Restaurant Giesserei Oerlikon

Restaurant Giesserei Oerlikon

dmetzler 6. Dezember 2019

Raw Facts

Das Restaurant, welches ich als Forschungsfeld ausgesucht habe, ist eine alte Giesserei an der Birchstrasse 108, CH-8050 Zürich, im Bezirk Oerlikon, einem Viertel von Zürich, in dem hauptsächlich Fastfood und Imbissstände zu finden sind. Ein Ort, an dem das Essen auf der Grundlage der Arbeitszeit hektisch gelebt wird, unterbrochen von den ununterbrochenen Arbeitszeiten. Das Restaurant befindet sich in der Nähe der Messe Zürich und des Hallenstadions. Es ist daher der ideale Ort, um vor einem Konzert eine Kleinigkeit zu essen oder nach einem Messebesuch gemütlich abzuschalten.

Es handelt sich um ein à-la-carte-Restaurant für Lunch und Dinner sowie Sonntagsbrunch. Es organisiert Bankette, Konzerte, Feiern, Tagungen, Modeschauen, Pressekonferenzen, Generalversammlungen, Produktepräsentationen, Retraiten, Geburtstage, Hochzeiten u.v.a.m. Eric Sigrist ist verantwortlich für die Küche. Er pflegt eine ehrliche, authentische und innovative Küche mit saisonalen Köstlichkeiten.

Die Giesserei eröffnete 2013 die neue Silo-Terrasse. Damit gewann die Giesserei nicht nur zusätzliche Parkplätze, sondern auch eine attraktive Open-Air-Location für Apéros, Flying Dinners, Galadinners, Grillbuffets, etc.

Das Restaurant ist von Montag bis Freitag von 11:30 UHR – 14:00 Uhr und von 17:30 Uhr – 24:00. Uhr geöffnet.

Geschichte und Philosophie

Im letzten Jahrhundert wurden in der Giesserei Metall-Legierungen in harter Arbeit zu Armaturen verarbeitet.
Gemäss der Homepage des Restaurants zog die Firma Nyffenegger & Co. AG 1996 in einen Neubau um. Zurück blieb nach 86 Jahren intensiver Nutzung die alte Fabrik. Von der Wand bröckelte die Farbe und als Relikte einer industriellen Epoche blieben Tachometer, Rohre, Schmelzofen und Ventile zurück. Unter dem Dach der Fabrik blieb es zum Glück aber nicht lange still. Noch im gleichen Jahr veranstaltete der Künstler Lukas Hofkunst mit seinen Freunden illegale Partys in den Industriehallen und lud in die Sonntags-Wirtschaft ein, eine einzigartige Lounge für Menschen, die im Alltag nicht das Alltägliche suchten. Lounges gab es nachher noch viele, aber keine war so wie die Giesserei.
1999 wurde das Restaurant renoviert, nur das, was notwendig war. Denn das postindustrielle Ambiente, das die alte Giesserei ausmachte, sollte auch der neuen zum Erfolg verhelfen.

Quelle: https://www.diegiesserei.ch/

Ambiente

Vor dem Restaurant befinden sich bis zu 45 Parkplätze und in 150 m Entfernung (Birchstrasse 107) das kostenpflichtige Parkhaus der Kantonsschule Oerlikon.
Das ursprüngliche Giesserei-Restaurant besteht aus dem Cynar- und Cheminée-Raum. Aufgrund der Grösse und der Modularität der beiden Räume ist es die ideale Lokalität für mehrstufige Events.
Beim Dinner für kleinere Gruppen von 30-50 Personen kann der Cheminée-Raum auch exklusiv gemietet werden.
Feierlich gedeckte Holztische füllen den Raum.
Beim Betreten des Lokals erkennen meine Begleitung und ich, dass wir uns in einem Kontext befinden, der dem eines kanonischen Restaurants diametral entgegengesetzt ist.
Es handelt sich um ein zeitgenössisches Restaurant, in dem sich der Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu einem Behälter mit Geschichte des umgebenden Quartiers verschmilzt. Man bekommt das Gefühl, in einer Fabrik der Vergangenheit mit Gerichten der Gegenwart und einem starken Ehrgeiz für die Zukunft zu sein. Die elegante Note der Tische und die gehobene Atmosphäre geben dem Ambiente das klassische und traditionelle Flair, welches in diesem Quartier fehlt.
Das Zeitgenössische finden wir in der Inneneinrichtung, im Geschirr, in der Inszenierung und in bestimmten Objekten, die an den Kontext des Industriedesigns erinnern. Ein perfekter Kontrast, ein minimaler industrieller Rahmen und gut konzipierte und farbige Teller. Bequeme Stühle und ein makelloses Ambiente sorgen für ein angenehmes Gefühl.

