Zunfthaus Weinleuten, Geltenzunft, Basel aus: M. Möhle, «Markplatz 13 (alte Nr. 1616) - Zunft zu Weinleuten; Geltenzunft», in: Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 7 (Altstadt Grossbasel I), Bern, 2006.


Fassadendetail im ersten Stockwerk, ionisches Pilasterkapitell und Gebälk mit Beschlagwerk-Fries aus:Strübin Rindisbacher, Johanna, «Daniel Heintz : Architekt, Ingenieur und Bildhauer im 16. Jahrhundert», Bern, 2002.


Ionisches Hermenpaar im 1. Obergeschoss aus: M. Möhle, «Markplatz 13 (alte Nr. 1616) - Zunft zu Weinleuten; Geltenzunft», in: Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 7 (Altstadt Grossbasel I), Bern, 2006.


Wappen der Geltenzunft aus: H. Schwabe-Burckhardt, «Zunft zu Weinleuten 1233»,komplett überarbeitete Festschrift zum 750-Jahre-Zunftjubiläum, verfasst im Jahre 1983, Basel, 2005.


Zunfthaus zu Weinleuten, Geltenzunft, Basel (1562–1578)



1. Einführung
2. Historischer Hintergrund
3. Architektonische Beschreibung
4. Der Architekt


1. Einführung
Das Zunfthaus zu Weinleuten ist neben dem Rathaus das einzige Gebäude, dass aus der Zeit vor der Umgestalltung gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch erhalten ist. Das Zunfhaus ist ein einzigartiges Werk des Renaissancebaustils und beschreibt eine ausserordentliche Stellung in der Basler Architektur.
Die Zunft zu Weinleuten ist eine der vier Basler Herrenzünfte und eine historische Vereinigung der Weinhändler, Weinschenken und Weinlader.

2. Historischer Hintergrund
Die Zunft wird als "zunfta cauponum" erstmals 1233 als Eigentümerin des linken Teils eines Hauses am Marktplatz erwähnt. 1330 wird im Anniversarbuch des Domstifts eine "domus caponum" erwähnt, womit jedoch das benachbarte Haus gemeint ist. 1409 kaufte die Zunft schliesslich den rechten Teil des Hauses am Marktplatz dazu und in den Jahren 1421/22 wurde mit kleineren Umbauten begonnen. Mit dem Renaissanceumbau der Vorderfassade wurde im Jahre 1562 begonnen. Die Arbeiten wurden 1578 beendet, was im Sturz einer Türöffnung im ersten Obergeschoss zu lesen ist. Der Architekt der Fassade ist nicht überliefert, sie wird jedoch dem Baumeister und Bildhauer Daniel Heintz zugeschrieben. Eine umfassende Fassadenrenovierung erfolgte 1689 durch den Steinmetz Melchior Schauber. Die Renovation beinhaltete auch, dass die Fassade mit "Öhlfarb von Kesselbraun" gestrichen wurde. 1889 wurde das Erdgeschoss zu einer Gastwirtschaft umgebaut und der Hof mit einem Glasdach überdeckt. Seit 1910 wird das ganze Gebäude von einer Bank gemietet, die sich heute noch darin befindet.

3. Architektonische Beschreibung
Auf dem heutigen Grundstück der Geltenzunft befinden sich das Vorderhaus mit Seitenflügel an der linken Hofseite, sowie zwei in den Hang des Münsterhügels gebauten Hintergebäude. Das Vorderhaus besteht aus einer Erdgeschosshalle, in der sich heute eine Bank befindet, und einem typischen Versammlungssaal im ersten Obergeschoss. Zum Marktplatz hin erstreckt sich die beinahe quadratische Sandsteinfassade. Die vier Fensterachsen sind durch die breitere rechte Fensterachse asymmetrisch angelegt, da eine starke Brandmauer den dreiachsigen linken Teil des Gebäudes trennt. Die Fassade entspricht in grossen Teilen der italienischen Renaissancearchitektur. Im Erdgeschoss werden die vier Arkaden durch dorische Dreiviertelsäulen? auf niedrigen Sockeln gerahmt. In den Zwickeln der Eingangsarkade befinden sich zwei Rollwerkkartuschen mit dem Zunftzeichen. Im Fries des Gebälks befinden sich Verkröpfungen? und dazwischen teilvergoldete Bukranien. Das erste Obergeschoss wird durch kannelierte Pilaster mit ionischen Kapitellen gegliedert. Die Wandfläche wird durch breite, in senkrechte Bahnen gegliederte Fensteröffnungen ersetzt, wobei auch die Fensterpfeiler der ionischen Säulenordnung angehören. Die drei Fenster im linken Fassadenteil sind jeweils dreibahnig, wobei der mittlere Fenstersturz erhöht ist und der Reliefaufsatz zur Fenstermitte hin ansteigt. Abgeschlossen werden die Fenster durch einen Dreiecksgiebel. Beim rechten, vierteiligen Fenster werden die mittleren Fensterbahnen durch einen halbkreisförmigen Blendbogen überfangen, der zusammen mit den Stürzen der äusseren Fensterbahnen einer Serliana bildet. Die Zwickeln der Fenstergruppen sind mit Blendnischen besetzt und das durchgehende Gebälk des Stockwerks wird durch ein beschlagwerkartiges Flachrelief geschmückt, das in den Säulenachsen unterbrochen ist. Dadurch entsteht Platz für die teilweise vergoldeten menschlichen Köpfe. In der rechten Fensterachse ist die goldene Jahreszahl "MD*L*XX*VIII" (1578) hinterlegt. Das zweite Obergeschoss wird durch kannelierte Pilaster der kompositen Ordnung gegliedert und weist schmalere Kreuzstockfenster auf. Die Öffnung sind wie im ersten Obgeschoss ohne Brüstung direkt auf das Gebälk der unteren Etage gesetzt. Über dem Architrav liegt ein konsolengetragenes Kranzgesims und drei kleinere Gaupen mit einer grösseren in der zweiten Dachebene belichten das Dachwerk.
Die Rückfassade des Hauses und die Fronten der Hofgebäude sind in konventionellen spätgotischen Formen gehalten. Im Inneren befindet sich heute im Erdgeschoss die Kassenhalle einer Bank. Die Hoffassade ist in zwei grosse Segmentbögen aufgelöst, wie auch die seitliche Front des Flügelbaus. Im ersten Obergeschoss befindet sich der Zunftsaal, dessen Wände teilweise noch die Vertäferung aus dem Jahr 1886 mit Pilastergliederung und Blendarkaden aufweisen. Die wertvollste Raumverzierung ist jedoch ein ionisches Hermenpaar als Fenstersäulen gegen die Marktplatzfront. Links steht ein bärtiger Atlant in Tunika und reliefiertem Brustpanzer mit Lederstreifen ("Pteryges") an Schultern und Hüften. Der Kopf ist leicht nach links geneigt und dem Zunftwesen entsprechend trägt er einen Weinkrug und einen Weinkelch in den Händen. Rechts davon befindet sich eine streng frontal und symmetrisch angelegte Karyatide in einem langen, gegürtetem Kleid. Beide Figuren sind mit Ölfarbe gefasst.
In die Nebenstube im rechten Hausteil führt vom Zunftsaal eine Tür durch die Brandmauer, deren Sandsteinrahmung mit Rundstäben profiliert ist und die auf dem Sturz das Geltenwappen und die Jahreszahl 1562 trägt. Eine weitere Tür mit Geltenwappen führt dann vom Flügelgebäude in das Vorderhaus.

