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Zwischen Welten und Wurzeln: Selbstidentifikation von biracial Schweizer:innen mit afrikanischem Erbe

Diese Bachelorarbeit bietet einen Einblick in die Entdeckungsreise biracial Schweizer:innen. Die Suche nach Identität, Wahrnehmung und Zugehörigkeiten gehören zu den grössten Hürden im Alltag biracial Personen. Diese Hürden werden im schweizerischen Diskurs jedoch viel zu selten gehört oder gesehen.

Diese Arbeit versucht basierend auf der Forschungsfrage: Welche Faktoren beeinflussen die Selbstidentifikation von biracial Schweizer:innen mit afrikanischem Erbe in einem multikulturellen Kontext? Einen Einblick in das Alltagsempfinden von biracial Schweizer:innen zu geben.

Die Arbeit ist sehr persönlich, da auch ich eine biracial Schweizerin mit kenianischem Erbe bin und mich als Kind schon immer gefragt habe, ob ich in der Art die ich über mich denke, alleine stehe. Als Kind von einer schwarzen Mutter und einem weissen Vater in einer mehrheitlich weissen Gesellschaft steht man dann schnell mal zwischen Stuhl und Tisch, oder wie ich es im Titel nenne : Zwischen Welten und Wurzeln. Gerade diese kulturelle Vielschichtigkeit der beiden Herkunftsländer macht das Dasein als biracial noch komplexer und nicht nur für uns schwierig zu navigieren, sondern auch für die Personen um uns herum.

Mit Freude habe ich also im Rahmen der Bachelorarbeit mich mit dieser Thematik auseinandersetzten können.

Aufbau der Arbeit

Ich habe mich zunächst mit diversen Identitätstheorien vertraut gemacht und mir ein multimodales Identitätsmodell überlegt, das für mich die Komplexität des biracial-Daseins am besten umschreibt.

Abb. 1: Multimodales Identitätsmodel (Eigene Darstellung)

Es handelt sich um eine Art Wolke mit semi-permeablen Ringe, die sich gegenseitig beeinflussen und so unsere Identität formen. Die „Core Identity“ beschreibt die individuelle und psychologische Essenz der Identität, während die Aussenringe abhängig von äusserlichen Faktoren ist. Dieses Model nutzte ich, um Fragen für die narrativen Interviews zu entwerfen.

Bei der Suche nach Interviewpartner:innen hat sich per Zufall ergeben, dass alle Personen die gleichen Wurzeln hatten. Sie sind alle biracial Schweizer:innen mit kenianischem Erbe. Dies veränderte meine Forschung immens und brachte ich dazu einen Exkurs in die postkoloniale Geschichte der Schweiz wie auch Kenias zu machen.

Abb 2: Poster über die Geistige Landesverteidigung in der Schweiz (Eigene Darstellung)
Abb 3: Poster über die Mau-Mau-Bewegung in Kenia (Eigene Darstellung)

In den Narrativen Interviews wurden die Interviewpartner:inne dazu aufgefordert, mittel Kindheitsbilder ihre Erfahrungen, Gefühle und Erzählungen zu unterstreichen. Dies sollte im Sinne der Photoelicitation beim Fluss des Erzählen helfen. Dieser visuelle Aspekt war mir für die Arbeit sehr wichtig, da es dem Erzählten ein Gesicht gibt. Eine Stimme, die Gehört und ein Gesicht, das gesehen werden kann. Aufgrund der Anonymisierung wurden jedoch keine Bilder der Erzähler:innen in die Arbeit aufgenommen, sondern eigene, was mir bei der Selbstreflexion half.

Die Analyse der Interviews gliedert sich in drei Hauptblöcke, die sich während den Gesprächen herauskristallisierten.

  • Die Identitätssuche
  • Fremd- und Intraracial Wahrnehmung
  • Rassismus

Diese Faktoren waren massgebend für die Selbstidentifikation der Interviewpartner:innen. Spannend zu sehen war, wie sich diese Faktoren mit den kulturellen Gegebenheiten der jeweiligen Wurzeln zurückführen lässt. Wörter wie Mzungu [Swahili: Weisse(r), Fremde(r)], mixed, Mischling oder light-skin, schwarz , black die zur Eigen- oder auch Fremdbezeichnung genutzt werden, stehen zentral in dieser Arbeit aber auch im Alltag der Erzählenden.

Abb. 4: Poster mit den eigenen Kinderbilder (Eigene Darstellung)

Das Fazit aus den Interviews, war dass das soziale Umfeld der grösste Faktor dafür ist, wie sich eine biracial Person sieht und auch gesehen werden will. Reibungspunkte wie die Fremdwahrnehmung werden als Werkzeug für den stetigen Identitätsprozess und als treibende Kraft für die Auseinandersetzung mit den eigenen kulturellen Wurzeln genutzt.

