Exkursion vom 28.05.2016
In der Altstadt von Neuenburg an der Rue de Moulins 37 führt eine steile Treppe den Besucher hoch ins Gebäude und zu den Räumen des Centre d’art Neuchâtel (CAN), das im Jahre 1995 dank einer kleinen Gruppe begeisterter und engagierter KünstlerInnen eröffnet wurde. Diese nahmen bei der Gründung das Prinzip einer Kunsthalle zugrunde und orientierten sich vor allem an der ersten Kunsthalle der Schweiz in Basel. Seit 2008 wird das CAN vom Verein Kunstart geführt, einem Künstlerverein, der ohne politisch oder finanziell einflussreiche Mitglieder auskommen muss. Das CAN ist daher auf private Sponsoren angewiesen. Hierbei trägt die Loterie Romande mit bis zu 70 % den meisten Support bei. Momentan wird das Büro von vier KuratorInnen, die für das Programm zuständig sind, und zwei VerwalterInnen geleitet, die miteinander ohne Rangordnung in einem Kollektiv arbeiten. Das CAN besitzt keine eigene Sammlung – es gibt also keine Dauerausstellungen, sondern es werden stets Künstler eingeladen, eine temporäre Ausstellung zu bestreiten.
Im selben Stockwerk wie der Empfangsbereich steht der verwinkelte Ausstellungsraum, der von Tageslicht erhellt wird. Vor den rauen Mauern sind grosse, weisse Platten montiert, um einen white cube-ähnlichen Raum herzustellen. Momentan wird hier die Ausstellung Cimaise des Künstlers Nicolas Party präsentiert, die seine erste Soloausstellung in einer Schweizer Institution ist. Party wurde 1980 in Lausanne geboren und besuchte dort die École Cantonale d’art de Lausanne (ECAL). Später lebte er in Glasgow und ist seit zwei Jahren in Brüssel sesshaft. Früher war er vor allem als Graffitikünstler tätig, was sich in Cimaise daran zeigt, dass er hauptsächlich vor Ort und kaum im Atelier arbeitet und dass er die Wände wie bei einem Graffiti grossflächig bemalt. Heute beschäftigt er sich aber hauptsächlich mit klassischer Malerei. Party bildet somit ein Novum für das CAN, da es bis anhin überwiegend installative Kunstwerke gezeigt hat.
Seine Arbeit im CAN umfasst zehn Objekte. Diese bestehen jeweils aus einem fast raumhohen, plastischen Körper, auf welchem beidseitig ein gerahmtes Gemälde aus Ölkreide angebracht ist. Zudem wird der Körper selbst mit malerischen Elementen dekoriert. Party, der auch die Rolle des Kurators übernimmt, verteilt diese Objekte dann im Raum, sodass die BesucherInnen zwischen ihnen durchgehen und sie von allen Seiten betrachten können.
Hierbei vollzieht Party in Cimaise eine Durchquerung der Kunstgeschichte:[1] Die von Party ausgewählten Bildgattungen sind über die Jahrhunderte hinweg stetig in der Malerei präsent gewesen: Portraits, Landschaften, Stillleben. Bei der Maltechnik orientiert er sich einerseits an Giotto, welcher den Weg zum perspektivische Malen für die Renaissance ebnete. Party findet somit zum ‚Anfang’ der Malerei zurück und lässt sich vor allem in seinen Portraits von Giottos beginnender Perspektivität inspirieren Weiter erinnern die Formen der Skulpturen an architektonische Elemente aus Byzanz: Halbbogen, Zinne, Quadrat, Giebel. Party zieht diese Skulpturen stark in die Höhe und spielt dadurch mit der vertikalen Ebene im Ausstellungsraum, wodurch der Blick des Betrachters in die Höhe gezwungen wird. Nebst der Gestaltung der plastischen Form bemalt Nicolas diese Ausstellungsobjekte, wobei gewisse Teile auch bloss weiss angestrichen werden. Die anderen Stellen imitieren Marmor oder Holz und erinnern an mit Tapeten geschmückte Wände. Diesen Effekt des trompe-l’oeil lässt sich bereits ins Mittelalter zurückführen. Mit dieser Gestaltung setzt sich Party vom üblichen Bildhintergrund des white cube ab. Farblich stimmt er diese “Dekoration“ der Ausstellungswand auf das darauf dargestellte Bild ab und verhindert damit die klare Trennung zwischen dem Gemälde und dem Hintergrund. Vielmehr eröffnet er ein Wechselspiel zwischen Malerei und Dekor; Obschon die Figuren auf den Gemälden in eine flächige, eintönige Umgebung eingebettet sind, scheinen sie doch durch den trompe-l’oeil-Effekt des Hintergrundes der Leinwand zu entspringen. Dadurch erweitert Party seine Gemälde und verlässt das isolierte Rechteck des Bildes. Obschon er sich von Giotto inspirieren liess, wendet er sich zugleich auch von alten Traditionen des Bildes als Fenster ab.
Dennoch scheut sich Party nicht davor, gewisse Elemente wieder aufzugreifen, die traditionell wirken könnten. Vielmehr macht er sich zur Aufgabe, diese in eine neue zeitgenössische Form zu übersetzen, um somit die zeitlose Dimension der Malerei aufzuzeigen.[2] Hierbei orientiert sich Party nebst Giotto an den Künstlern der klassischen Moderne. die ein Jahrhundert vor ihm bereits bestehende, traditionelle Bildgattungen in eine neue, zeitgenössische Sprache übersetzten. Als Vergleich können hier beispielsweise die Stillleben von Giorgio Morandi herangezogen werden mit denen Party Stillleben Ähnlichkeiten aufweisen.[3]
In der Ausstellung Cimaise vereint Nicolas Party folglich verschiedene Stile vergangener Zeiten, die er in seine eigene, zeitgenössische Bildsprache umwandelt. Hierbei geht es weniger um einen Realitätsbezug zur heutigen Welt, als vielmehr darum, mit zeitlosen Sujets aufzuzeigen, dass sich die Art und Weise der Darstellung dieser Motive stets erneuern kann.
Autorin: Wanda Seiler
[1] Dossier de presse: Nicolas Party – cimaise. Centre d’Art Neuchâtel, S. 4. http://www.can.ch/presse/dossierpresse_party.pdf.
[2] Dossier de presse: Nicolas Party – cimaise. Centre d’Art Neuchâtel, S. 5. http://www.can.ch/presse/dossierpresse_party.pdf.
[3] Dossier de presse: Nicolas Party – cimaise. Centre d’Art Neuchâtel, S. 5. http://www.can.ch/presse/dossierpresse_party.pdf.
Centre d’Art Neuchâtel = http://www.can.ch