Heldenepos

Dass uns[ ] in alten mæren wunders vil geseit ist, steht so zumindest in der Handschrift C (Donaueschingen, 13. Jhdt.) des Nibelungenliedes. Damit stellt einer der wohl bekanntesten literarischen Texte des Mittelalters bereits in seiner allerersten Zeile einen Verschriftungsprozess aus, den bis anhin eher mündlich tradierte Erzählungen unzweifelbar erfahren haben müssen, damit die Sagen um Helden wie Siegfried oder Herrscher wie Etzel schwarz auf weiß in einer Handschrift zu lesen sind. Dass diesen alten mæren nicht allein der Sprung aus der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit, sondern auch aus der Schriftlichkeit ins bewegte Bild oder die erklingende Musik gelungen ist, die Erzählungen also im Verlauf der Geschichte immer wieder in neue Medien eingegangen sind, ließe sich an der mindestens ebenso bekannten Rezeptionsgeschichte zu diesem mittelhochdeutschen Heldenepos ablesen (beispielsweise an Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ [1876] oder Fritz Langs „Die Nibelungen“ [1924]).

Die offenkundige Affinität des Nibelungenlieds zur Multimedialität wurde im Pilot-Seminar zur Veranstaltungsreihe aufgegriffen, doch nicht etwa, um den Inhalt des Epos weiteren Medienwechseln zu unterziehen. Stattdessen wurden erstmalig literaturwissenschaftlich relevante Aspekte des Textes wie z. B. die Bündnisstrategien einzelner Figuren, Wissens-und-Wahrnehmungs-Inkongruenzen oder auch die Symbolik verschiedener Flüssigkeiten ausfindig gemacht, deren Bedeutsamkeit bei der Auseinandersetzung mit dem vormodernen Text gerade durch den Einsatz neuer Medien als Analyseinstrument besonders zur Geltung kommt.


«HOT ‘N‘ COLD»

Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Ich wollte die Eigenschaften und das Verhältnis von Wasser, Blut und Wein zueinander im Nibelungenlied untersuchen.

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Zusätzliche mediale Ebenen konnten zur Vermittlung dieses Aspektes genutzt werden, wie es in einer medial schriftlichen Seminararbeit nicht möglich gewesen wäre. Dies betrifft nicht nur die Synchronizität von Informationsvermittlung, sondern insbesondere auch die Darstellungsform selbst: Die verschiedenen medialen Ebenen in einem Video erlauben es, literarische Strukturen auf vielfältigere Weise darzustellen; Strukturen, welchen in einer rein schriftbasierten, literaturwissenschaftlichen Arbeit nur unzureichend Ausdruck verliehen werden kann. Auf diese Weise kann eine Videoarbeit verstärkt den individuellen Bedürfnissen wissenschaftlichen Arbeitens begegnen.

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Die – teils nicht vorhersehbare – Konstellation von literaturwissenschaftlichen Inhalten in einem Video eröffnet Perspektiven auf literarische Sachverhalte, welche zuvor durch die Vermittlung in rein schriftbasierten Medien nicht sichtbar gemacht und weniger leicht erschlossen werden konnten. Ausserdem wird die Eigenständigkeit einer Arbeit stärker akzentuiert.
Die Videoarbeit erfordert ein erhöhtes Problembewusstsein, um nicht gewohnte Arbeitstechniken und -strukturen aus dem Umgang mit medial schriftlichen Erzeugnissen auf die Videoproduktion zu übertragen. Sie benötigt sowohl eine gewisse Flexibilität als auch die Bereitschaft zur Kreativität. Fehlendes technisches Know-how kann sich ebenfalls als Hürde präsentieren, dem jedoch mit fachkundiger Unterstützung gut abgeholfen werden kann (Online-Tutorials, technische Begleitung, Tutorat und mehr).

Eliya Livas
«Kriemhild goes Facebook – Emanzipation im Nibelungenlied»

Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Wir haben uns in unserem Video mit der Figur Kriemhild beschäftigt. Im Fokus standen dabei ihr Aufstieg und die Ausführung ihres Racheplans im zweiten Teil des Nibelungenlieds. Der grundlegende Konflikt rund um den Hort ist bereits im ersten Teil angelegt. Im Video wollten wir aufzeigen, wie Kriemhild – vor allem im zweiten Teil – ihre Beziehungen darauf auslegt, zunächst durch den Hort, später durch ihre Machtposition als Frau von Etzel, Verbündete zu gewinnen, um sich an ihren Brüdern zu rächen. 

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Wir haben uns dazu entschieden, unser Video mit Social Media umzusetzen. Das hat uns einerseits ermöglicht, direkte Zitate aus dem Nibelungenlied zu verwenden und somit nahe am Text zu arbeiten. Mit den beiden Social Media Plattformen Facebook und WhatsApp haben wir ausserdem zwei unterschiedliche Kommunikationsformen einbezogen: Facebook haben wir für Szenen aus einem eher öffentlichen Kontext verwendet – so kommuniziert Kriemhild in unserem Video auf Facebook mit den Figuren, die sie nicht so gut kennt. Auf WhatsApp dagegen ist die Kommunikation eher privat, deshalb haben wir dort die Konversationen der Figuren abgebildet, die ein enges Verhältnis haben. Über die Möglichkeiten, welche die jeweiligen Plattformen bieten, haben wir versucht, das abzubilden, was wir nicht über die Zitate aus dem Nibelungenlied darstellen konnten; beispielsweise durch den Wechsel von Profilbildern auf Facebook oder von Gruppenchatnamensänderungen auf WhatsApp. 