Die Giesserei ist sehr gut geeignet für Geschäftsessen oder romantische Verabredungen. Das Restaurant hebt sich vom klassisch eleganten Ort der City ab. Es ist eher ein Ort für junge Unternehmer, die versuchen, sich von der Masse abzuheben, ohne Angst davor zu haben, beurteilt zu werden. Elegant, arrogant und begehrt zu sein: minimalistische Details.

Freiliegende Balken, die nach Zeit und Arbeit gealtert sind, unverputzte Ziegelwände, freiliegende Luftrohre und moderne Designelemente wie der schöne Kamin im Mittelpunkt, bei dem man sich entspannen kann.

Die Giesserei hat ein einmaliges Ambiente, vieles ist noch aus der Zeit, als es tatsächlich eine Giesserei war.

Die industriellen Elemente wurden stilsicher ergänzt, so dass die Räume grosszügig und einladend wirken.

Quelle: https://www.diegiesserei.ch/

Der Besuch und eigene Impressionen

Ich habe die Reservierung drei Tage vor meiner Ankunft gemacht. Ein oft übersehenes Detail ist, dass das Restaurant das Abendessen zuerst zu autorisieren hat. Der Zugang zum Restaurant sollte niemals als selbstverständlich angesehen werden. Es gibt zwar viele Orte, an denen sogenannte Walk-Ins oder spontane Besuche ohne Vorankündigung möglich sind. Es ist aber auch wahr, dass Restaurants, sobald sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, eine wirklich rücksichtslose Manipulatorrolle einnehmen können: Sie können es sich leisten, zu entscheiden, ob das Abendessen stattfinden kann oder nicht.

Ich entscheide mich vor dem Betreten noch eine Zigarette zu rauchen und das Restaurant von draussen zu betrachten.
Sobald wir eintreten werden wir vom Chef du Salle begrüsst. Dabei nimmt er unsere Mäntel entgegen. Zum Tisch werden wir von der Kellnerin Nicole (18 Jahre alt und seit zwei Jahren in der Lehre dort) im ersten Saal (Cynar Saal) begleitet.

Nach etwa fünf Minuten wird uns das Menu gebracht, welches interessant, aber nicht grossartig war.
Gut war, dass es (wenn auch nur wenige) vegetarische und vegane Möglichkeiten enthielt, da meine Begleitung Vegetarierin ist.

Dies führt mich zu folgender Überlegung:

Aufgrund bestimmter diätetischer Einschränkungen, die sich auf den persönlichen Geschmack wie kulturelle, ethische und / oder religiöse  Vorgaben oder die körperlichen Verhältnisse beziehen, kann der Gast seine Wahl auf Restaurants beschränken, die eine bestimmte Art von Küche anbieten. Aber umgekehrt verweigert auch das Restaurant durch die Art seiner Küche den Zutritt, besonders bei schweren Allergien oder schweren Lebensmitteltabus (man denke an Gluten; aber auch an die koscheren Produkte). Das Problem tritt auch bei Restaurants auf, deren Küche als „global“ definiert werden könnte, mit einer Vielzahl von Zutaten, deren Zubereitung und Kombination auf Rezepten basiert, die diese Einschränkungen nicht berücksichtigen und deren einzige grundsätzliche Einschränkung wie immer die Essbarkeit ist.

