finanzielle Basis verschafft hätten –, es darf nicht vergessen werden, dass nicht nur Schweizer Geld für die NSDAP in Frage kam. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg floss ebenso französisches Geld in die deutsche Politik. So gab es vor allem aus Kreisen einer antibolschewistischen Front eine finanzielle Zuwendung zu den Nationalsozialisten. Ebenso hatte die Bewegung Anhänger in den USA, in den Niederlanden und in weiteren Staaten.[16]

Zu den genauen Ziffern der besagten Geldspende nach Hitlers Rede in Zürich gibt es keine eindeutigen Angaben. Die Hinweise, die die bayrische Polizei im Zuge des Prozesses und der Verurteilung Hitlers im Jahr 1924 gesammelt hat, können jedoch als am wahrscheinlichsten angesehen werden: 33’000 Franken sollen es gewesen sein. Davon abweichende Schätzungen reichen hingegen von 20’000 Franken bis hin zu über 100’000 Franken.[17] Bei Schätzungen derartiger Höhe ist aber nicht geklärt, ob es sich um das Geld handelt, das Hitler allein in Zürich sammelte, oder ob es sich dabei um die Summe aller Geldmittel handelt, die der NSDAP über einen längeren Zeitraum aus der Schweiz erhielt.

Gemäss Statistik Schweiz entsprechen 33’000 Franken aus dem Jahr 1923 im Jahr 2018 einem umgerechneten Wert von 206’000 Franken. Abgesehen von der Tatsache, dass NSDAP-Politiker in Fremdwährungen bezahlt wurden, liegen allerdings keine genaueren Angaben zu den Verwendungszwecken vor.

Vom Studententreff zur Hitlerrede

Um die Entwicklung, wie Hitler zu seinen Verbindungen in der Schweiz kam, besser zu verstehen, kommt man nicht um die Person Rudolf Hess herum. 1894 kam er als Sohn einer Deutschen Handelsfamilie in Alexandria, Ägypten, auf die Welt, siedelte aber 1908 nach Deutschland über und entwickelte sich in den 20er-Jahren zu einem engen Vertrauten Hitlers; 1933 wurde er zu dessen Stellvertreter im Dritten Reich.

Berichten zufolge hat der junge Rudolf Hess im Wintersemester 1922/23 in Zürich an der ETH studiert und war aufgrund der pro-Deutschen Haltung der Familie Wille auch mit dem jungen Ulrich vertraut. Dieser lud ihn 1923 regelmässig zum studentischen Mittagessen in der Villa Schönberg ein.[18] Studienbescheinigungen oder andere Dokumente, die Hess’ Aufenthalt in der Schweiz belegen, liegen keine vor. Aus einem Briefwechsel zwischen Rudolf Hess und dem deutschen Geographen Karl Haushofer geht aber hervor, dass sich ersterer im Sommer 1923 in der Schweiz aufgehalten hat: «Gern denk ich an den kurzen Besuch dort zurück [24.7.] […] Ob die Spenderin damals geahnt hat, was für eine Freude sie uns bereitete? […] Bitte empfehle mich auch sonst, wo man sich meiner entsinnt, besonders in Horgen und beim Oberst.»[19] Gemeint ist das Landgut Bocken in Horgen, dessen Besitzer ab 1912 die Seidenfabrikanten-Familie Schwarzenbach war. Renée Schwarzenbach-Wille war die Tochter Ulrichs d. Älteren und wuchs am besagten Ort in Horgen auf.

Durch Hess’ Aufenthalt in Zürich und seine Bekanntschaft mit der Familie Wille kam es also Ende August 1923 zum besagten Treffen Hitlers mit der Familie Wille. Ob Rudolf Hess selbst dabei war, steht nicht fest, kann aber angenommen werden. Auch die restliche Zuhörerschaft konnte bis heute nicht rekonstruiert werden.

Bolschewistisches Schreckensgespenst und die Rettung Deutschlands

Doch was genau vermittelte Hitler seinen Zuhörern? Es ging um die wirtschaftliche und politische Bedrohungslage Deutschlands. Die Regierung der Weimarer Republik sei machtlos und unfähig, die drohende Katastrophe, die mit Hunger und Elend einhergehe, zu bekämpfen. Daher forderte Hitler eine Umwälzung: «Eine Gesundung Deutschlands ist nur möglich, wenn rücksichtslos dreingefahren wird. […] Eine solche Umwälzung kann nie von einer parlamentarischen Regierung durchgeführt werden, sondern nur von einem Diktator, der sich auf eine entschlossene, wenn auch kleine Minderheit stützt.» Ausgehen sollte diese Aktion von Bayern, das noch nicht «unmittelbar dem Bolschewismus befallen» sei.[20]

