Heiligenlegende

Seit der Spätantike entwickelt sich die überaus populäre Erzähltradition der Heiligenlegende. An dieser wirkmächtigen Form der geistlichen Literatur lassen sich vielfältige Entwürfe von Heiligkeit zwischen menschlichem und göttlichem Handeln beobachten. Die Texte operieren dafür etwa mit den Spannungsfeldern von Weltsucht und Weltflucht, Enthüllen und Verbergen, Transparenz und Opazität, Aktion und Kontemplation, Exklusivität und Serialität – doch erweist sich das ganze Erzählvorhaben stets von dem nahezu paradoxen Anspruch geprägt, etwas zu vermitteln, was sich nur von selbst zeigen kann. 

So verhandeln mittelalterliche Legenden im Bestreben des Sichtbarmachens und Bezeugens der Heiligkeit ihrer Protagonisten zugleich Fragen ihrer eigenen Medialität als Erzählung sowie ganz allgemein: der Möglichkeit, aber auch Notwendigkeit einer Mediatisierung von Heil. Gott selbst schickt seinen Sohn Jesus Christus als den Mittler schlechthin in die Welt, der als Fleisch gewordenes Wort vom Himmelreich kündet und zum Gott gefälligen Leben anleitet. Die Heiligen dann setzen einerseits in ihrer imitatio Christi, andererseits als imitabile für weitere Gläubige oder zum Glauben zu Bekehrende die in der Bibel formal wie inhaltlich vorgeprägte Vermittlungsleistung fort und haben dergestalt Anteil an einer regelrechten Kette der Heilsvermittlung. Diese prekären und doch konstitutiven, in Anspruch genommenen wie dargestellten medialen Prozesse rufen geradezu dazu auf, dieser maßgeblichen Charakteristik von Heiligenlegenden auch in ihrer Analyse multimedial zu begegnen.


«#imitatio. Die heilige Lucia als Influencerin»
 
Literaturwissenschaftlicher Ansatz 
Die Vorbildfunktion der Heiligen sowie das Konzept der imitatio, also die angestrebte Nachahmung der Heiligen, sollte in unser medial bestimmtes Zeitalter transferiert werden. 

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Die Vorbildfunktion, die in Heiligenlegenden lediglich sprachlich zum Ausdruck kommt, wird in unserem Video audiovisuell dargestellt. Die imitatio wird übersetzt in steigende Follower-Zahlen der heiligen Lucia als Influencerin. Der Transfer der heiligen Lucia in das moderne Instagram-Setting ermöglichte es zudem, aufzuzeigen, dass wir auch in unserem Alltag Personen begegnen, die gewisse Eigenschaften der Heiligen in Heiligenlegenden aufweisen.

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Die grössten Herausforderungen lagen in der technischen Umsetzung unserer Ideen. Das Kennenlernen verschiedener Schnittprogramme, das Filmen und Schneiden sowie die Vertonung des Videos beanspruchten viel Zeit und Übung.

Laura Barberio, Arianne Dedual, Olivia Meier 
«Longinus wiedererzählt! Die Aktualisierung von Legenden durchs Wiedererzählen»
 
Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Ein Aspekt, der mich bisher immer in der älteren Literaturwissenschaft interessiert hatte, war der Aspekt des Wiedererzählens. Da Legenden oft auch in diese Praxis fallen, habe ich mich dazu entschlossen diese Verbindung genauer zu betrachten. 

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Das Video ermöglichte mir genau diesen Fokus noch zu verstärken, denn im Video wird in gewisser Weise selbst wiedererzählt. Das versuchte ich dann auch darzustellen. 

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Potenzial sehe ich vor allem in der Möglichkeit des Zeigens. Es muss nicht mehr alles in Sprache formuliert werden, denn es können sowohl Bilder wie auch Töne und Musik verwendet werden, die Einsichten geben können, was mithilfe blosser Sprache um einiges schwieriger wäre.

Colin Schmid
«Wie funktionieren mittelalterliche Heiligenlegenden?»
 
Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Die Grundidee dahinter war, den Ursprung der Heiligenlegenden aufzuzeigen und ihre Wirkung damals (sozusagen in ihrer ursprünglichen Rezeption) und heute (in einer literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung) einander gegenüberzustellen. Dazu habe ich mithilfe von Forschungsliteratur ein dreiteiliges Schema entwickelt, nach dem Heiligenlegenden funktionieren (Macht Gottes – Wunder – Zeugenschaft/schriftliches Zeugnis des Wunders), und es am Beispiel der Legende der heiligen Lucia versucht zu vermitteln. In einem zweiten Teil des Videos gehe ich auf das Verhältnis von schematischem Erzählen und immer neuer Aushandlung sowie auf das Verhältnis zwischen erzähltem Raum und realer Welt früher/heute ein. 

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Durch die Papierfiguren/Zeichen, die ich für mein Video entwickelt habe, ist es einfacher, Schemenhaftigkeit darzustellen, als ausschliesslich schriftlich. Die Planung und Ausführung des Videos zwingt einen ausserdem selbst, sich mit dem Stoff so auseinanderzusetzen, dass man ihn wirklich versteht und auf den Kern herunterbrechen kann, ohne dass dabei Wissen verloren geht (das ist mir aber sicher nicht durchgehend gelungen). Es ist, als würde man sich eine literaturwissenschaftliche Frage immer und immer wieder stellen und erklären bis man beim Endergebnis – dem fertigen Video – ankommt.

Ungeahnte Potentiale/Probleme
Probleme: Schlussendlich braucht man für ein so kurzes Video viel weniger Material, als man denkt. Bei mir gelang nicht immer der Übergang von konzeptioneller Schriftlichkeit – ursprünglich hatte ich ja meine Ideen aufgeschrieben und auch Forschungsliteratur einbezogen – zur konzeptionellen Mündlichkeit, die im Video vorherrschen sollte. Ich hätte mit meinem Material auch ein 8-minütiges Video machen können und war überrascht, wie viel ich noch wegkürzen  musste. 
Potentiale: Ich konnte beim Video sehr kreativ sein. Ich habe versucht, mit so wenig Mitteln wie nötig ein möglichst „schönes“ Video zu machen. Die Möglichkeiten der Umsetzung sind vielfältig und ich habe beim Produzieren des Videos viel neues gelernt: den Umgang mit einer Kamera, die Arbeit mit einem guten Schnittprogramm etc. Trotzdem ist es natürlich sehr zeitaufwändig. Ich denke, dass die Herausforderung, sich mit einem literaturwissenschaftlichen Thema im Rahmen eines multimedialen Projektes auseinanderzusetzen, viel neues, unerwartetes und bestimmt auch nützliches mit sich bringt: Multimedialität wird immer mehr zum Thema. Und wenn man etwas richtig gut verstanden haben will, ist es ziemlich nützlich, es mit ungewohnten Mitteln neu zu erklären.

Larissa Waibel
«Heilig werden ist ein Weg»

Literaturwissenschaftlicher Ansatz
Wir haben uns mit dem Thema «Wann wird einer heiligen Personderen Heiligkeit offenbart?» beschäftigt. Unser Projekt hat sich auf die Textstellen konzentriert, wo der heiligen Person bewusst wird oder bewusst gemacht wird, dass sie heilig ist. Schlüsselstelle im Text war das Gespräch zwischen Lucia und der heiligen Agathe, in welchem Agathe Lucia aufzeigt, dass Lucia heilig ist.
Dieses Gespräch zwischen den zwei Figuren hat auf der transzendenten Ebene stattgefunden. Wenn aber Heiligkeit auf transzendenter Ebene offenbart oder bewusst gemacht wird, dann muss sie sich erst noch in der weltlichen Ebene etablieren. Daher war die zweite Grundidee von unserem Video, dass wir im Text nach Stellen suchen, die aufzeigen, wie sich Heiligkeit in der irdischen Welt einrichtet. Dabei sind wir auf die drei Hauptpunkte «Askese», «Loslösung von sozialen Strukturen» und «Schöpfung von Kraft aus transzendenter Quelle bei Widerstand» gestossen. Sind diese Punkte erfüllt, dann kann Heiligkeit sich auf der weltlichen Ebene etablieren.
 
Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Wir finden, dass dieses Thema mit visuellen Inhalten klar aufgedröselt und dem Zuschauer nahegebracht werden kann. Die Unterteilung in zwei Teile des Videos und die Aufbrechung des zweiten Teils in drei Unterbereiche macht es gut möglich, dass man den Inhalt videotechnisch darstellen kann.
Zum Beispiel verbanden wir das Thema «Heiligkeit» mit Aufnahmen, die den Himmel zeigen, das Thema «weltliches Leben» hingegen mit dunkleren Aufnahmen oder solchen, welche zum Beispiel nach unten gerichtet sind. Diese Tatsache ist auch bei der Szene mit den Beinen ersichtlich: Die Szene startet zuerst als sehr helle Szene und wird dann immer dunkler. Dabei wird der Text: «Heilig werden ist ein Weg. Doch wo beginnt er?» eingesprochen. Beim Wort «Heilig» ist die Szene noch sehr hell, doch bei den letzten Worten ist das Bild stark abgedunkelt. Grund dafür ist, dass ein abgedunkeltes Bild den Beginn der Heiligkeit, bzw. die noch zurückzulegende Strecke zur Heiligkeit symbolisiert.
 
Ungeahnte Potentiale/Probleme
Ungeahnte Potentiale ergaben sich für uns beim Filmen der «Standbilder» im Wald. Wir wollten alle Parts, in welchen Lucia oder das Thema «Heiligkeit» erwähnt werden, mit Licht in Verbindung bringen. Das heisst, dass wir entweder direkt eine Lichtquelle gefilmt haben (Kerze, Sonne) oder ein helles Bild erzeugt haben. Dies war zum Beispiel bei den Waldaufnahmen gut möglich, da diese zu einer Zeit erstellt wurden, in welchen die Sonne tief schien.
Probleme ergaben sich bei den Wasseraufnahmen. Es war schwierig, ohne Hilfe eine Quelle zu beleuchten und gleichzeitig zu filmen.

Allegra Carluccio, Jennifer Engler
«Der heilige Körper. Eine diachrone Studie zu Konrads von Wüzburg Alexius und Joseph Roths Legende vom Heiligen Trinker»
 
Literaturwissenschaftlicher Ansatz 
Die Hauptthematik war insbesondere der Tod, mit dem der obdachlose Alkoholkranke Andreas unmittelbarer konfrontiert ist als Leute innerhalb der Gesellschaft. Sein Leben ist bereits geprägt von Verzicht auf Nahrung, mangelnder Hygiene und fehlendem Obdach. Fraglich ist, ob und inwiefern man bei einer obdachlosen und alkoholkranken Person von einer heiligen Vita sprechen kann. Es geht auch um die Kritik an einer heiligen Vita, die sich bei einem obdachlosen Alkoholkranken nicht wie bei einem Heiligen durchlaufen lässt, weil er bereits im Verzicht und am Rande der Gesellschaft lebt.

Synergie: Multimedialität und Literaturwissenschaft
Der Körper/das äussere Erscheinungsbild kann viel über das Wohlbefinden einer Person aussagen und ist zugleich ein wichtiger Faktor bei den Heiligen. Da der Körper das Leben widerspiegelt, ist er zentral für die Untersuchung. Die Kontraste zwischen Alexius und dem Trinker Andreas wurden am Körper sichtbar. Dieser Kontrast wurde im Video u.a. durch den schwarz-weissen Hintergrund hervorgehoben.

Vanessa Casertano, Tamara Fernandez, Olivia Mohr
«Vita activa und vita contemplativa in der Maria-Magdalena-Legende der Legenda aurea»

Deya Frey