Schaulager, Basel

Exkursion vom 19.04.2018

Das «Schaulager» in Basel wurde 2003 nach Maja Oehris Konzeption von Herzog&DeMeuron gebaut, nicht um ein Museum zu sein, sondern eben ein Lager, das sich aber dem fast inhärenten Widerspruch zwischen Lagern und Schauen widersetzen soll. Hier wird die Kunstsammlung der 1993 von Maja Hoffmann-Stehlin gegründeten Emanuel Hoffman-Stiftung aufbewahrt und ausgestellt: eine Sammlung ausschliesslich zeitgenössischer Kunst. Der seit 1941 mit der Öffentlichen Kunstsammlung Basel in einem Vertragsverhältnis (Depositum-Verträge) stehenden Stiftung drängte sich mit wachsender Sammlung allmählich ein Platzproblem auf. Auch der Bau des Museums für Gegenwartskunst in Basel löste dieses Problem nicht wirklich. Dieses wurde, nebenbei bemerkt, ehemals als das erste ausschliesslich der Gegenwartskunst gewidmete Museum der Welt ausgerufen. Doch auch hier konnte nur ein Bruchteil der grossen Sammlung aufgenommen werden.

Anlass der Gründung der Institution (und in mehreren Ländern geschützten Marke) «Schaulager» war eine Retrospektive von Dieter Roth. Das Schaulager – weder Museum noch Lagerhalle im herkömmlichen Sinn – ist tatsächlich ein Privathaus. Nur eines, das der Öffentlichkeit zugänglich ist. Die innovative Idee ist, dass Kunstwerke der Forschung zugänglich bleiben, auch wenn sie nicht ausgestellt, sondern gelagert werden. Auch gerade für grössere Formate, raumfüllende Installationen und prekäre oder untypische Materialien (deren Alterungsprozess nicht gut erforscht ist) eignet sich diese Schaulagerungsart ganz besonders, da die Werke unter Beobachtung bleiben können.

Es erstaunt eigentlich nicht, dass zeitgenössische Kunst, die oft sich selbst als Medium thematisiert, die Grenzen der Ausstellbarkeit selber prüft und Fragen über das Kunstobjekt, den Raum und das Museum reflektiert, unkonventionelle Formen der Lagerung und der Handhabung erforderlich macht. Mit dem Motto «conserve, share, exhibit» will das Schaulager zeitgenössische Kunst der Forschung und Beobachtung aussetzen und ihr so eine Zugänglichkeit verschaffen, die nicht von den Launen der Kunstwelt abhängt.

So ist denn auch der Bau selbst schon ein Unikum: die praktischen Realitäten des Kunstbetriebs und der Lagerhalle mischen sich hier mit der sakralen Monumentalität des Museums. Das zentrale «Atrium» ist beleuchtungstechnisch auf optische Effekte hin konzipiert, die ein Gefühl von nach oben strebender Unendlichkeit evozieren soll (an Dantes Läuterungsberg erinnernd, wurde bemerkt). Die Janusköpfigkeit dieses Museums/Lagers fordert kritische Rückfragen heraus: Handelt es sich hier nun tatsächlich um ein (freundlicherweise) zugänglich gemachtes Lager, oder um eine Galerie unter einem besonders strengen Ausstellungsregime? Man denke an die überall eingezogenen Mauern, die nicht ohne Weiteres erreichbaren Ebenen mit einer Aura des Verborgenen, des Unerreichbaren etc. Diesen Fragen wurde entgegnet, es herrsche hier keine kunstgeschichtliche Narration vor, sondern die Werke stünden «für sich». Der Begriff des «Originals» wird hier wichtig. Die Werke werden nicht (wie üblich) in Kisten im Dunkeln verpackt, sondern eben «offen» gelagert, der St. Petersburger Hängung nicht ganz unverwandt, wenn auch nicht unbedingt kuratorisch, sondern lagerungstechnisch angeordnet. Hier entsteht eine interessante Dynamik: Das Lager hat (bei wachsender Sammlung) das Interesse platzsparend vorzugehen. Allerdings scheint es eine gewisse Zurückhaltung zu geben, die Räume effizient zuzupflastern. Die «Originale» fordern eine gewisse würdevolle Distanz. Die Werke sind nicht blosse Ware in Kisten, sondern sind ‚auratisch’ aufgewertet. Man ist an eine Kunstphänomenologie im Sinne von Gottfried Boehm erinnert.

Im Empfangsraum, der Andy Blättler zufolge an den intimen Charakter eines Privathauses erinnern soll (wohl bemerkt, nachdem man durch das Torhaus, durch den Vorhof, an den gigantischen Projektionsflächen des monolithischen Baukörpers vorbeigekommen ist), sieht man im Prinzip alles auf einmal: Gegen Unten und Oben öffnet sich ein riesiger Raum mit verschiedenen Ebenen, in denen sich die Kunstwerke befinden. Die Stockwerke erlauben aber keinen tiefen Einblick, man sieht von hier nur weisse Flächen. Es handelt sich dabei um dünne, für die spezifischen Zwecke der jeweiligen Ausstellung eingezogene Holzwände. Es ist im Prinzip eine recht funktionalistische «Parkhaus»-Architektur, die alle kuratorischen oder eben lagertechnischen Möglichkeiten bietet. Durch eine Glaswand sieht man auch gleich den Ladebereich. Alles kann hier schnell verladen oder eingestellt werden.

Dem administrativen und logistischen Aspekt der Anlieferungen und des Austausches mit anderen Institutionen der Kunstwelt (z.B. dem MoMA) wird architektonisch Rechnung getragen. Hier «spielt die Musik» was das Geld betrifft bei den Versicherungen von Kunstwerken, den Zertifikaten als Echtheitsausweise (speziell relevant für entmaterialisierte Werke der Konzeptkunst) – kurz: bei den bürokratischen Realitäten des Kunstmarktes. Das sogenannte «Arthandling», also die Anbringung von Kunstwerken, der Transport, die Ausstellungsarbeit in enger Absprache und Zusammenarbeit mit den Künstlern, wird hier zu einer zentralen Aufgabe.

Autor: Manuel Andreas Dürr

Schreibe einen Kommentar