Exkursion vom 14.06.2016
Unser Besuch an der Manifesta 11 startet im Löwenbräuareal. Hier begrüsst uns Heiko Schmid, er ist Koordinator im Education-Team. In einem rund einstündigen Gespräch erklärt er uns die Strukturen innerhalb des Manifesta-Betriebs, sein eigener Platz darin, das Konzept der Manifesta 11 und sein persönlicher beruf- licher Werdegang. Er tut dies auf eine bemerkenswert authentische und gewinnende Art. Dabei vermeidet er es auch nicht, persönliche Dämpfer und enttäuschte Erwartungen in der Zusammenarbeit mit dem Kurator Christian Jankowski oder bei seiner Arbeit im Education-Team zu schildern. Auch zeigt er sich o en für eine kritische Auseinandersetzung mit dem fertigen Ergebnis der Biennale.
Der Kurator Christian Jankowski hat sich für die Manifesta 11 ein Konzept überlegt, bei dem jeweils ein internationaler Künstler mit einem lokalen Berufsmensch zusammenarbeiten sollte. Aus einer Liste
von 1000 Berufen, welche heute in Zürich ausgeübt werden, konnte der Künstler eine Person auswählen für eine Kooperation. Diese so genannten «Join Ventures» zwischen Künstlern und Berufsleuten (Gastgeber) zeigen sich an drei verschiedenen Schauplätzen: In einer Kunstinstitution; in einem Satelliten, welcher sich in der Umgebung des Gastgebers be ndet und auf dem «Pavillon of Re ections», wo jedes Projekt in lmischer Form vorgestellt wird.
Nach dem Gespräch mit Heiko Schmid schauen wir uns also den ersten dieser drei Schauplätze an: das Löwenbrauareal als Kunstinstitution. Hier wird einerseits eine museale Form dieser «Join Ventures» gezeigt. Parallel dazu – oder fast überschneidend – wird aber hier auch anderes gezeigt. Die «Historical Exhibition: Sites Under Construction» zeigt Werke, welche in Form von verschiedenen Sites, zusammen- gehängt durch eine Art Gerüst, im weitesten Sinn das Verhältnis zwischen Beruf und Kunst widerspiegeln. Aspekte wie Strukturen von Arbeitswelten, Darstellungen von Berufen, Künstler als Zweitberuf und Selbstporträts und Eigenwerbung werden anhand von Kunstwerken aus den letzten fünfzig Jahren beleuchtet.
Beim letztgenannten Thema halten wir uns einen Moment auf und setzen uns bei einem Referat und einer kurzen Diskussion mit dem Selbstporträt des Künstlerkollektivs RELAX auseinander. Das Werk «Die Künstler kurz vor dem Höhepunkt ihrer Karriere, 2008» zeigt das Künstlerpaar in einem fotogra schen Porträt darge- stellt als physisch arbeitende Künstler-Arbeiter. Die beiden möchten in ihrer künstlerischen Arbeit nicht als Paar wahrgenommen werden. Ihr Kollektiv erweitern sie auch immer wieder durch andere Künstler. Sie sind bekannt für ihre polemischen Statements, Assoziationen über soziale und politische Themen, Auseinander- setzung mit Fragen und Werten der Gesesellschaft. Bezeichnenderweise ist von RELAX hier «nur» ein bestehendes Werk in der «Historical Exhibition» zu sehen. Bei einem eigenen Werk für eine «Join Venture» würden sie wohl kaum davor zurückschrecken, die Institution der Manifesta selbst infrage zu stellen.
Das zweite Werk in der «Historical Exhibition», das wir uns anschauen, ist im Bereich «Arbeitswelten» anzutreen. Der deutsche Filmkünstler Harun Farocki zeigt hier bestehende Filmausschnitte, die neu zusam- mengefügt werden. Für ihn sind Hollywood lme auch Bilddokumente. Für seine Montagen nutzt er sie
als «Readymades», um Neues entstehen zu lassen und seine eigene – sehr kritische – Sichtweise auf verschiedene Themen zu werfen. Der gezeigte Film zeigt einen Blick auf längst vergangene Zeiten: Arbeiter verlassen die Fabrik auf dem Weg in die Freizeit – ins Kino. Das ganze geschieht aus der Perspektive des postindustriellen Zeitalters (1995), in der Fabriken ihre ursprüngliche Funktion verloren haben und nunmehr als Museen und Wohnungen genutzt werden.
«What people do for money» heisst das Motto der Manifesta 11. Ein Thema, für Zürich so klischeebehaftet wie kaum ein anderes. Das Konzept verspricht Spannung für die Zusammenarbeit der Künstler mit Berufsleu- ten und Reibung und Provokation bei den dabei entstandenden Produktionen. Ein subversives Moment ist in den gezeigten Werken aber kaum zu erkennen, zumindest nicht bei jenen in den Ausstellungen der Kunstinsti- tutionen Löwenbräuareal und Helmhaus. Vielleicht braucht es dafür ein paar zusätzliche Besuche bei den weit gestreuten Satelliten. Vielleicht braucht es tatsächlich auch ein paar Re ektionen auf dem gleichnamigen Pavillon beim Bellevue. Gut möglich, dass auch eine anregende Diskussion über das Gesehene und das eine oder andere Bier an der einladenden Bar auf dem schwimmenden Floss zu O enbarungen führen.
Autorin: Petra Winiger Østrup
Kunsthalle Zürich: http://kunsthallezurich.ch/de
Migros Museum für Gegenwartskunst: http://www.migrosmuseum.ch/de/