Anonym, zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts
Ölhaltige Tempera auf Holz, 7 Elemente, H. 2,82 x B. 4,36 cm
Schweizerisches Nationalmuseum: Inv. LM 6277.1-7.
Die aufwendig bemalte Bretterwand ist das Fragment der hölzernen Wandverkleidung eines spätmittelalterlichen Wohnhauses in Konstanz (Abb. 1). Sie teilt sich in ein Täfer (Abb. 2, 3, 4, 5) und eine Balkenfügung respektive Bohlenwand. Das Täfer stammt vom linken Teil der Wand, rechts klafft nach dem zweiten Täferstück eine grosse Lücke. Die Balken wiederum sind in der ganzen Raumlänge erhalten. Die Bohlen des Täfers sind mit einem Trägerholz verbunden, die Balken 5 und 6 sind mit Nut und Falz gefügt und das Objekt 7 ist lose (Abb. 6). Alle Komponenten bestehen aus Tannenholz.
Die Bemalung des Täfers und der Bohlenwand ist in einem unfertigen Zustand. An vielen Stellen ist die Malerei nicht zu Ende geführt und nur in Vorzeichnung erhalten. Auf diese Weise wird der Aufbau des Gemäldes anschaulich: begonnen wurde mit einer hellen Grundierung. Dann wurden schichtenweise immer dunklere Farben verwendet, welche die Stellen aussparten, in die später Figuren gemalt werden sollten (Abb. 7). Diese Partien wurden zunächst in einer Vorzeichnung angelegt und später mit farbenprächtigen Gewändern und Gesicht-, Haut- oder Haardetails ausgefüllt.
Die zwei Wandabschnitte sind mit ölhaltiger Temperafarbe ganzflächig bemalt. Der Zustand der Bohlenwand an sich ist relativ gut. Es gibt jedoch verteilt über die Teile 1-4 unregelmässige, gebohrte oder geschlagene Löcher und abgeplatzte Farbstellen, zumeist an den Brettfugen. Die Teile 5-7 sind dunkel verschmutzt, jedoch in einem einwandfreien Zustand. Die Teile 1-4 wurden 1970 restauriert. Schmutz und abblätternder Firnis wurden entfernt, ein neuer Firnis wurde aufgetragen.
Die Bohlenwand zeigt eine farbenfrohe und kleinteilige Szene (Abb. 8). Auf der linken Seite befindet sich im Vordergrund eine Gruppe von Menschen. Frauen und Männer in prächtiger Kleidung sitzen zusammen auf dem Boden, spielen Karten, tanzen. Ein Minnesänger spielt einer Dame ein Lied vor, ein Mann sitzt auf einem Stuhl an einem Tisch. Die Kleidung der Frauen fällt in drapierten Falten und erinnert an niederländische Malerei des 15. Jahrhunderts. Eingerahmt wird diese Szene zu beiden Seiten von einem Brunnen. Ist der linke ein schlichter, zweckgebundener Brunnen zum Wasserschöpfen und Kühlen von Krügen, so ist der Brunnen rechts ein Zierbrunnen in gotischer Ausführung. Die Szenerie erinnert stark an Darstellungen von Liebesgärten. Die Malerei zeigt jedoch noch weit mehr. Im Hintergrund der Gesellschaft ist eine Stadt zu erkennen, die von einer Stadtmauer eingefasst wird. Von links nach rechts kleiner werdend, reihen sich vielfältige Bauten aneinander. Die Stadtmauer knickt ganz rechts ab und gibt den Blick auf das Umland frei. Der Blick wird hier von einem Fluss geleitet, der durch einen Aus- oder Zufluss aus der Stadt in die weitere Landschaft fliesst. Hier wird die Szenerie kleingliedrig und wartet mit zahlreichen Details auf: eine Fechtszene, ein Schiff auf dem Fluss, eine höfische Gesellschaft am Fluss, Buden oder Stände und ganz rechts der Anfang eines Dorfes oder einer weiteren Stadt. Dahinter, finden sich weitere Ortschaften und Burgen in perspektivischer Staffelung.
Unter der Gartenszene ist eine steinerne Brüstung fingiert, die an ähnliche Sockelzonen in der Wandmalerei des 14. Jahrhunderts anschliesst.1 Über mehreren Lagen von Bossenquadern ist eine textile Bespannung mit floralen Motiven angebracht. Den Abschluss zur Gartenszene bildet ein profiliertes Sandsteingesims.
Die Balkenfügung zeigt im oberen Balken eine feinteilige Landschaft von Wald, Wiesen und Wäldern. In der rechten Hälfte sind Burgen oder eher Schlösser zu sehen. Auf dem unteren Balken finden sich die Fortsetzung der Landschaft in all ihren Details und zusätzlich Aussparungen und Vorzeichnungen von Personen. Ein Soldatenlager und ein Bauernbetrieb passen sich in die Szenerie ein. Über die Malerei verteilt sind vereinzelt Graffiti in Rot zu finden. Zu diesen wurde noch nicht geforscht.
Die Bretterwand stammt aus einem an der Münzgasse 27 und der heutigen Wessenbergstrasse 6 gelegenen Doppelhaus in Konstanz. Beide Häuser, früher zu einem grossen Komplex mit Innenhof, werden als das „Haus zum vorderen und hinteren Pflug“ benannt. Die Gebäude stehen in einer Häuserzeile, etwas zurückversetzt von der Strasse und mit weiteren um einen Innenhof gruppiert und diesen umfassend.2 Nach Angaben des Schweizerischen Landesmuseums wurde die Bretterwand 1902 vom Hausbesitzer Ludwig Stromeyer bei Renovationen im Innern des Hauses entdeckt und anschliessend ausgebaut, weil er für sie keine Verwendung mehr hatte.3 Das Objekt wurde am 18. April 1902 in vier Teile zerlegt vom Landesmuseum für damals 3‘000 Schweizer Franken angekauft. Dabei wurden nur 4 Teile einer Bohlenwand verzeichnet. Auch zur Ausstellung im Schweizerischen Landesmuseum kamen immer nur die vier Täferfragmente. Die sogenannten „Balken der gegenüberliegenden Wand“ fanden wenig Beachtung.