Das Restaurant-Erlebnis: Das Menu und unsere Wahl

Quelle: https://www.diegiesserei.ch/

Wir sassen an einem Tisch, der etwas von den anderen Tischen entfernt war, und hatten dadurch absolute Privatsphäre, auch war der Lärmpegel generell niedrig, was ich als sehr angenehm empfand. Die Bedienung war äusserst aufmerksam und freundlich.

Die Gerichte sind schön angerichtet und grosszügig portioniert. Sie überzeugen bei unserem Besuch allerdings nicht bis ins Detail: Kaum Anlass zur Kritik bieten der prächtige grosse Wintersalat (Fr. 18.), das Schweizer Rindsentrecôte (Fr. 58.–), das Rinstartar mit pochiertem Eigelb (Fr. 26.–). Bei der Feinabstimmung der Beilagen indes hapert es: Das Gemüse beispielsweise ist trocken, fad und ohne Biss.

Von der sehr inspiriert sortierten Weinkarte wählen wir, da die Kellnerin es empfiehlt, ein Glas von dem im Barrique angebauten Merlot aus der Arzo Region im Tessin (Fr. 13.–) Dieser erweist sich als nicht ganz so vollmundig wie angekündigt, aber das lasten wir nicht dem Service an. Dieser sammelt nämlich eindeutig Pluspunkte für die Sympathie und Professionalität.

Das Essen schmeckte insgesamt köstlich. Und auch wenn das Preisniveau generell eher gehoben ist, ist das Essen seinen Preis durchaus wert. Es dauerte insgesamt 20 Minuten, bis die jeweiligen Gänge serviert wurden; v.a. vom Hauptgang zum Dessert.

Während der Wartezeit haben wir ein Gespräch mit der Kellnerin geführt. Ihre Beziehung zu den Gästen erachtet sie als sehr gut. Sie erklärte uns, dass es bei Stammgästen vorkommt, dass man schon weiss, was sie bestellen möchten. Dies zeugt von einem sehr guten Verhältnis zwischen Kunde und Service. Bei der Frage, was sie von der Atmosphäre und vom Ambiente des Lokals halte, antwortete sie, es sei eine gute Mischung von Hipster-  und klassischem Flair, was dem Ort Ruhe verleihe.

Leider wurde der Espresso nicht zum Dessert geliefert, sondern lange davor.

Zudem waren wir von der Beleuchtung – oder mehr dem Fehlen davon – irritiert. Meine Begleitung musste die Handytaschenlampe benutzen, um das Menu lesen zu können.
Kurz bevor wir das Lokal verlassen wollten, fragte ich Nicole noch, wer das Zielpublikums des Restaurants sei. Sie erklärte mir, dass der grösste Teil der Gäste Businessmenschen seien und sie oft ihre Kundschaft zum Abendessen hierherführen würden. Oft kämen auch Gäste, die ein romantisches Date wollten oder Ehepaare. Sehr rar seien dagegen Gruppen von Freunden.

Dies wiederspiegelt zum Teil die Eigenschaften des Quartiers.

Wir haben 1 Stunde und 45 Minuten im Lokal verbracht.

Überlegungen zur Restaurantkultur

Nach meinem Besuch in der Giesserei habe ich folgende Gedanken:
Ein Ereignis wie ein gediegenes Abendessen in einer speziellen Lokalität erfordert von allen Beteiligten Wissen, Akzeptanz und Einhaltung einer unausgesprochenen Liste von geltenden Regeln.
Zuallererst muss der Gast wissen, wie er sich am Tisch zu verhalten hat, was bedeutet, dass er nicht nur die Anwesenden und das Personal im Speisesaal anspricht, sondern auch die ihm zur Verfügung stehenden Werkzeuge (Besteck, Gläser und Teller) bedienen kann.
Aber auch das Essen selbst stellt zum Teil Herausforderungen dar: Einige Gerichte erinnern weder an die Ausgangszutaten noch an das Referenzrezept, von dem sie ausgehen, wie im Fall des in der Giesserei servierten Tartars, und zwar in Form, Farbe, Textur oder sogar Geschmack.