PHÆNOs Adoleszenzästhetik: Eine reflexive Analyse und Übersetzung von Sam Levinsons EUPHORIA anhand künstlerischer Forschung

Das Ziel meiner künstlerischen Bachelorarbeit war klar definiert: die Abzeichnung einer Adoleszenzästhetik durch eine periphrasierende Analyse und eine künstlerische Übersetzung. Meine These lautete, dass diese Ästhetik durch ein Drehbuch für eine fiktive Serie zum Ausdruck kommen kann. Unter dem Titel PHÆNO habe ich diesen Ansatz verfolgt, wobei die US-amerikanische Serie EUPHORIA (Sam Levinson, US 2019-heute) als Prototyp über Coming-of-Age und Adoleszenz diente. Das Drehbuch als Kunstwerk fungierte schliesslich als analytisches Gefäss, wobei meine schriftliche Reflexion, meine Erfahrungen im künstlerischen Forschen zusammenfasst und in zwei Hauptteile gegliedert ist.

Der philosophische Prozess des Drehbuchschreibens

Meinem Schreibprozess gegenüber hatte ich dankbarerweise bereits schon einen gewissen Vorsprung. Mit einer Seminararbeit mit dem Titel „Coming-of-Emotional-Realism: Fragen und Annäherungen zu Adoleszenz, Emotionen und filmischer Darstellung in Sam Levinsons EUPHORIA“, einem Videoessay über die Lichtgestaltung in EUPHORIA und einem Workshop („‚Fortsetzung folgt!‘ Serielles audiovisuelles Erzählen) bei Brigitte Frizzoni konnte ich mich bereits tiefergehend mit der Thematik um Adoleszenz auseinandersetzten. Meine ursprüngliche Forschungsfrage war dabei, wie eine Adoleszenzästhetik, zum Beispiel anhand filmischer Gestaltungsmittel oder durch den Narrativ, in EUPHORIA verwendet und ersichtlich gemacht werden. Deshalb befasst sich der erste Teil meiner Reflexion (Bachelorarbeit) mit dem philosophischen Prozess des Drehbuchschreibens, einschliesslich Poiesis, Praxis und Performance. Hierbei geht es um das abstrakte (philosophische) Schaffen sowie das physische Schaffen, die Umsetzung und die Aufführung des Drehbuchs als kreativen Ausdruck. Denn beide Texte (Drehbuch und Reflexion) müssen übergreifend in verdoppelter Performanz verstanden werden, und zwar als ein Schreiben über eine Verschriftlichung und vice versa.

Kreative Überlegungen der Gestaltungsmittel im Drehbuch

Der zweite Teil meiner Reflexion widmet sich den kreativen Überlegungen meiner Auswahl von Gestaltungsmittel im Drehbuch. Welche filmischen Gestaltungsmittel eignen sich am besten, um die Adoleszenzästhetik einzufangen? Welches Medium und Format bieten die optimale Plattform für diese künstlerische Vision?

Dazwischen liegt das Drehbuch selbst, das nicht nur als Skript oder Screenplay, sondern als eigenständiges Kunstwerk betrachtet wird. Durch Methoden wie close-readings und Sequenzanalysen konnte ich eine künstlerische, textuelle Auseinandersetzung mit meiner Arbeit vornehmen. Dabei flossen wissenschaftliche Theorien aus der philosophischen Kunst, Screenwriting Studies (u.a. von Craig Batty) sowie Kinder- und Jugendliteratur (u.a. von Carsten Gansel und Ralph Müller) ein.

Adoleszenzästhetik als Trans-Ästhetik

Die Adoleszenzästhetik, die ich in meinem Projekt herausarbeitete, zeichnet sich besonders durch ihre über- und vermittelnde Gefühlsästhetik aus, auch als Affektpoetik bekannt. Paranoia, Trauma, Isolation und Offenheit wurden als komplexe Gefühle der Adoleszenz konstruiert, die nicht an ein bestimmtes Alter gebunden sind. Diese Gefühle sind zudem eng mit kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Prozessen verbunden, wobei psychologische Prozesse und individuelle Lebenswelten eine entscheidende Rolle spielen.

Künstlerisch-forschende Methode des Drehbuchschreibens

Die künstlerisch-forschende Methode des Drehbuchschreibens erwies sich als äusserst gewinnbringend für die Kulturwissenschaft, bzw. für die Populären Kulturen. Durch die Verbindung von künstlerischer Praxis und theoretischer Reflexion konnte ich die Adoleszenzästhetik als Trans-Ästhetik veranschaulichen. Das Drehbuch als Format ermöglichte es, tief in die komplexen emotionalen Landschaften der Adoleszenz einzutauchen und diese facettenreich darzustellen.

Insgesamt zeigt meine Forschung, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit der Adoleszenzästhetik nicht nur ein ästhetisches Vergnügen ist, sondern auch einen tiefen Einblick in die vielschichtigen Erfahrungen dieser Lebensphase ermöglicht. Durch die Verbindung von Kunst und Forschung entfaltet sich eine neue Perspektive auf die Adoleszenz (als Phase), die über Stereotypen und Oberflächlichkeit von 12- bis 19-jährigen Teenies hinausgeht und die tiefere Schichten von Paranoia, Trauma und Offenheit enthüllt. PHÆNO steht dabei als exemplarischer Ausdruck dieser transformativen künstlerischen Forschung.