«Eine Gesundung Deutschlands ist nur möglich, wenn rücksichtslos dreingefahren wird.» Adolf Hitler, Rede in Zürich, 30. August 1923

Hitler zeichnete ein Bild der drohenden bolschewistischen Gefahr, die zu bekämpfen er aufrief. Dieser thematische Schwerpunkt ist insofern interessant, als dass in keinem Wort antisemitische Parolen vorkommen; Juden bleiben vollständig unerwähnt. Das erklärt sich durch die Umstände, in denen die Rede gehalten wurde. In der Schweiz war offen antisemitisches Gedankengut in den 1920er-Jahren nicht gesellschaftstauglich, zudem war nur ein Bruchteil der Bevölkerung jüdisch. Da war die antibolschewistische Rhetorik schon deutlich anklingender. Denn Grossunternehmer und bürgerliche Politiker hatten den Landesstreik von 1918 noch in Erinnerung. Eine aufbegehrende Arbeiterschaft hatte sich gegen Ende des Ersten Weltkrieges zusammengetan, um gegen die wirtschaftliche Not zu protestieren. Eliten hatten eine kommunistische Revolution gefürchtet, und kein anderer als Ulrich Wille d. Ältere, damals General der Schweizer Armee, drängte den Bundesrat, Truppen gegen die Arbeiterschaft aufzubieten.

Ulrich Wille, pro-German General, powered by Swissinfo

Im Jahr 1923 war die Erinnerung an die aufbegehrende Arbeiterschaft noch frisch, die Angst vor weiteren bolschewistischen Vorstössen gross. Kein Wunder also, dass Hitler sich dieser Thematik bediente und die «Judenfrage» ausser Acht liess.

Insgesamt ist die Quellenlage bzgl. Hitlers Aufenthalt in der Schweiz aber dürftig. Über die Autorschaft der Abschrift der Rede herrscht keine Klarheit, inhaltlich stimmt sie aber mit Hitlers Reden überein, die er in der Zeit vor dem Putschversuch in München andernorts hielt. Angaben zu weiteren Stationen auf seiner Reise gibt es nur vereinzelte, und diese sind selbst nicht immer gesichert. Alexis Schwarzenbach bringt die Problematik der Quellenlage vielleicht etwas vorschnell zum Ausdruck: «Verlässliche Quellen dazu hat es vermutlich nie gegeben, weil der Zweck der Reise von Anfang an geheim gehalten wurde. Zuwendungen dürften nicht in Form von Bankanweisungen, sondern bar und ohne Quittung erfolgt sein. Hitlers geschickt formulierte Rede hat sicherlich zum Spendenergebnis beigetragen, inwiefern dies allerdings der NSDAP die Aufrechterhaltung ihrer Aktivitäten bis zum Putschversuch erlaubte, ist nicht geklärt.»[21]

Mit dem letzten Punkt hat Schwarzenbach sicherlich recht, es ist schwierig, die Spendeneinnahmen der NSDAP in den Kontext von 1923 zu setzen. Doch kann der Betrag, den die bayrische Polizei 1924 ermittelt hat (33’000 Schweizer Franken), als verlässlich gelten. Diesbezüglich besteht also keine solch grosse Unklarheit, wie es Schwarzenbach postuliert.

Schweigen oder Erinnern?

Der Historiker Willi Gautschi war 1978 der erste, der Hitlers Besuch in Zürich öffentlich thematisiert hat. Sein NZZ-Artikel blieb aber für lange Zeit die Ausnahme. Wie gesagt, viele Spuren gibt es nicht, und erst ein Artikel der Schweiz am Wochenende vom 17. Oktober 2015 rückte die Sachlage wieder ins öffentliche Bewusstsein. Daraufhin setzte eine Debatte ein, in der es um die Frage ging, inwiefern man dem zweifelhaften Besuch Hitlers in Zürich Erwähnung im öffentlichen Raum schenken soll. Der Tages Anzeiger berichtete knapp eine Woche später über die Tatsache, dass Hitlers Rede keinerlei Erwähnung, weder im Museum Rietberg noch von offizieller Seite der Stadt Zürich, fand. Dies sei insofern hervorzuheben, als dass andere Besucher der Villa Schönberg, etwa Richard Wagner oder der Deutsche Kaiser Wilhelm II., prominent erwähnt würden. Darauf folgte eine Debatte unter Historikern: Schweigen oder Erinnern? Philipp Sarasin von der Universität Zürich zog eine Plakette in Betracht, auf der nüchtern von Hitlers Aufenthalt in der Stadt die Rede sein sollte. Schliesslich entschied sich das Museum sowie auch die Stadt Zürich aber auf eine weniger auffallende Variante: Seit 2015 ist auf der Website des Museums Adolf Hitler namentlich erwähnt, wenn auch ein wenig euphemistisch: 1923 sei Adolf Hitler «zu Gast» in der Villa Schönberg gewesen.