Sobald ich Platz nahm, fielen mir Dinge auf, die nicht direkt mit dem Essen zu tun hatten, aber sich doch stark aufs Ereignis „Essengehen“ auswirkten, etwa die Wechselwirkungen zwischen Restaurantmitarbeitern, anderen Gäste, die das Sichtfeld und / oder das Hörfeld auf unterschiedliche Weise ausfüllen können, und Objekten.
Mir wurde zudem klar, dass ich von anderen Essensgerüchen nicht gestört wurde. Der Geruchssinn und die Geruchseigenschaften der Gerichte wurden dadurch nicht kontaminiert, verändert oder vollständig überdeckt.
Das Bild des Restaurants erzeugt offensichtlich bestimmte Erwartungen, die sich aus unseren Erinnerungen, Vorkenntnissen oder Erfahrungen ergeben. Die Philosophie oder das Konzept, das einem Restaurant zugrunde liegt, stellt eine wesentliche Botschaft des Essens dar.
Der Service und seine Qualität wird quantifiziert, indem darauf geachtet wird, wie die Gäste behandelt werden, was eine stärkere Betonung des Hauptkontaktpunkts zwischen dem Gast und den Schauspielern des Restaurants (den Kellnern) impliziert. Das Essen in einem Restaurant ist ein einzigartiges Erlebnis, das wir als Unterhaltungsprogramm etabliert haben, da es alle sensorischen Kanäle ausnahmslos aktivieren kann.

Tatar – Fotografie von Damiano Metzler

Schlussfolgerung

Nachdem ich die Giesserei besuchte, erlebte ich dieses seltsame Gefühl der akkuraten Dekadenz, eines Designs, bei dem die Zeit dazu beigetragen hat, jedem einzelnen Objekt die richtige Schönheit zu verleihen.
Ein Hauch von Erfahrung, der nur die Zeit geben kann, der das Lokal realer und weniger perfekt macht, der andere ästhetische Möglichkeiten bietet, um einen neuen Massstab zu etablieren. Eine Schönheit, die sich von der von uns gewohnten unterscheidet.

Diese krampfhafte Suche nach Perfektion, die typisch für unser Jahrhundert ist, kann stressig sein. Auch meine Begleitung (30 Jahre alt) erkannte, wie Unvollkommenheit Charakter und Einzigartigkeit enthalten kann. Für sie ist es dem Restaurant gelungen, diesem Trend Rechnung zu tragen und mit den gealterten und rissigen Wänden diese wirklich intensive und unkonventionelle Balance zu erzielen, auch dank der Genauigkeit der Einrichtung, die für die Verfeinerung und Einzigartigkeit des Ortes von grundlegender Bedeutung ist. Zusätzlich lobte sie den ausgezeichneten Service und die gemütliche und elegante Atmosphäre.

Ein Restaurant, dessen Sorgfalt fürs Erzählen von Geschichten sich auf allen Ebenen des Essens widerspiegelt: vom einzelnen Gericht bis hin zur gesamten Aufführung des Services. Die Erzählreihenfolge nach dem Stil der angebotenen Küche lebt von Referenzen. Dabei wurde ein historischer Kompromiss zwischen der schweizerischen und französischen kulinarischen Tradition gefunden. Insbesondere die Umwelt spielt nicht nur in ästhetischer, sondern vor allem in konzeptioneller Hinsich eine wesentliche Rolle für die Entwicklung der Küche.

Das Erlebnis im Restaurant Giesserei, welches mir derart stark empfohlen wurde und derart gut beworben wurde, erwies sich trotzdem ein wenig als Enttäuschung. Die Gerichte waren zwar sehr gut, aber das Ambiente auf jeden Fall besser. Leider kann ein Lokal nicht seine Stärke komplett auf das Ambiente ausrichten, dies zerstört sonst das ganze Konzept des Restaurants selbst.

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