Ihr Büro befindet sich in einem gemischt genutzten Gebäude am Zürcher Gleisfeld, in dem der Werkstattbetrieb der SBB auf junge Kreative trifft. Tina Küng und Steffen Hägele, die zur gleichen Zeit an der ETH Zürich studierten, gründeten nach gemeinsamen Aufenthalten in Städten wie São Paulo und Tokio das Architekturbüro DU STUDIO. DU steht für “Detour Universe” – ein Verweis auf die Unwägbarkeiten der globalisierten Welt und zugleich auf das Vertrauen in produktive Abstecher und Umwege.
Die beiden sehen im Widerstreit von Individuum und Gesellschaft die zentrale Herausforderung für die heutige Architektur, der sich im Städtebau, im Grundriss, in Grenzen und Schwellen sowie im architektonischen Ausdruck abspielt. Entscheidend ist aus ihrer Sicht, sich eine kritische und neugierige Haltung beim Entwerfen zu bewahren und diese ständig zu hinterfragen – selbst wenn die Bauaufgabe klein ist. “Entwerfen hat für uns massgeblich mit Imagination zu tun, die aus der Summe an Faktoren – Vorschriften, Kundenwünsche, Budget, architektonisches Repertoire, allgemeine Befindlichkeit – stets etwas Neues, Spezifisches entstehen lässt.”
In ihrer Architektur suchen sie die Balance zu halten zwischen der Dominanz der Materie einerseits und ihrer Leichtigkeit andererseits, zwischen Konstruktion und Erscheinung, sowie zwischen Auflösung und räumlicher Stabilität. Beim Entwerfen statten sie ihre Projekte mit unterschiedlichen, architektonischen Ideen aus, die parallel und sogar im Widerspruch zueinander existieren können. In ihren eigenen Worten: “Das Ziel ist architektonischer Reichtum anstelle rigider Kohärenz.”
AP: Was war für euch die grösste Herausforderung aber auch der grösste Reiz beim Umbau und Anbau des Zweifamilienhauses in Emmenbrücke?
DU STUDIO: Das Projekt stellt einen Versuch dar, die Postmoderne ‘umzubauen’. Das bestehende Doppelhaus wurde 1992 von einem Künstler entworfen, mit einer zitatreichen, formalisierenden Handschrift. Sein Bruder, ein Bauleiter, hat es im Inneren ausgearbeitet und erbaut. Diese janusköpfige Arbeitsteilung durchdringt das Gebäude: Der Wohnraum wurde dem äusseren Ausdruck untergeordnet. Unser Projekt versucht, die gestalterische Energie, die den Bestand von Aussen prägt, auch dem Innenraum einzuhauchen. Durch den Umbau werden fehlende Qualitäten im Grundriss hinzugefügt und der Aussenraumbezug im Austausch mit dem Garten intensiviert, mit dem Ziel, den Wohnraum heutigen und künftigen Lebensvorstellungen anzugleichen.
AP: Welche Themen haben euch beim Projekt “Studio 1”, dem Umbau eines Tonstudios, beschäftigt?
DU STUDIO: Die Eingangsebene eines Zürcher Tonstudios soll als Repräsentationsraum für Kunden aus der Marketing-, Film- und Musikbranche aufgewertet, der Saal technisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Halb Arbeitsplatz, halb Kinosaal treffen diametral widersprüchliche Anforderungen aufeinander. Unser Projekt begegnet den räumlichen Widrigkeiten mit starken Kontrasten und – in Anlehnung an den virtuellen Projektionsraum – einer zunehmenden Enträumlichung. Eine Kombination aus Lichtboden und -decke weitet den niedrigen Saal im Sinne eines endlosen Horizonts. Höchste akustische Anforderungen sind integraler Bestandteil der Architektur.
AP: Was wollt ihr an den Swiss Art Awards mit eurer Ausstellung thematisierten?
DU STUDIO: Wir nehmen die Swiss Art Awards als ein städtisches Moment wahr: Als das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Beiträgen, Akteuren und Partikularinteressen (Teilnehmende, Jury, Besuchende) innerhalb der gegebenen Ausstellungsarchitektur. In dieses Stadtgefüge greifen wir mit architektonischen Mitteln ein. Im Dialog mit den benachbarten Beiträgen bauen wir einen der vier hermetischen Blöcke um, lösen diesen zur Mitte hin situativ auf. Dadurch erweitern wir die vorhandenen und wahrgenommenen Schwellen und Räume und verstärken – so hoffen wir – die Qualität der angrenzenden Beiträge.
Text: Anna Protsenko
Veröffentlicht im Rahmen der Lehrveranstaltung Tour de Suisse. Kunst und ihre Institutionen in der Schweiz, eine Zusammenarbeit zwischen dem Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich, dem Studienbereich Kunstgeschichte der Universität Fribourg und dem Bundesamt für Kultur, mit Unterstützung der Boner Stiftung für Kunst und Kultur.
Artikel auf Swiss Art Awards Journal