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Probleme hatten wir vor allem mit Facebook, weil wir zwei Profile erstellt haben, auf denen wir jeweils Name und Profilbild gewechselt haben, um die in unserem Video vorkommenden Figuren abzubilden. Weil wir viele Änderungen vorgenommen haben, wurde eines unserer beiden Profile gesperrt. Durch die Verwendung von Social Media Plattformen konnten wir Bilder und Emojis verwenden, die für sich sprechen, ohne dass man zusätzliche Kommentare einfügen muss. Auch das Fertigstellen des Videos hat mit den einzelnen Schnitten, dem Tempo der einzelnen Ausschnitte und dem Zusammenfügen von Bild und Ton länger gedauert als angenommen – auch, weil wir beide nicht geübt waren im Umgang mit Videobearbeitungsprogrammen.

Alexandra Lüthi, Lisa Zikeli
«Das Nibelungenlied: Ursprung und Verbreitung»

Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Wir wollten uns hauptsächlich aussertextuellen Themen widmen. Insbesondere war dies die Frage der Provenienz des Nibelungenlieds. Wir entschieden uns, in diesem Zusammenhang auch die Nibelungenstrophe zu behandeln. Wir haben uns bewusst für Themen entschieden, die beim Lesen der Sekundärliteratur schwieriger bildlich vorzustellen sind.

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Eine bildliche Darstellung geographischer Verhältnisse bietet sich in einem visuellen Medium besonders, wenn nicht besser als in einem textuellen, an. Auch bei der Nibelungenstrophe kann eine visuelle Einblendung des Metrums über der Strophe sehr zum Verständnis beitragen. Das Versmass ist visuell und auditiv leichter zu verstehen, als wenn versucht würde, es textuell zu beschreiben. Gerade für neue Studierende der Germanistik oder Gymi-Schüler, aber auch generell für Neulinge der Thematik können solche Visualisierungen hilfreich sein, die Thematik zu verstehen, ohne sich bereits in der Metrik auszukennen. Leider gelang es uns letzten Endes aufgrund technischer Limitationen nicht, diese Visualisierung wie geplant ins Video inkorporieren zu können.

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Potentiale ergaben sich keine. Das Hauptproblem bestand in unseren technischen Fähigkeiten. Wir wussten zwar, wie man einzelne Animationen zeichnet, wie man diese Animationen mit Videobearbeitungsprogrammen darstellt, war uns aber nicht bewusst. Leider fehlte uns allen auch die Zeit, uns stark in neue digitale Programme einzuarbeiten. Der grösste Verlust war das Wegfallen einer zur Sprache getimten Einfärbung der Nibelungenstrophe, um damit das Versmass zu verbildlichen. Hier hätten wir uns mehr technische Unterstützung und Erfahrung seitens der Dozierenden gewünscht.

Leonie Beckmann, Mélisande Brechbühl, Viviane Krayer
«Wahrnehmung und Wissen im Nibelungenlied»

Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Wahrnehmung und Realität stimmen im Nibelungenlied nicht immer überein, weshalb verschiedene Figuren über unterschiedliches Wissen verfügen. Dies resultiert in Konflikten. Wir wollten aufzeigen, wie viele Schlüsselszenen eine Diskrepanz von Wahrnehmung und Wissen aufweisen und diese schliesslich in der Katastrophe münden.

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Es sollte insbesondere die Verkettung der vielen Szenen, welche diese Konflikte aufweisen, aufgezeigt werden und die Eskalation am Ende. Dafür wählten wir als Rahmen die Kettenglieder, die oben im Video eingeblendet waren. Ausserdem sollten die unterschiedlichen Figurenperspektiven sowie die daraus resultierenden Spannungen mittels Ähnlichkeiten, Animation und Anordnung (beispielsweise farblich, in ihrer Form, hierarchisch in der vertikalen Anordnung etc.) illustriert werden.

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Inhalte zu visualisieren kann auch für eine Analyse hilfreich sein. Über die Inhalte muss auf eine andere Art nachgedacht werden. Dies kann im Team zu Diskussionen führen, was wiederum interessante neue Anschauungen hervorbringen kann. Visuell zu arbeiten – gerade auch beim Thema «Wahrnehmung» – kann zudem nahe am Text bestimmte Deutungsinhalte hervorheben und verdeutlichen.
Ein Video einzusprechen ist gar nicht so einfach. Es ist zeitaufwändig und für die Sprecherin anspruchsvoll. Zudem kann man rückblickend sagen, dass Redundanz und einfachere Sätze im Skript ein Video besser verständlich machen.

Jana Seebass, Julia Sutter