Der bedeutendste rote Farbstoff in Europa: Alizarin

Der bedeutendste rote Farbstoff in Europa: Alizarin

Natürliches Alizarin aus Färberkrapp

Die Wurzeln von Fär­berkrapp enthal­ten einen roten Farb­stoff: Alizarin. Dieser Farb­stoff diente u.a. zum Fär­ben von Tex­tilien und Gar­nen. Die Farbe, die mit Fär­berkrappfär­bung entste­ht heisst Türkischrot.

Wirtschaftliche Bedeu­tung

Alizarin aus Fär­berkrapp war der bedeu­tend­ste rote Farb­stoff in Europa von der Antike bis zum syn­thetis­chen Alizarin. Bis ins 19. Jahrhun­dert galt es als wichtiges Han­delsgut und ver­half Bauern zu einem sicheren Einkommen. 

Ein gelun­gener Krap­pan­bau ver­sprach ein sicheres Einkom­men. Auch Pestalozzi ver­suchte sich daher im Krap­pan­bau, jedoch erfolglos.

Die Fär­berkrapp-Indus­trie gehört zu den zen­tralen Frühin­dus­trien. Arbei­t­ende der Türkischrot­fär­berei macht­en einen grossen Teil des Pro­le­tari­ats im 19. Jh. aus und gehörten zu den ersten, die genossen­schaftlich organ­isierte Sozialver­sicherung einführten.

Das Ver­fahren der Türkischrot­fär­berei kommt ursprünglich aus Kleinasien (daher der Name) ver­bre­it­ete sich dann aber in den unter­schiedlich­sten Wel­tre­gio­nen, u.a. auch in Europa. In Europa sel­ber ver­drängte dann die lokale, qual­i­ta­tiv hochste­hende Türkischrot­fär­berei den Import von türkischroten Gar­nen und Tüch­ern aus dem Ori­ent. Statt Import fand dann ein reger, weltweit­er Exporthandel mit gefärbten Gar­nen und bedruck­ten Tüch­ern statt.

Beson­ders zen­tral war Türkischrot für den Tex­til­druck, ins­beson­dere für den Indi­ennedruck. Mit der Erfind­ung des Ätz­drucks gewann Fär­berkrapp weit­er an Bedeutung.

Ätz­druck:

Türkischrot gefärbter Stoff mit Säure bedruck­en, die Säure ätzt die rote Farbe weg.

Ergeb­nis: weiss­es Druck­muster auf rotem Hintergrund

Beispiel: Glarn­er Tüechli 

Türkischrot in der Schweiz

Das bis heute über Lan­des­gren­zen hin­aus bekan­nte “Glarn­er Tüech­li” ste­ht exem­plar­isch für die Bedeu­tung von Tex­til­druck mit Türkischrot in der Schweiz. Glarus, Thur­gau, St. Gallen und Zürich waren hierzu­lande zen­trale Stan­dorte für Tex­til­druck und Fär­berei mit Türkischrot. Im Drahtschmidli (heute Kul­turhaus Dynamo) in Zürich ent­stand 1784 die erste Rot­farb der Schweiz.

Getrock­nete Krap­p­wurzeln
Quelle: File:Rubii1.JPG — Wiki­me­dia Commons
Pro­duk­tion, GewinnungKrapp­bauernGewin­nung: Krap­p­wurzeln von ca. drei­jähri­gen Pflanzen ern­ten, Wurzeln waschen, z.T. mit Dampf behan­deln, trock­nen, dreschen (Wurzel­haare und Ober­haut ent­fer­nen = beraubter Krapp). Wurzeln zu Pul­ver zer­stossen. (Welche Schritte davon machen die Bauern?)
Aus­beute: 5–10% der Trock­en­masse der Wurzeln
Ver­mit­tlungKau­fleute
Ver­brauchFär­bereien, TextildruckereienRot­far­ben: Viele unter­schiedliche Prozesse für die Fär­berei, daher viele unter­schiedlich aus­ges­tat­tete Räume und oft weitläu­fige Fab­rikan­la­gen. Wahrze­ichen sind die hohen Trock­en­türme (= Hängetürme, “Hänki­turm”, Lufthän­gen). Diese mussten bei schlechtem Wet­ter beheizt wer­den (= Heis­shänge), was oft zu Brän­den führte, weil in den Heis­shän­gen die frisch geöl­ten Tüch­er oft Feuer fin­gen. (Quelle dazu: KPP 1/78.11 Rot­farb: Wieder­auf­baupro­jekt des Tröck­ne­turmes für die Rot­fär­berei von Got­tfried Hof­mann, Ansicht­en, Grun­drisse und Schn… (1898.07) (sg.ch) ). Als sich syn­thetis­ches Alizarin durchge­set­zt hat­te, wur­den viele Trock­en­türme abge­brochen und das Mate­r­i­al für andere Baut­en wiederverwendet. 
Der Hänki­turm beim Muse­um Kun­st + Wis­sen in Diessen­hofen, das eine ehe­ma­lige Rot­farb ist.
Quelle: Muse­um Kunst+Wissen: Jubiläum und Ausstel­lung «Mein Diessen­hofen» (tagblatt.ch) (mit Genehmi­gung des Fotografen)

Synthetisches Alizarin aus dem Labor

1868 wurde Alizarin zum ersten Mal syn­thetisch hergestellt. C. Graebe und C. Lieber­mann von den Farb­w­erken Hoechst ist dies als erstes gelun­gen. Sie benutzen dafür ein Abfall­pro­dukt: Steinkohlen­teer. Dieser fällt z.B. bei der Leucht­gash­er­stel­lung an. Genauer gesagt benutzten sie ein Pro­dukt aus Steinkohlen­teer: Anthra­cen. Daraus entwick­el­ten sie dann auch eine kom­merziell konkur­ren­zfähige Syn­these von Alizarin.

Wirtschaftliche Bedeu­tung

Die heute sehr ein­flussre­iche chemis­che Indus­trie fing mit der Farb­stoffind­us­trie an. Der Auf­schwung der chemis­chen Indus­trie geht ein­er­seits auf die Entwick­lung der Tex­tilin­dus­trie zurück und ander­er­seits auf die Entwick­lung von syn­thetis­chen Farb­stof­fen. Dabei ver­loren natür­liche Farb­stoffe allmäh­lich an Bedeu­tung. Auch die Geschichte von Alizarin ist eine Geschichte der Ver­drän­gung: das kün­stlich syn­thetisierte Alizarin ver­drängte allmäh­lich sein natür­lich­es Pen­dant. Jedoch geschah das nicht auf einen Schlag, son­dern schle­ichend. Ein Grund für diesen schle­ichen­den Über­gang sind die ver­wen­de­ten Zwis­chen­for­men von Alizarin, die irgend­wo zwis­chen auss­chliesslich kün­stlich und gän­zlich natür­lich einzuord­nen sind. 

Wichtige Begriffe


Rel­e­vante Literatur:

Alizarin, wikipedia.org, 13.05.2022, <https://de.wikipedia.org/wiki/Alizarin>

Fär­berkrapp, materialarchiv.ch, 13.05.2022 <https://materialarchiv.ch/de/ma:material_2001/>

Türkischrot, wikipedia.org, 13.05.2022 <https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrkischrotf%C3%A4rbung>

Bildquellen:

Beitrags­bild, Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5 (mit Genehmi­gung des Fotografen), Abb. 6

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