4. Der Architekt
Daniel Heintz der Ältere wurde zwischen 1530 - 1535 in Alagna im Piemont geboren und wurde 1559 Basler und 1591 Berner Bürger. Neben seinen Tätigkeiten als Baumeister und Architekt war er auch Mitglied der Steinmetzbruderschaft. Zu seinen bedeutensten Leistungen gehören neben der Zunft zu Weinleuten auch der Spiesshof in Basel und das Mittelschiffgewölbe im Berner Münster, sowie der abgebrochene Renaissancelettner. Er übernahm zuletzt das Berner Werkmeisteramt und zog 1581 ganz nach Bern, wo er 1590 starb.
Seine erste Werksphase in Basel und Bern besteht aus drei anspruchsvollen Renaissancebauten (Geltenzunft, Spiesshof und das Gesellschaftshaus zu Pfistern in Bern), wobei die Zunft zu Weinleuten das älteste der drei Bauwerken darstellt. Von der Geltenzunft gibt es bis jetzt keine gesicherten Quellen, die Daniel Heintz als Architekten belegen - jedoch kommt durch den Entstehungszeitraum und durch formale Vergleiche mit den beiden anderen Bauwerken aus seiner ersten Schaffensperiode nur Daniel Heintz in Frage. So lassen sich vor allem die gesetzmässigen Säulensysteme, sowie andere wichtige architektonische Motive gut zwischen der Geltenzunft und dem Spiesshof vergleichen; beide Fassaden weisen eine sehr ähnliche Anordnung der Fensterfassaden mit Arkaden im spätgotischen Stil und einen systematischen Aufbau der Säulen- und Pilasterordnungen auf. Bei seinen Planungen berücksichtigte Daniel Heintz auch die Lage der Zunft zu Weinleuten. Die Geltenzunft steht in der Fassadenflucht der östlichen Marktplatzseite und muss sich visuell gegen das imposante, auf der unteren Seite des Marktplatzes gelegene Rathaus behaupten. Durch eine klassische Säulenordnung, kombiniert mit der kesselbraunen Sandsteinfassade und durch die Verbindung von deutschen (Rollwerk) und italienischen Renaissancemotiven (Konsole, Serliana) setzt Daniel Heintz einen repräsentablen Kontrast und verschiebt die visuelle Achse weiter richtung Platzausgang hin. Die architektonischen Details und Ausführungen der Fassadenwand erinnern stark an die frühen florentinischen Stadtpaläste, wie Leon Battista Albertis Palazzo Rucellai und bedienen sich dessen Monumentalität. Wiederum fügt sich das Zunfthaus zu Weinleuten durch sein herrschaftliches Gebäudemuster und durch die klassisch-harmonisch gestaltete Fassade wunderbar in das Gesamtbild des Marktplatzes ein, ohne die anderen Bauwerke übertreffen oder überragen zu wollen.


Bibliographie
'-Möhle, Martin, «Markplatz 13 (alte Nr. 1616) - Zunft zu Weinleuten; Geltenzunft», in: Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 7 (Altstadt Grossbasel I), Bern, 2006, Seite 393 - 398
-Schwabe-Burckhardt, Hansrudolf, «Zunft zu Weinleuten 1233»,komplett überarbeitete Festschrift zum 750-Jahre-Zunftjubiläum, verfasst im Jahre 1983, Basel, 2005.-
-Strübin Rindisbacher, Johanna, «Daniel Heintz : Architekt, Ingenieur und Bildhauer im 16. Jahrhundert», Bern, 2002.'
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