Die Datierung der Wandverkleidung gestaltet sich schwierig. Eine dendrochronologische Untersuchung ergab lediglich, dass das Holz der Täferstücke 6277.2/3/4 in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Das genannte Datum zeigt allenfalls den Einbau der Bohlenwand an, die Bemalung ist jedoch klar später einzuordnen.4 Keine engere Eingrenzung erlaubt eine dünne Schicht von unregelmässig aufgeklebtem Papier, die auf dem obersten Abschnitt des Täfers gefunden wurde. Leim und Papier zeigen eine Bemalung vor 1806 an.5 Diese Erkenntnisse ermöglichen eine Eingrenzung der Datierung nach 1350 und vor 1806.
Die Datierung bleibt trotz der wissenschaftlichen überprüfbaren Fakten recht unklar. Als Vergleich wird in der Literatur meist der sogenannte Blarerteppich aus Bischofszell angeführt, der sich heute im historischen Museum in Basel befindet (Abb. 9) .6 Dieser Teppich wird heute vom historischen Museum in Basel auf das 1. Drittel des 16. Jahrhunderts datiert, also 100 Jahre später als noch in den 80ern.7 Der Vergleich mit dem bestickten Teppich gestaltet sich schon aufgrund des Mediums schwierig und mag ob der grossen stilistischen Unterschiede nicht recht zu überzeugen. Die Zuweisung an die Blarer als Auftraggeber macht jedoch Sinn. Diese sind vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eine der reichsten und angesehensten Konstanzer Patrizierfamilien. Wenn die Bohlenwand im Auftrag dieser Familie bemalt wurde, müsste das zwischen 1403 und 1441 geschehen sein. Zu dieser Zeit sind die Blarer als Besitzer des Hauses „zum hintern Pflug“ vermerkt.“ Ändern in: „Zwischen 1403 und 1441 sind die Blarer als Besitzer des Hauses „zum hinteren Pflug“ vermerkt. 1538 ist das Haus nicht mehr in ihrem Besitz, was eine Lücke von ca. 100 Jahren ergibt, in der das Geschlecht immer noch im Besitz des Hauses gewesen sein könnte und weiterhin als Auftraggeber in Frage kommt.8
Näheren Aufschluss geben stilistische Vergleiche mit Kleidungsstücken altniederländischen Malerei des mittleren und späten 15. Jahrhunderts. Als Vergleich können die beiden Marienfiguren des Bildes „Christus am Kreuz mit Maria, Johannes und Magdalena“ von Rogier van der Weyden herangezogen werden. (Abb. 10) Die beiden knieenden Figuren tragen Kleider im selben Schnitt wie die Karten spielenden Frauen im Garten. Besonders gut zu sehen ist das bei Maria Magdalena. Auch der Faltenwurf der Kleidung ist in ähnlicher Manier ausgeführt. Die Landschaftsgestaltung des Umlandes und die darin eingefügte Architektur finden ebenfalls Vergleichsbeispiele in niederländischen Landschaftsdarstellungen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Hans Memling setzt Architektur und Landschaft in ein ähnlich harmonisches Verhältnis, wie dies bei der Täferbemalung der Fall ist (Abb. 11). Architektur wird im Hintergrund, also dem Umland der Stadt in einen friedlichen Naturkontext eingebettet und setzt so Akzente. Die Beispiele zeigen, dass aufgrund des Malstils eine Datierung in das späte 15. Jahrhundert plausibel ist. Zugleich zeigt sie das hohe Können und Wissen des Künstlers und schränkt damit auch den Kreis der möglichen Auftraggeber auf die oberste Schicht der Bewohner der Stadt Konstanz ein.
Literatur
Büttner 2008: Nils Büttner, Gemalte Gärten. Bilder aus zwei Jahrhunderten, München 2008.
Frühe 2002 Ursula Frühe, Das Paradies ein Garten – der Garten ein Paradies. Studien zur Literatur des Mittelalters unter Berücksichtigung der bildenden Kunst und Architektur, Frankfurt am Main 2002.
Kat. Konstanz 1989: Heilige, Ritter, Fabelwesen, Kat. Ausstellung Konstanz, Konstanzer Museumsjournal, Konstanz 1989.
Mader 2006: Günter Mader, Geschichte der Gartenkunst. Streifzüge durch vier Jahrtausende, Stuttgart 2006.
Maurer 1989: Helmut Maurer, Konstanz im Mittelalter. II. Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, in: Geschichte der Stadt Konstanz, Konstanz 1989, S. 167-168.
Meier 2005: Hans-Rudolf Meier, Dekorationssysteme profaner Raumausstattungen im ausgehenden Mittelalter, in: Eckart Conrad Lutz, Johanna Thali, Renè Wetzel (Hg), Literatur und Wandmalerei, Bd. 2: Konventionalität und Konversation, Tübingen 2005, 393-418.
SLM 1903: Schweizerisches Landesmuseum, Jahresbericht 1902, Nr. 11, Zürich 1903.
SLM 1948 Das Schweizerische Landesmuseum 1898-1948. Kunst, Handwerk, Geschichte, Zürich 1948.
Wüthrich 1980: Lucas Wüthrich, Wandgemälde, Sammlungskatalog, 1980, S. 124-130.