«1923 war Adolf Hitler zu Gast in der Villa Schönberg. Er hielt am 30. August eine Rede zur Lage Deutschlands. Motiv für seinen Aufenthalt in Zürich war die akute Finanznot der NSDAP.» Website des Museums Rietberg.

Ängste, die Idylle könne durch den Hinweis auf Hitler zu einer Pilgerstätte von Neonazis werden, haben sich seither nicht bestätigt.

Doch die Debatte über neunzig Jahre nach Hitlers Aufenthalt in Zürich zeigt, dass Fragen der Erinnerung an grosse Männer, seien sie nun ruhmreich oder verbrecherisch in die Geschichte eingegangen, nicht leicht zu beantworten und regelmässig Gegenstand von geschichtspolitischen Debatten sind. Fest steht, dass die finanzielle Unterstützung der NSDAP aus der Schweiz kein Glanzlicht der Schweizer Geschichte darstellt. Doch muss man die Ereignisse im historischen Kontext betrachten; der Landesstreik von 1918 sowie die Rolle und Bedeutung von Ulrich Wille (d. Älteren und d. Jüngeren) können nüchterne Erklärungen liefern, wieso sich die Ereignisse 1923 so abgespielt haben. Man braucht folglich nicht davon zurückzuschrecken, auch negative Gedächtnisinhalte ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Durch den bewussten Hinweis auf solche negativen Gedächtnisinhalte können Vereinnahmungen jeglicher politischen Richtung verhindert und eine sachgerechte Debatte über historische Ereignisse ermöglicht werden.

Beitragsbild: Adolf Hitler, Wikimedia Commons.

Literatur

Gossweiler, Kurt: Kapital, Reichswehr und NSDAP 1919-1924, Berlin 1982.

Jacobsen, Hans-Adolf: Karl Haushofer. Leben und Werk, Band 2. Ausgewählter Schriftwechsel 1917-1946, Boppard a. Rhein 1979.

Meienberg, Niklaus: Die Welt als Wille und Wahn. Elemente zur Naturgeschichte eines Clans, Zürich 1987.

Scheck, Raffael: Swiss Funding for the Early Nazi Movement: Motivation, Context and Continuities, in: Journal of Modern History, 71 (4), 1999, p. 793-813.

Schmed, Silvio / Rüegg, Arthur (Hg.): Villa Schönberg. Entstehung und Erneuerung, Zürich 2003.

Schwarzenbach, Alexis: Die Geborene. Renée Schwarzenbach-Wille und ihre Familie, Zürich 2004.

Schwarzenbach, Alexis: «Zur Lage in Deutschland»: Hitlers Rede in Zürich vom 30. August 1923, in: Traverse: Zeitschrift für Geschichte (=Revue d’Histoire), Vol. 13 (1), 2006, S. 176-189.

[1] Vgl. Schmed / Rüegg (Hg.): Villa Schönberg, S. 21.

[2] Vgl. Schwarzenbach: Hitlers Rede in Zürich, S. 176.

[3] Vgl. Schwarzenbach: Die Geborene, S.164

[4] Vgl. ebd., S. 163 f.

[5] Hitler beantragte am 25. August 1923 in München am Schweizer Generalkonsulat ein Visum für die Schweiz. Vgl. Scheck, Swiss Funding, p. 805.

[6] Schwarzenbach: Hitlers Rede in Zürich, S. 182.

[7] Vgl. ebd., S. 176.

[8] Ebd., S. 178.

[9] Vgl. Meienberg: Die Welt als Wille und Wahn, S. 83

[10] Ebd.

[11] Schwarzenbach: Hitlers Rede in Zürich, S. 179.

[12] Ebd., S. 180.

[13] Ebd., S. 180 f.

[14] Vgl. Scheck, : Swiss Funding for the Early Nazi Movement, S. 807.

[15] Vgl. ebd., S. 793.

[16] Vgl. Gossweiler : Kapital, Reichswehr und NSDAP 1919-1924, S.363 f.

[17] Vgl. Meienberg: Die Welt als Wille und Wahn, S.81.

[18] Schmed / Rüegg (Hg.): Villa Schönberg, S.21.

[19] Jacobsen: Karl Haushofer. Leben und Werk, Band 2, S. 20.

[20] Schwarzenbach: Hitlers Rede in Zürich, S. 179-181.

[21] Schwarzenbach: Hitlers Rede in Zürich, S. 187.

Beitragsbild: Adolf Hitler, Wikimedia Commons.